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  • · Fachbeitrag · AGB

    Unwirksame Klauseln bei Sonderzahlung (auch) mit Entgeltcharakter

    Eine in einer Arbeitsvertragsklausel zugesagte Jahressonderzahlung, die (auch) Entgeltcharakter hat, darf nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des Bezugsjahres abhängig gemacht werden. Eine solche Sonderzahlung stellt (auch) eine Gegenleistung für die geleistete Tätigkeit dar, sodass eine Stichtagsregelung den ArbN unangemessen nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB benachteiligt. Anderes kann für Prämien, die an bestimmte Arbeits- oder Unternehmenserfolge geknüpft werden, gelten (BAG 13.11.13, 10 AZR 848/12, Abruf- Nr. 133612).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN ist seit 2005 als Controller bei einem Verlagsunternehmen tätig. Im Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

     

    • „Die Zahlung von Gratifikationen und sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen des Verlags und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte. Etwas anderes gilt nur, wenn die Zahlung durch gültigen Tarifvertrag geregelt ist.“

     

    Auf das Arbeitsverhältnis findet der MTV für den Groß- und Außenhandel Hessen Anwendung. Dieser bestimmt in § 14 (Sonderzahlung) u.a., dass ein Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung bei grobtreuwidrigem Verhalten oder Vertragsbruch des ArbN entfällt und ArbN, die vor dem 1.12. des Jahres wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder Erreichen der Altersgrenze ausscheiden, eine anteilige Leistung erhalten. Seit 2007 erhält der ArbN zusätzlich eine als „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnete Zahlung in Höhe eines Bruttogehalts mit dem Novemberentgelt. Über diese Zahlung gibt es ein Schreiben des ArbG vom 30.9.10, in dem es u.a. heißt:

     

    • „Als Dank für Ihren bisherigen Einsatz und zugleich ein Stück Motivation für eine weiterhin loyale und wirkungsvolle Zusammenarbeit zahlen wir Ihnen eine Weihnachtsgratifikation aus, deren Höhe im Vergleich zum letzten Jahr unverändert bleibt. Diese Gratifikation wird nach folgenden Richtlinien ermittelt:
    • 1. Die Zahlung erfolgt an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.10 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.
    • 2. ....
    • 3. Verlagsangehörige, die nach dem 1.1.10 eingetreten sind oder eine bezahlte Arbeitsbefreiung aufweisen, erhalten für jeden Kalendermonat des bestehenden Arbeitsverhältnisses bzw. bezahlter Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts.
    • 4. Tariflich zu zahlende Jahresleistungen werden auf diese Zahlungen angerechnet. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Zahlung der Weihnachtsgratifikation eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung des Verlags ist. Auf diese besteht für die Zukunft auch durch wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch.“
    •  

    Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete durch Eigenkündigung des ArbN zum 30.9.10. Der ArbN verlangt für das Jahr 2010 im Rahmen einer gegen den ArbG erhobenen Zahlungsklage 9/12 eines Bruttomonatsgehalts als Sonderzahlung für 2010. Die Stichtagsregelung der Zusage vom 30.9.10 sei unwirksam.

     

    Das Arbeitsgericht und das LAG Hessen (7 Sa 1232/11) haben die Zahlungsklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des ArbN war erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 10. Senat des BAG stellt zunächst klar, dass in dem Schreiben des ArbG vom 30.9.10 eine Gesamtzusage zu sehen ist. Der ArbG habe einseitig bekannt gegeben, dass jedem ArbN, der die von ihm vorgelegten Voraussetzungen erfülle, die Weihnachtsgratifikation als Sonderzahlung gewährt wird.

     

    Die Richtlinien für die Ermittlung der Sonderzahlung seien allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Sonderzahlung werde einerseits als Gegenleistung für erbrachte Arbeit, andererseits als Anreiz zur weiteren Betriebstreue erbracht. Dies zeige sich in der Formulierung „Dank für..... persönlichen Einsatz“. Die Zahlung werde auch nicht allein an das bloße Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugsjahr geknüpft.

     

    Zwar benenne die Stichtagsklausel den 31.12. als letzten Tag des Jahres als entscheidenden Tag. Damit liege der Stichtag allerdings nur scheinbar innerhalb des Jahres, in dem die mit der Sonderzahlung abgegoltene Arbeitsleistung erbracht worden sei. Dies wäre dadurch bewirkt, dass nach der Klausel das Arbeitsverhältnis am 31.12. „ungekündigt“ bestehen müsse, daher eine Kündigung frühestens am 1.1. des Folgejahres durch den ArbN möglich sei. Dies könne den ArbN - je nach Dauer der Kündigungsfrist - zum Verbleib bis in das Folgejahr zwingen.

