· Fachbeitrag · Arbeitnehmerbegriff
ArbN oder nicht: Vorsicht vor zu schnellerAblehnung der Auskunft nach dem EntgTranspG
| Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen. Damit können sich auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte auf das EntgTranspG berufen. |
Sachverhalt
Die Klägerin ist für den ArbG ‒ eine Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts ‒ seit 2007 als Redakteurin tätig. Zunächst kam sie als Online-Redakteurin auf Basis befristeter Verträge zum Einsatz. Seit Juli 2011 befindet sie sich in einem unbefristeten Vertragsverhältnis. Danach ist sie „bis auf Weiteres“ als freie Mitarbeiterin gemäß einem beim ArbG geltenden Tarifvertrag beschäftigt und übt eine Tätigkeit als „Redakteurin mit besonderer Verantwortung“ aus.
Aufgrund einer rechtskräftigen LAG-Entscheidung steht fest, dass sie nicht ArbN im Sinne des innerstaatlichen Rechts ist. Mit Schreiben vom 1.8.18 begehrte die Klägerin vom Personalrat Auskunft nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG. Dieser antwortete nach Rücksprache mit der Personalabteilung des ArbG, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin nicht unter das EntgTranspG falle. Sie habe deshalb keinen Auskunftsanspruch.
Das LAG Berlin-Brandenburg (5.2.19, 16 Sa 983/18, Abruf-Nr. 206965, siehe auch AA 19, 38) wie auch das Arbeitsgericht Berlin (1.2.17, 56 Ca 5356/15, Abruf-Nr. 191974, siehe auch AA 17, 37) wiesen die Klage auf Erteilung von Auskunft über 1. die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und 2. über das Vergleichsentgelt ab. Begründung: Die Klägerin sei nicht Arbeitnehmerin im Sinne des innerstaatlichen Rechts und als arbeitnehmerähnliche Person nicht Beschäftigte im Sinne des § 5 Abs. 2 EntgTranspG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin vor dem 8. Senat des BAG (25.6.20, 8 AZR 145/19, Abruf-Nr. 216917) war erfolgreich. Sie könne nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen, da sie als freie Mitarbeiterin „Arbeitnehmerin“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG und damit Beschäftigte im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 EntgTranspG sei.
Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG seien unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen. Anderenfalls würde es an einer Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher ArbN bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit im deutschen Recht fehlen. Eine ‒ zwingend erforderliche ‒ ausreichende Umsetzung sei bislang weder im AGG noch ansonsten erfolgt. Erst das EntgTranspG enthalte Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet seien.
Ob die Klägerin gegen den ArbG auch einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt habe, konnte der Senat nicht entscheiden. Insoweit hat der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Relevanz für die Praxis
Zur Klarstellung: Nach § 10 Abs. 1 S. 1 EntgTranspG haben „Beschäftigte“ zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 EntgTranspG. Nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG sind unter anderem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes. Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sind nicht eng im Sinne des Arbeitnehmerbegriffs des innerstaatlichen Rechts, sondern unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen. Danach können im Einzelfall auch arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des innerstaatlichen Rechts Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein.
Eine Klage wegen ungleicher Bezahlung zwischen Männern und Frauen nach Auskunft kann sich durchaus lohnen. Bereits im Jahr 2015 klagte eine ArbN gegen ihren ArbG auf Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und bekam recht. Das LAG Rheinland-Pfalz (13.5.15, 5 Sa 436/13, Abruf-Nr. 177960) sprach ihr neben den knapp 9.230 EUR brutto plus Zinsen 6.000 EUR Entschädigung zu.
Checkliste / Prozedere in Betrieben mit mehr als 200 ArbN |
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