· Fachbeitrag · AGB
Bestimmtheit einer arbeitsvertraglichenVerfallklausel
Eine arbeitsvertragliche Verfallklausel hält der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nur stand, wenn sie verständlich und bestimmt genug ist. Stellt der Text einer sogenannte Verfallklausel in Nr. 2 der Klausel, anders als in Nr. 1, nicht mehr auf die Fälligkeit, sondern auf das Entstehen des Anspruchs ab, erschwert dies das Verständnis. Eine solche Klausel ist nicht bestimmt genug und damit unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, insbesondere wenn auch hinsichtlich des Beginns des Fristlaufs und der Anwendbarkeit bestimmter Tarifverträge Unklarheiten bestehen (BAG 19.2.14, 5 AZR 700/12, Abruf-Nr. 141881). |
Sachverhalt
Der Arbeitsvertrag der ArbN, die bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt war, enthält neben anderen Regeln folgende Bestimmungen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis:
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Darüber hinaus bestimmt der Arbeitsvertrag, dass seinen Bestimmungen bestimmte im Einzelnen aufgeführte Tarifverträge generell vorgehen. Bei einem Einsatz, der ungefähr vier Monate dauerte, erhielt der ArbN weniger Entgelt als die dort im gleichen Bereich eingesetzten ArbN der Stammbelegschaft des Entleihunternehmens. Nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis machte der ArbN die Entgeltdifferenz zwischen dem von ihm gezogenen Entgelt und dem von den Stamm-ArbN des entleihenden Unternehmens bezogenen Entgelts gegenüber dem ArbG schriftlich geltend. Diese Geltendmachung erfolgte über sechs Monate nach der spätesten Fälligkeit der in Streit stehenden Entgeltdifferenzansprüche.
Nachdem der ArbG diese Forderung ablehnte, war die darauf erhobene Zahlungsklage des ArbN vor dem Arbeitsgericht und vor dem LAG Düsseldorf (8 Sa 128/12) erfolglos. Erst die Revision des ArbN zum BAG war erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des 5. Senats des BAG ist der ArbG zur Zahlung der Entgeltdifferenz nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet. Das BAG hält die im Arbeitsvertrag enthaltene sogenannte Verfallklausel nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB für unwirksam. Sie sei nicht bestimmt genug.
Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB könne sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließe das Bestimmtheitsgebot ein. Der Vertragspartner des Klauselverwenders solle ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen können. Er solle nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel müsse im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletze das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthalte (BAG NZA 12, 861). Auch bei einer die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs regelnden Klausel müsse der ArbN bei Vertragsabschluss erkennen können, was auf ihn zukomme. Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen müsse aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen der ArbN zu erwarten habe und was er zu tun habe, um deren Eintritt zu verhindern (BAG NZA 13, 680).
Diesen Anforderungen genüge die Ausschlussfristenregelung in § 9 des Arbeitsvertrags nicht. Der Beginn der ersten Stufe der Ausschlussfrist sei nicht klar und eindeutig geregelt. § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrags wäre zwar - bei isolierter Betrachtung - hinreichend transparent. Der ArbN könnte ersehen, dass „alle beiderseitigen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder seiner Beendigung verfallen“, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden. Jedoch folge die Intransparenz aus dem Kontext mit den weiteren Regelungen des § 9.
Zwar sei die erste Ziffer der Verfallsklausel als erste Stufe der Verfallfrist für sich genommen noch nachvollziehbar. Allerdings sei sie im Kontext mit den übrigen Bestimmungen, insbesondere der Ziffer 2 der Klausel nicht klar genug. Nummer 2 der Klausel erschwere nämlich das Verständnis der Ziffer 1, da in Ziffer 2 nicht mehr auf die Fälligkeit, sondern das „Entstehen des Anspruchs“ abgestellt werde.
Dies lasse für die Frage des Fristbeginns einen nach Auffassung des 5. Senats nicht mehr hinnehmbaren Spielraum. So könne mit der Formulierung „der Fristablauf beginnt“ sowohl der Fristlaufbeginn gemeint sein, aber auch das Fristende.
Dies gelte im Übrigen auch für die Klausel, die pauschal bestimmte Tarifverträge für vorrangig erkläre. Die Verfallklausel und die auf die Geltung bestimmter Tarifverträge bezogene Klausel seien als AGB nicht klar, verständlich und bestimmt genug und damit entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen intransparent und damit unbeachtlich. Die Klausel, die generell auf diverse Tarifverträge verweise, sei bereits deswegen unklar, da eine Aussage, welche Tarifverträge im einzelnen Kollisionsfall Vorrang haben sollen, fehle.
Zur Intransparenz des § 9 des Arbeitsvertrags trage des Weiteren der Abs. 5 bei. Nach diesem sollten die Abs. 1 und 3 nicht gelten, wenn „die anwendbaren Tarifverträge“ eine „für den Mitarbeiter günstigere Regelung über den Ausschluss und Verfall von Ansprüchen“ enthalten. Auf welche Tarifverträge Bezug genommen werde, sei unklar. Bei Vertragsabschluss habe auch im Wege der Auslegung nicht festgestellt werden können, auf welche nach dem Arbeitsvertrag anwendbaren Tarifverträge Bezug genommen werde. Für den ArbN sei deshalb nicht erkennbar, mit welchem der in Betracht kommenden Tarifverträge ein Günstigkeitsvergleich anzustellen sei.
Die Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags mit der die Geltung der vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) mit der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart werden sollte, sei mangels Kollisionsregel intransparent. Dies schlage auf die Regelung der Ausschlussfristen in § 9 des Arbeitsvertrags durch.
Zur Intransparenz der Ausschlussfristenregelung führe auch die Regelung über den generellen Vorrang tarifvertraglicher Bestimmungen vor denjenigen des Arbeitsvertrags. Auch aufgrund dieser Regelung sei es für den ArbN bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht vorhersehbar gewesen, welche tariflichen Bestimmungen und damit auch Ausschlussfristen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden würden. Die Zusatzvereinbarung stelle als Voraussetzung für die Geltung der „zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) und der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträge“ auf eine rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit der in § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags genannten „Tarifverträge AMP/CGZP“ ab, ohne zu kennzeichnen, in welchem Prozessrechtsverhältnis diese Bedingung eintreten könnte.
Praxishinweis
Zwar gilt generell für Leiharbeitnehmer der sogenannte „equal pay“-Grundsatz. Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmer gleiche Entgeltansprüche wie die ArbN der Stammbelegschaft haben. Dies können sie nach § 10 Abs. 4 AÜG auch gegenüber ihrem ArbG, nämlich dem Verleih-Unternehmen, durchsetzen. Der Verleiher kann allerdings durch Bezugnahme auf bestimmte Tarifverträge von diesem Grundsatz abweichen bzw. wirksam durch Verfallklausel im Arbeitsvertrag Nachforderungen nach einer bestimmten Zeit, die mindestens drei Monate währen muss, ausschließen.
Sogenannte „Verfallklauseln“ sind hingegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterworfen, sie müssen also klar, verständlich und bestimmt genug sein, und dürfen den ArbN nicht unangemessen benachteiligen. Dabei werden die Klauseln, anders als beim sogenannten „Blue-pencil“-Test nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil des Gesamtvertrags gesehen, sodass sie auch im Kontext mit anderen Klauseln bzw. anderen Bestimmungen der selben Klausel insgesamt klar, bestimmt genug und verständlich sein müssen.
Weiterführender Hinweis
- Unwirksame Klauseln bei Sonderzahlung (auch) mit Entgeltcharakter: BAG in AA 14, 75