     

    Mit diesem Inhalt sei die Stichtagsregelung unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB für den ArbN, sodass die Richtlinien des ArbG ohne die Stichtagsklausel nach § 306 Abs. 1 BGB weiter gelten. Insofern stellt der 10. Senat klar, dass eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung darstelle, in AGB nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugsjahres geltend gemacht werden dürfe.

     

    Die Klausel sei auch nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, dass die Entstehung den Bestand des Arbeitsverhältnisses, ob gekündigt oder ungekündigt, zumindest zum 31.12. voraussetze, da die Klausel nicht teilbar sei. Die fragliche Klausel verfolge mit dem Zusammenspiel von Bestand und besonderer Qualität (ungekündigt) des Arbeitsverhältnisses ein Bündel von Betriebstreue und Motivation des ArbN, das sich nicht sinnvoll aufspalten lasse.

     

    Die Anspruchsvoraussetzungen hingen so eng zusammen, dass es auf eine nach § 306 BGB unzulässige Neubestimmung des Vertragsinhalts herauslaufen würde, wenn aus den Richtlinien in Ziffer 1 das Wort „ungekündigt“ im Rahmen der sogenannten „Blue-Pencil-Regelung“ herausgestrichen würde.

     

    Weitergehend stellt das BAG klar, dass eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstelle, regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des Bezugsjahres abhängig gemacht werden dürfe. Eine solche Klausel benachteilige den ArbN regelmäßig unangemessen und sei deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unzulässig.

     

    Diese Klausel stehe nämlich im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, in dem dem ArbN bereits erarbeiteter Lohn entzogen werde. Ein berechtigtes Interesse des ArbG hieran sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus erschwere ein Stichtag innerhalb des Bezugsjahres die Ausübung des Kündigungsrechts durch den ArbN. Hierdurch erleide er einen ungerechtfertigten Nachteil. Der Wert der Arbeitsleistung, der mit der Sonderzahlung zumindest mit honoriert werden solle, hänge regelmäßig nicht von der reinen Verweildauer des ArbN im Arbeitsverhältnis ab.

     

    Dieses Ergebnis werde auch dadurch nicht in Frage gestellt, dass § 14 des einschlägigen MTV die dort geregelten Ansprüche auf Sonderzahlung einem Stichtag, nämlich den 1.12. des Bezugsjahres, unterwerfe. Die Tarifvertragsparteien überschritten den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum durch solche Regelungen nicht, dieser sei gegenüber den einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten des ArbG in AGB erweitert.

     

    Auch der arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt in dem Arbeitsvertrag zwischen den Parteien aus dem Jahr 2005 sei unwirksam und schließe damit den Anspruch des ArbN nicht aus. Der genannte Freiwilligkeitsvorbehalt beziehe sich nämlich nicht nur auf Gratifikationen, sondern auf alle Leistungen, die nicht im Arbeitsvertrag oder im „gültigen Tarifvertrag“ geregelt seien. Freies Ermessen bedeute dabei, dass der ArbG lediglich die allgemeinen Schranken der Rechtsausübung wahren müsse. Mit diesem Inhalt halte die Vertragsklausel einer Überprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht stand und sei daher unwirksam. Der Vorbehalt beziehe nämlich unzulässigerweise laufende Leistungen ein. Damit verstoße er sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten seien.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil des 10. Senats macht deutlich, dass Freiwilligkeitsvorbehalte, auch wenn sie klar formuliert sind, was die Freiwilligkeit als solche angeht, sich auf konkrete, bestimmbare Leistungen beschränken müssen. Ansonsten sind sie nach Auffassung des BAG unwirksam. Eine unzulässige, weil den ArbN unangemessen benachteiligende Stichtagsklausel rettet das BAG im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung (BAG 6.5.09, 10 AZR 443/08) nicht mehr, indem es sie für teilbar erklärt. Die Teilbarkeit durch Streichung des unwirksamen Teils stellt der Senat unter erhöhte Anforderungen. Der ArbG sollte sich daher entscheiden, ob eine Sonderzahlung reinen Entgeltcharakter haben soll. Dann ist eine Stichtagsregelung unwirksam. Soll lediglich die Betriebstreue belohnt werden, wäre zumindest der Bestand am 31.12. des Bezugsjahres im Rahmen einer Stichtagsregelung zulässig. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt muss klar und eindeutig bezüglich der Leistungen, die er umfassen soll, formuliert sein.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 75 | ID 42643887