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  • 07.07.2015 · IWW-Abrufnummer 177960

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 13.05.2015 – 5 Sa 436/13

    1. Machen Arbeitnehmerinnen wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung Vergütungsdifferenzen zum Lohn, der den Männern gezahlt worden ist, geltend, handelt es sich um Erfüllungsansprüche, die nicht der Frist des § 15 Abs. 4 AGG unterliegen.

    2. Vergütet ein Arbeitgeber Frauen bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer als Männer, steht den Frauen ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu.

    3. Vorliegend ist für die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau ein einheitlicher Entschädigungsbetrag von EUR 6.000, angemessen (im Anschluss an 5 Sa 509/13 u.a.).


    Tenor:
    1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27. August 2013, Az. 9 Ca 373/13, unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziff. I.2 und Ziff. I.3 abgeändert und


    insoweit wie folgt neu gefasst:


    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 zu zahlen.


    Die Auskunftsklage wird abgewiesen.


    2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 24 % und die Beklagte 76 % zu tragen.


    3. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Zahlung von Differenzlohn für die Jahre von 2009 bis 2012, einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie um Auskunftsansprüche.



    Die Beklagte stellt Schuhe her. Die 1964 geborene Klägerin ist bei ihr seit 04.10.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Die Vergütungsdifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 betrug - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - € 9.229,90 brutto.



    Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob sie bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.



    Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2012 machte die Klägerin Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.



    Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013 Bezug genommen.



    Die Klägerin hat - soweit für die Berufung von Bedeutung - erstinstanzlich beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, 1. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG rückständigen Lohn iHv. € 11.458,84 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen, 2. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen soll, zu zahlen, 3. ... 4. ihr umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand, ...



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 27.08.2013 - soweit für die Berufung von Bedeutung - der Klage teilweise stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte in Ziff. I.1 des Tenors verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 Differenzvergütung iHv. € 9.229,90 brutto zu zahlen. Außerdem hat es der Klägerin in Ziff. I.2. eine Entschädigung iHv. € 4.917,97 zugesprochen und in Ziff. I.3 der Auskunftsklage (Antrag zu 4) stattgegeben.



    Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe gem. § 15 Abs. 1 AGG einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Lohndifferenzen für 2009 bis 2012. Die Beklagte habe die Klägerin unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, weil sie den weiblichen Produktionsbeschäftigten bis zum Jahresende 2012 bei gleicher Tätigkeit einen niedrigeren Lohn gezahlt habe als den männlichen. Die Klägerin habe die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, denn sie habe erst in der Betriebsversammlung im September 2012 von der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts Kenntnis erlangt. Die Beklagte habe eine frühere Kenntniserlangung nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin habe Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil sie von der Beklagten wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Für die erlittene jahrelange Diskriminierung sei eine Entschädigung iHv. drei durchschnittlichen Monatslöhnen angemessen, aber auch ausreichend. Der Auskunftsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts für die Zeit vor dem 01.01.2009 sei begründet, denn sie sei in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang ihres Rechts im Ungewissen. Die Klägerin habe keine Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Lohndaten der vergleichbar beschäftigten Männer, während die Beklagte in der Lage sei, die begehrte Auskunft unschwer zu erteilen. Der Auskunftsanspruch sei nicht verjährt, denn er sei erst im September 2012 mit Kenntnis der Klägerin von ihrer Lohndiskriminierung entstanden. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 27.08.2013 Bezug genommen. Gegen das im September 2013 zugestellte Urteil haben beide Parteien teilweise Berufung eingelegt.



    Mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilte die Beklagte der Klägerin die Auskunft, dass sie auch vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Stundenlohns und der übrigen Vergütungsbestandteile (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) weibliche Produktionsbeschäftigte geringer entlohnt habe als männliche. Der Stundenlohn eines typischen männlichen Produktionsmitarbeiters habe im Jahr 1995 € 7,76, ab 01.01.2002 € 9,56 und ab 01.01.2004 € 9,66 brutto betragen. Die Klägerin hat zwischenzeitlich vor dem Arbeitsgericht Koblenz eine neue Zahlungsklage gegen die Beklagte erhoben und Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 geltend gemacht.



    Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und einer Entschädigung seien unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Ihr sei bereits seit ihrer Einstellung und während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede seien in ihrem Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Klägerin stehe auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Der Antrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Er sei jedenfalls unbegründet, weil Zahlungsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2009 verjährt seien.



    Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

    I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 373/13, wie folgt teilweise abzuändern: Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, 1. € 9.229,90 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.12.2012 zu zahlen, 2. eine Entschädigung iHv. € 4.917,97 zu zahlen, 3. der Klägerin umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.09.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand; die Klage ebenfalls abzuweisen, II. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.



    Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

    I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 373/13, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von € 7.452,36 nicht unterschreiten soll, II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



    Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen. Das Arbeitsgericht habe drei durchschnittliche Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet, der Berechnung der Entschädigung jedoch nur den Grundlohn zugrunde gelegt. Sie halte eine Entschädigung von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten.



    Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 iHv. € 9.229,90 brutto nebst Zinsen. Darüber hinaus kann sie von der Beklagten eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 wegen Geschlechtsdiskriminierung beanspruchen. Die Auskunftsklage ist unzulässig.



    1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und der Vergütung hat, die die Beklagte in diesem Zeitraum an die männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - auf den vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1 des Tenors) ausgeurteilten Betrag von € 9.229,90 brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.11.2012 seit dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.



    a) Die Beklagte hat den weiblichen Produktionsbeschäftigten im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen. Die niedrigere Entlohnung beruhte - unstreitig - allein auf dem Geschlecht und stellte daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.



    Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1. des Tenors) ausgeurteilten Differenzbeträge. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (vgl. BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 39). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (vgl. BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN, AP AGG § 2 Nr. 1). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.



    b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden.



    aa) Die Klägerin macht keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 3 Nr. 3) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (vgl. BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23, AP BetrAVG § 16 Nr. 72; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159 [BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08] ; MüKoBGB/ Thüsing 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; BeckOK ArbR/Roloff Stand 01.06.2014 AGG § 15 Rn. 12).



    bb) Selbst wenn man - im Sinne der Beklagten - in der Vergütungsdifferenz einen nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Schaden sehen wollte, auf den § 15 Abs. 4 AGG Anwendung fände, hätte die Ausschlussfrist erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen begonnen. Die Frist wäre mit dem Schreiben vom 09.11.2012 gewahrt worden.



    Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, der fortlaufend bis einschließlich Dezember 2012 anhielt, weil sich Monat für Monat eine neue Benachteiligung der Frauen realisiert hat. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 60 mwN, AP AGG § 3 AGG Nr. 2).



    c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten Ansprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst im Januar 2013 erhoben. Die Beklagte hat jedoch unstreitig am 18.12.2012 wirksam auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren, verzichtet. Für Ansprüche aus 2009 wäre die regelmäßige Verjährungsfrist frühestens am 31.12.2012 abgelaufen. Im Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob der Klägerin ihre geschlechtsspezifische Diskriminierung beim Entgelt schon seit vielen Jahren iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB positiv bekannt bzw. grob fahrlässig nicht bekannt war, wie die Beklagte behauptet.



    2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf € 6.000,00 zu erhöhen.



    a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar beim Entgelt benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen. Die geringere Vergütung der Klägerin und einer Vielzahl weiterer weiblicher Produktionsbeschäftigten für gleiche oder gleichwertige Arbeit bis zum 31.12.2012 war nicht gerechtfertigt. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.



    b) § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insb. eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44 mwN, [...]).



    Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 jahrelang bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer der vorliegenden Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrags, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (vgl. BAG 18.3.2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 43, NZA 2010, 1129 [BAG 18.03.2010 - 8 AZR 1044/08] ). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern in ihrem Produktionsbetrieb nicht verdeckt erfolgt, sondern jederzeit "offen kommuniziert" worden sei. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt, die die Beklagte bis 31.12.2012 fortgesetzt hat, war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Betrieb offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.



    Die Höhe des Bruttomonatsentgelts der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt kann ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG) sein. Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (vgl. BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 84, AP AGG § 15 Nr. 1).



    Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. BAG 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 38 mwN, NZA 2014, 372 [BAG 19.12.2013 - 6 AZR 190/12] ; KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen, ua. wegen der Arbeitszeiten, für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Deshalb hält die Berufungskammer die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrags von € 6.000,00 für angemessen.



    c) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 09.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist begann - wie oben ausgeführt - erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen, weil ein sog. Dauertatbestand vorlag, der bis einschließlich Dezember 2012 anhielt.



    d) Die Klägerin hat auch die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt, weil sie ihre Klage auf Zahlung einer Entschädigung am 29.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.



    3. Die Klage auf Auskunft, ob und inwieweit die Klägerin bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig. Der Klägerin fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den prozessual selbständigen Auskunftsanspruch, weil sie inzwischen Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern, obwohl sie die Auskunft der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2013 nicht für ausreichend erachtet. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, NJW 2011, 1815 [BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10] ).



    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.



    Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

    Vorschriften§ 69 Abs. 2 ArbGG, § 15 Abs. 1 AGG, § 15 Abs. 4 AGG, § 15 Abs. 2 AGG, §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 AGG, § 612 Abs. 3 BGB, BGB § 611, AGG § 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 AGG, AGG § 3 Nr. 3, BetrAVG § 16 Nr. 72, § 3 AGG, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, § 1 AGG, § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG, § 10 KSchG, AGG § 15 Nr. 1, § 61b Abs. 1 ArbGG, §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG