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  • · Fachbeitrag · Arbeitnehmerhaftung

    ArbN muss 66.500 EUR Ermittlungskosten einer Kanzlei gegen sich selbst an ArbG zurückzahlen

    | Wenn aufgrund von anonymen Meldungen der Verdacht besteht, ein ArbN habe in erheblicher Weise gegen interne Compliance-Regeln verstoßen, darf der ArbG eine Anwaltskanzlei beauftragen, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kostenerstattungspflicht des ArbN bezieht sich auf die Maßnahmen, die zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadenverhütung erforderlich sind. Das ist der Fall, wenn das Ermittlungsergebnis den ArbG zum Ausspruch einer Kündigung veranlassen. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbN arbeitete seit 2009 als Leiter des Zentralbereichs Einkauf. Er ist Mitglied der Führungsebene F1 beim ArbG. Im Jahr 2015 bezog er unter Einschluss von Variablen, Zuschüssen und Gebrauchsvorteilen ein Einkommen in Höhe von über 466.000 EUR brutto. In dieser Zeit leistete er sich zahlreiche „Geschäftsessen“ und „Geschäftsreisen“ nach New York mit Theater- und Baseballspielbesuchen sowie diverse Reisen zu Champions-League-Spielen auf Kosten des ArbG. In erster Linie handelte es sich dabei wohl um privat motivierte Ausgaben. Die Kosten für den ArbG beliefen sich dabei auf mehrere 100.000 EUR.

     

    Durch anonyme Meldungen erfuhr der ArbG von den Vorgängen des ArbN. Er beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei, das genaue Ausmaß des Fehlverhaltens des ArbN zu ermitteln. Für diese Tätigkeit stellte die Kanzlei dem ArbG rund 200.000 EUR in Rechnung. Nach Erhalt des Ermittlungsberichts kündigte der ArbG dem ArbN fristlos.

     

    Im Rahmen der Kündigungsschutzklage, verlangte die ArbG unter anderem die Übernahme der Kosten der Ermittlungsarbeit in Höhe von 200.000 EUR durch den ArbN.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LAG Baden-Württemberg (21.4.20, 19 Sa 46/19, Abruf-Nr. 216457) entschied, dass die Beauftragung einer auf Unternehmensstrafrecht spezialisierten Anwaltskanzlei durch den ArbG zur Aufklärung der Sachverhalte gerechtfertigt sei, wenn gegen einen Einkaufsleiter aufgrund von anonymen Meldungen der Verdacht bestehe, er habe in erheblicher Weise gegen interne Compliance-Regeln verstoßen (hier: mehrfache Besuche von Champions-League-Spielen eines süddeutschen Fußballvereins auf Kosten von Geschäftspartnern des ArbG).

     

    Nach dem BAG habe der ArbN dem ArbG die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der ArbG aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des ArbN übertrage und dieser einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt werde.

     

    Grundsätzlich sei es nicht zu beanstanden, externe Spezialisten zu beauftragen. Es diene dem Interesse beider Seiten, den Sachverhalt sorgfältig und professionell aufzuklären. Wie der Tätigkeitsbericht der Kanzlei zeige, seien eine Vielzahl von elektronischen Dokumenten zu sichten und auszuwerten gewesen. Schließlich sei es im Rahmen der Aufklärung auch darum gegangen, den ArbN mit den Sachverhalten zu konfrontieren, wobei sich dieser nicht kooperativ gezeigt habe. Zwar stehe die beauftragte Kanzlei in den Diensten des ArbG. Sie biete jedoch mehr Gewähr für distanzierte Sachlichkeit, als dies bei einer unternehmensinternen Ermittlung der Fall gewesen wäre.

     

    Zudem mache es keinen Unterschied, ob mit der Ermittlung Detektive, Wirtschaftsprüfer, forensische Experten oder ‒ wie vorliegend ‒ spezialisierte Anwälte eingeschaltet würden. Entscheidend seien vielmehr die aus der Pflichtenstellung der Geschäftsleitung abgeleiteten Ziele bei dem Verdacht auf Compliance-Verstößen: Bei konkreten Hinweisen den Sachverhalt unverzüglich aufzuklären, festgestellte Verstöße abzustellen und ein festgestelltes Fehlverhalten zu sanktionieren. Ansonsten hätte sich die Geschäftsleitung wegen einer eigenen Pflichtverletzung zu verantworten. Damit würde sie sich gegebenenfalls selbst schadenersatzpflichtig machen.

     

    Die Kosten für weitergehende Ermittlungen, die darauf gerichtet seien, Schadenersatzansprüche vorzubereiten, und die sich nicht auf einen konkreten Tatverdacht stützen, seien dagegen nicht erstattungsfähig. Dem stehe § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG entgegen, der auch einen Anspruch auf Erstattung vor- bzw. außergerichtlicher Kosten ausschließe. Davon erfasst sei der Schadenersatz in Form von Beitreibungs- und Rechtsverfolgungskosten (BAG 25.9.18, 8 AZR 26/18, Abruf-Nr. 204594).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die angesetzten Stundenhonorare von 350 EUR der spezialisierten Anwaltskanzlei waren für das Gericht kein Problem. Diese entsprächen dem Üblichen für qualifizierte und spezialisierte Rechtsanwälte. Das habe die Rechtsanwaltskammer auf Anfrage des ArbG bestätigt. Es mache keinen Unterschied, ob die beauftragten Rechtsanwälte ihr Fachwissen für die Rechtsberatung oder für die Ermittlung des Sachverhalts einsetzen.

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2020 | Seite 155 | ID 46810318