· Fachbeitrag · Arbeitszeugnis
ArbN will überdurchschnittliche Beurteilung: Dann muss er die Tatsachen dafür beweisen
von Ass. jur. Petra Wronewitz
| Erhält ein ArbN ein Arbeitszeugnis, in dem ihm der ArbG eine durchschnittliche bzw. befriedigende Leistung bescheinigt, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, wenn er eine überdurchschnittliche Beurteilung anstrebt. |
Sachverhalt
2019 absolvierte der ArbN eine neunmonatige Ausbildung zum Schulbegleiter und Integrationsassistenten. Anschließend arbeitete er als Schulbegleiter/Integrationsassistent bei dem beklagten ArbG. Der Hilfeplan für den ihm zugewiesenen Schüler hatte zum Ziel, dass dieser Konflikte mit Mitschülern ohne Gewalt löst, Grenzen der Mitmenschen wahrt, aktiv am Unterricht teilnimmt, Hausaufgaben in das Hausaufgabenheft schreibt und den Unterricht nicht stört. Der ArbN war von Oktober 2021 bis Januar 2022 arbeitsunfähig, nachdem ihm der betreute Junge mehrere Finger gebrochen hatte.
Der ArbN erhielt vom ArbG mit Datum vom 27.1.23 ein formal nicht beanstandetes Arbeitszeugnis. Die Gesamtbewertung der Leistung formulierte der ArbG folgendermaßen: „ … Herr … [Kläger] erfüllte seine Aufgaben in der Integrationshilfe immer selbstständig, sorgfältig und stets zu unserer Zufriedenheit.“
Gegen diese Formulierung wehrte sich der ArbN vor dem Berufungsgericht, weil er mit der Leistungsbeurteilung nicht zufrieden war. Er habe gute Leistungen erbracht, mindestens aber befriedigende Leistungen im oberen Bereich. Die vom ArbG vorgenommene Bewertung sei unterdurchschnittlich, ohne dass er dies mit Tatsachen belegt habe. Er habe sich überdurchschnittlich engagiert und sei letztlich der Einzige gewesen, der den Jungen habe führen können. Damit habe er die Maßnahmen aus dem Hilfeplan vollumfänglich umgesetzt. Es sei ihm gelungen, das Kind in die Klasse einzugliedern. Er wollte deshalb folgende Formulierung in seinem Zeugnis sehen: „ … Herr … [Kläger] erfüllte seine Aufgaben in der Integrationshilfe immer selbstständig, sorgfältig und stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, ‒ hilfsweise ‒ … und zu unserer vollen Zufriedenheit.“
Entscheidungsgründe
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern (2.7.24, 5 Sa 108/23, Abruf-Nr. 243831, Vorinstanz: ArbG Stralsund 2.8.23, 11 Ca 90/23) hielt die Klage für zulässig, aber unbegründet. Der ArbN habe aus § 109 Abs. 1 und 2 GewO keinen Anspruch gegen den ArbG auf Erteilung eines neuen qualifizierten Arbeitszeugnisses mit einer besseren Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Der ArbG habe den Zeugnisanspruch des ArbN bereits erfüllt.
In den Entscheidungsgründen stützt sich das LAG Mecklenburg-Vorpommern in erster Linie auf die Rechtsprechung des BAG. Erteile der ArbG ein Zeugnis, welches dem ArbN eine durchschnittliche bzw. befriedigende Leistung bescheinige, trage der ArbN die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, welche eine überdurchschnittliche Beurteilung rechtfertigen sollen (etwa BAG 27.4.21, 9 AZR 262/20). Soll dagegen dem ArbN eine nur ausreichende oder noch schlechtere Bewertung erteilt werden, müsse der ArbG vortragen und beweisen, dass er damit den Zeugnisanspruch des ArbN erfüllt habe (BAG 24.3.77, 3 AZR 232/76).
Von diesen Maßstäben sei auch der ArbG bei der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des ArbN ausgegangen. Mit der Formulierung „stets zu unserer Zufriedenheit“ habe er dem ArbN eine befriedigende Leistung im mittleren bis oberen Bereich bescheinigt. Das entspreche einer durchschnittlichen Bewertung. Diese Einschätzung hielt das LAG Mecklenburg-Vorpommern schon deshalb für nachvollziehbar, weil der ArbN erst kurz vor Antritt seiner Tätigkeit eine einschlägige Ausbildung absolviert hat. Vielfach führe erst eine langjährige Berufserfahrung zu guten und sehr guten Leistungen.
Eine Leistungsbeurteilung sei zudem nur ein Element des Gesamturteils. Ein weiterer Gesichtspunkt sei das Verhalten des ArbN im Arbeitsverhältnis, etwa die Beachtung arbeitsvertraglicher Weisungen oder die Erfüllung von Nebenpflichten. Hier sei der ArbN nicht allen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen, was der ArbG auch zu der Gesamtbeurteilung veranlasst habe.
Relevanz für die Praxis
Die Rechtsprechung zur Beweis- und Darlegungslast der Zeugnisparteien ist umfangreich, weil auf diesem arbeitsrechtlichen Gebiet naturgemäß viel Streit entstehen kann. Der ArbN hätte in diesem Fall darlegen müssen, dass er im Hinblick auf Leistung und Verhalten während des rund zweieinhalb Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses besser als ein durchschnittlicher Schulbegleiter/Integrationshelfer gewesen ist.
Erteilt der ArbG ein Zeugnis, welches dem ArbN eine durchschnittliche bzw. befriedigende Leistung bescheinigt, trägt der ArbN die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, welche eine überdurchschnittliche Beurteilung rechtfertigen sollen. Soll dagegen dem ArbN eine nur ausreichende oder noch schlechtere Bewertung erteilt werden, muss der ArbG vortragen und beweisen, dass er damit den Zeugnisanspruch des ArbN erfüllt hat.
Diese Darlegung wird selten gelingen. Deshalb ist Vorsicht geboten, wenn man als ArbN gegen ein durchschnittliches Zeugnis klagen will. Weitaus höhere Erfolgsaussichten hat eine Klage, wenn das Zeugnis formale Mängel aufweist.
Weiterführende Hinweise
- Kein qualifiziertes Arbeitszeugnis ohne das offizielle Briefpapier, Wronewitz in AA 24, 43
- Weglassen der Abschlussformel wegen Änderungswunsch des ArbN, BAG in AA 24, 5
- Dank und Wünsche: Kein integraler Bestandteil, BAG in AA 22, 173
- Wenn ArbN und ArbG sich um die Formulierung des Zeugnisses streiten: Eine Gegenüberstellung in AA 22, 114