· Fachbeitrag · Arbeitszeugnis
Arbeitswelt 2.0: Codes, Formulierungen, Zeichen in Arbeitszeugnissen, Teil 2
von RA Dirk Helge Laskawy, FAArbR, und RAin Peggy Lomb, FAArbR, beide Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Leipzig/München
| Das qualifizierte Arbeitszeugnis mit der Beurteilung der Leistung und des Verhaltens spielt bei einer Bewerbung unverändert eine entscheidende Rolle. Der dreiteilige Beitrag zeigt dem Praktiker auf, wie Arbeitszeugnisse heute formuliert werden müssen und welche Inhalte unter „geht gar nicht“ fallen. Nachdem im ersten Teil die Formulierungen und verbotenen Codes im Vordergrund standen, widmet sich der zweite Teil der Frage, welche Codes im Rahmen bleiben und welche an der Schmerzgrenze liegen. |
1. Erlaubte und anerkannte Codes
Neben der üblichen Notenskala, die im Teil 1 dargestellt wurde, wird regelmäßig mit weiteren Techniken bei den Codes gearbeitet.
Betonung von Selbstverständlichkeiten
Hier wird klassischerweise die Pünktlichkeit des ArbN genannt, „war der ArbN auch sonst nichts, war er zumindest pünktlich“. Pünktlichkeit gilt als Selbstverständlichkeit. Es fällt also negativ ins Gewicht, wenn der ArbG diese Eigenschaft im Arbeitszeugnis erwähnt. Neben der Pünktlichkeit gilt dies für die Betonung von Aufgaben, die selbstverständlich in den Aufgabenbereich des ArbN fielen.
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Maßlose Formulierungen
Werden im Arbeitszeugnis Superlative nahtlos aneinander gereiht, spricht dies eher für eine codierte Andeutung, die dem ArbN eben jene Qualifikationen absprechen, die im Zeugnis gewürdigt werden (BAG 15.11.11, 9 AZR 386/10, Abruf-Nr. 120211).
Negationstechnik
Während im normalen Sprachgebrauch eine doppelte Verneinung die positive Aussage verstärkt, bewirkt sie in der Zeugnissprache eine Abwertung. Gab das Verhalten eines Beurteilten „keinen Anlass zu Beanstandungen“, dann war es gerade nicht lobenswert (http://www.arbeitszeugnis.de/arbeitszeugnis-code.php).
Anerkannte Codewörter
- Gesellig: Alkoholprobleme
- Gesundes Selbstvertrauen: Arroganz
- Fleißig & Pünktlich: Dann war der ArbN nicht ehrlich; die Trias (Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit) muss stets zusammen genannt werden
- Gewissenhaft & Ordnungsgemäß: Falls im gesamten Zeugnis sonst keine dynamischen Attribute (motiviert, initiativ) verwandt werden, dann gilt der ArbN als Bürokrat ohne eigenen Antrieb.
2. Recht auf ein nettes Wort am Ende?
Es ist durchaus üblich, Zeugnisse mit der Erklärung besonderen Dankes, des Bedauerns und/oder der Wünsche für die Zukunft abzuschließen. Derartige Schlussformeln wie der Satz „Wir bedauern sein Ausscheiden, danken für die geleisteten Dienste und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute!“ können das Zeugnis abrunden, sind jedoch kein rechtlich notwendiger Bestandteil (BAG AA 13, 28). Auf sie besteht kein Anspruch (BAG NZA 01, 843).
Zudem darf eine vorhandene Schlussformel nicht im Widerspruch zum sonstigen Zeugnisinhalt stehen und diesen relativieren (BAG NZA 01, 843). Entspricht es dem vom Empfängerhorizont zu bestimmenden Wortsinn der Formulierung, dass der Beurteilende den Beschäftigten mit der Schlussformel tadeln oder andere Aussagen des Zeugnisses entwerten will, kann der ArbN nur vollständig auf die Schlussformel verzichten und deren Entfernung verlangen. Einen Anspruch auf Berichtigung der Formulierung hat er nicht.
3. Formvorschriften
Das Zeugnis soll dem beruflichen Fortkommen des ArbN dienen. Aus diesem Grund sind gewisse Formalia einzuhalten:
- Das Zeugnis muss maschinenschriftlich ausgestellt werden (BAG NZA 93, 2197).
- Es ist das für die Geschäftskorrespondenz übliche Papier zu verwenden (BAG a.a.O.).
- Die Erteilung in elektronischer Form ist kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 630 S. 3 BGB i.V.m. § 109 Abs. 3 GewO.
- Gänsefüßchen, Unterstreichungen, Hervorhebungen durch Fettdruck, Ausrufe- oder Fragezeichen sind unzulässig.
- Das Zeugnis muss kopierfähig sein.
- Es muss den Vor- und Nachnamen des ArbN bezeichnen.
- Das Ausstellungsdatum - regelmäßig ist dies der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses -, muss aus dem Zeugnis hervorgehen.
4. Rechtsfolgen fehlerhafter Zeugnisse für den ArbG
Es sind zwei denkbare Situationen zu unterscheiden, in denen der ArbG in die Verantwortung genommen werden kann. Beide Konstellationen können Schadenersatzansprüche auslösen:
- Zum einen, wenn er verbotene Inhalte, Codewörter zulasten des ausgeschiedenen ArbN verwendet oder kein Zeugnis erteilt.
- Zum anderen, wenn er ein übertrieben gutes Abbild des ArbN darstellt, auf welches sich der zukünftige ArbG verlassen hat.
Verbotene Inhalte oder kein Zeugnis erteilt
Der ArbG ist dem ArbN für ein schuldhaft verspätetes, unrichtiges oder überhaupt nicht ausgestelltes Zeugnis gemäß §§ 276, 284 BGB schadenersatzpflichtig. Der ArbG haftet in diesen Fällen für den Minderverdienst, den der ArbN dadurch erleidet, dass er bei seiner Bewerbung kein Zeugnis vorweisen kann. Nach den allgemeinen Beweislastregeln ist der ArbN dafür beweisbelastet, dass ihm wegen der verspäteten oder nicht ordnungsgemäßen Zeugniserteilung ein Schaden entstanden ist. Allerdings kommt dem ArbN insoweit für den Nachweis des entgangenen oder geringeren Verdiensts die Beweiserleichterung nach § 252 S. 2 BGB i.V. mit § 287 ZPO zugute. Der ArbN muss nur Tatsachen vortragen und beweisen, welche den Schadenseintritt wahrscheinlich erscheinen lassen. Er wird daher regelmäßig darlegen müssen, dass der potenzielle neue ArbG Interesse an seiner Einstellung hatte und das fehlende oder verspätete Zeugnis zur Sprache gebracht wurde.
Übertrieben gutes Zeugnis
Ein Schaden kann auch dadurch entstehen, dass der ArbG eine zu positive Bewertung vornimmt und der ArbN nach seiner Neueinstellung seinen neuen ArbG schädigt. Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen altem und neuem ArbG kommt eine Haftung gemäß § 826 BGB in Betracht, wenn der alte ArbG wissentlich falsche Angaben macht, das Bewusstsein möglicher Schadensfolgen hat und diese billigend in Kauf nimmt (BGH 26.11.63, VI ZR 221/62) oder nach Kenntnisnahme der Unrichtigkeit des erteilten Zeugnisses die Richtigstellung bewusst unterlässt (BGH NJW 79, 1882).
Der alte ArbG kann die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 BGB nutzen. Er kann sich also durch den Nachweis entlasten, er habe den mit der Zeugniserteilung beauftragten Mitarbeiter sorgfältig ausgesucht und überwacht. Aus diesem Grund, und weil der ArbG eine Mindestgewähr für die Richtigkeit des Zeugnisinhalts übernehmen soll, hat der BGH - wenngleich in engen Grenzen - den Schadenersatzanspruch auf vertragsähnliche Haftungsgrundsätze gestützt. Danach haftet der ArbG auch für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Erkennt er nachträglich, dass das erteilte Zeugnis fehlerhaft ist, so ist er zur Zeugnisberichtigung und zur Information des neuen ArbG verpflichtet. Die vom BGH aufgestellte Forderung ist in der betrieblichen Praxis häufig nicht erfüllbar, etwa weil die aktuelle Anschrift des ArbN oder der Folgearbeitgeber nicht bekannt ist. Die Schadenersatzpflicht kann wegen Mitverschuldens gemindert sein, wenn der Folgearbeitgeber aus den Zeugnisformulierungen entnehmen konnte, dass Verfehlungen vorlagen. Dies gilt insbesondere, wenn das Verschweigen bestimmter Tatsachen offensichtlich ist, also wenn z.B. erwartete Angaben zur Ehrlichkeit eines Mitarbeiters mit Kassenverantwortung fehlen.
Weiterführender Hinweis
- Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt.