Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Rechtswegzuständigkeit/AGG

    Alter, Alter: Bei der richtigen Wahl des Rechtswegs auch auf das Alter achten!

    | Wird eine Stelle im öffentlichen Dienst offen für ein Beamten- und für ein Arbeitsverhältnis ausgeschrieben, ist für den Rechtsweg maßgeblich, ob sich die Bewerbung auf die Übernahme in ein Beamtenverhältnis oder auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags richtet. Lässt sich der Bewerbung selbst keine eindeutige Präferenz entnehmen, kommt dem Umstand, dass der Bewerber aufgrund seines Alters nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen werden darf, maßgebliche Bedeutung zu. Dann kann der Bewerber nur ein Arbeitsverhältnis gewollt haben. |

     

    Sachverhalt

    Der 1961 geborene, schwerbehinderte Kläger (GdB 70) bewarb sich auf eine ausgeschriebene W2-Professur für BWL mit Schwerpunkt Unternehmensführung bei der beklagten technischen Hochschule. Im Bewerbungsschreiben verwies er auf seinen Schwerbehindertenausweis. Ohne ihn zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Auswahlverfahren in der Fakultät abgeschlossen und er nicht in die Vorschlagsliste aufgenommen worden sei.

     

    Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern (knapp 18.300 EUR). Das Arbeitsgericht erklärte den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln. Die W2-Professur, auf die sich der Kläger beworben habe, werde nicht zivilrechtlich als Arbeitsverhältnis übertragen, sondern durch Ernennung nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Hochschulrechts NRW. Für Ansprüche wegen einer Benachteiligung aus Anlass der Bewerbung auf eine ausgeschriebene Beamtenstelle ergebe sich eine Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz. Mit seinem als „sofortige Beschwerde innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen“ bezeichneten Schriftsatz vertrat der Kläger die Ansicht, dass das Arbeitsgericht Köln zuständig sei.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LAG Köln (30.10.18, 9 Ta 192/18, Abruf-Nr. 205775) hielt die sofortige Beschwerde für begründet. Es handele sich um eine Rechtsstreitigkeit zwischen einem ArbN und einem ArbG aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst c) ArbGG, für die die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig seien. Hingegen handele es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz. Für den einschlägigen Rechtsweg und dessen Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der Arbeits- und Verwaltungsgerichte komme es auf den geltend gemachten Anspruch und den dadurch bestimmten Streitgegenstand an. Dieser richte sich nach den erstrebten Rechtsfolgen und dem Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolgen ergeben.

     

    Um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis handele es sich stets, wenn der Anspruch auf einer dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlage beruhe. Das sei hier nicht der Fall. Der Kläger mache einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG geltend. § 15 AGG sei keine Vorschrift des Beamtenrechts. Die Norm gelte unmittelbar für ArbN und gemäß § 24 Nr. 1 AGG nur entsprechend für Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Norm helfe bei der Abgrenzung der gesetzlichen Rechtswegzuweisungen in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst c) ArbGG und § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz allein nicht weiter.

     

    Zur Abgrenzung müsse darauf abgestellt werden, ob der Bewerber die Einstellung in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis oder die Anstellung als Beamter begehrt habe. Sachlicher Anknüpfungspunkt sei dafür das Stellenbesetzungsverfahren. Dieses gebe hier keine weiteren Aufschlüsse. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lasse sich der Stellenausschreibung nicht entnehmen, dass es ausschließlich um die Besetzung einer Beamtenstelle gehe. Der Begriff „W2-Professur“ gebe das nicht her. Zwar regele die Besoldungsordnung W die Amtsbezüge der Hochschullehrer. „W2“ bedeute im Rahmen der Stellenausschreibung aber nicht, dass ausschließlich eine Beamtenstelle ausgeschrieben war. Mit „W2“ solle nur die Höhe der Bezüge angegeben werden. Die Beklagte selbst stellt auf ihrer Homepage klar, dass auch die Einstellung in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis (Angestelltenverhältnis) erfolgen könne und die Vergütung analog W2 gezahlt werde.

     

    Werde eine Stelle im öffentlichen Dienst offen für ein Beamtenverhältnis und für ein Arbeitsverhältnis ausgeschrieben, sei daher maßgeblich, worauf sich das Klagebegehren beziehe. Entscheidend sei, ob der Bewerbung eine Präferenz für ein bestimmtes Rechtsverhältnis entnommen werden könne:

     

    • Weder das Bewerbungsschreiben des Klägers, noch seine Klage und auch nicht die sofortige Beschwerde hätten eine eindeutige Aussage dazu enthalten, ob er die Ernennung zum Beamten oder die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses anstrebe.
    • Gleichwohl müsse davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger nur um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis gehen konnte, und dass darauf seine Präferenz gelegen habe.

     

    Die Ernennung des Klägers zum Beamten wäre rechtlich nicht zulässig gewesen. Nach § 39a Abs. 1 HochschulG NRW dürfe als Hochschullehrer in ein Beamtenverhältnis nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Schwerbehinderte Menschen wie der Kläger dürften gemäß § 39a Abs. 3 HochschulG NRW auch dann eingestellt oder übernommen werden, wenn sie das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Der Kläger habe im Zeitpunkt seiner Bewerbung schon das 56. Lebensjahr vollendet. Er hätte daher nur ein Arbeitsverhältnis eingehen können. Das sei auch der Beklagten klar gewesen. Sie weise auf ihrer Homepage darauf hin, dass Verbeamtungen nach Vollendung des 50. Lebensjahres in der Regel nicht möglich seien, und dass dann zwingend ein Angestelltenverhältnis erfolgen müsse. Angesichts dessen habe die Präferenz des Klägers bei lebensnaher Betrachtung trotz des offen formulierten Bewerbungsschreibens nur darin gelegen, ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

     

    Damit unterscheide sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fallgestaltungen, in denen sich ein Bewerber, der aufgrund seines Alters nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen werden kann, gleichwohl ‒ etwa aus Unkenntnis des Ernennungshindernisses ‒ ausdrücklich um eine Beamtenstelle bewerbe. In diesen Fällen werde man von einer Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgehen müssen. Die Präferenz des Bewerbers sei ‒ anders als im vorliegenden Fall ‒ eindeutig nicht auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet. Auch der Umstand, nicht zum Beamten ernannt werden zu können, betreffe nur die Erfolgsaussichten der Bewerbung, nicht aber die Frage des zulässigen Rechtswegs.

     

    Relevanz für die Praxis

    Bewerber auf Stellen des öffentlichen Dienstes müssen ihre Entschädigungsansprüche wegen tatsächlicher oder behaupteter Benachteiligung bei der Bewerberauswahl nur vor dem Verwaltungs- und nicht vor den Arbeitsgerichten geltend machen, wenn die ausgeschriebene Stelle eindeutig und ausschließlich in einem (künftigen) Beamtenverhältnis ausgeschrieben ist.

     

    Entscheidend für die Abgrenzung in Zweifelsfällen sind das Stellenbesetzungsverfahren und der Ausschreibungstext. Geben auch diese keinen Aufschluss, zählt der Wille des Bewerbers. Insoweit ist zu fragen, ob dieser sich nach dem Bewerbungstext und seinen sonstigen Personaldaten auf eine Stelle als Beamter oder als Angestellter im öffentlichen Dienst bewerben wollte. ArbG und Bewerber ist zu raten, den entsprechenden Willen in der Ausschreibung bzw. der Bewerbung klar und eindeutig zu äußern, um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden.

     

     

    Weiterführender Hinweis


    • Der lange Weg eines Zeit-ArbN von den Gerichten für Arbeitssachen zum Landgericht: BAG in AA 18, 159
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 7 | ID 45648067