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  • · Fachbeitrag · Betriebsübergang

    Verweisungsklausel verliert nicht an Dynamik

    von Dr. Guido Mareck, stellv. Dir. Arbeitsgericht Dortmund

    | Eine zwischen dem Betriebsveräußerer und dem ArbN einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, verliert ihre Dynamik im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber nicht allein aufgrund des Betriebsübergangs. |

     

    Sachverhalt

    Die ArbN ist seit 1986 als Stationshilfe in einem Krankenhaus beschäftigt. Im Arbeitsvertrag wird auf den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31.1.62 (BMT-G II) verwiesen und die Geltung der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) war. 1995 wurde das Krankenhaus privatisiert und dann von einer GmbH betrieben, die ebenfalls tarifgebunden war.

     

    Ende 1997 ging der Betriebsteil, in dem die ArbN beschäftigt war, auf die K. FM GmbH i.G. über, die nicht Mitglied im KAV war. Bei der Ausgliederung vereinbarte sie auf Basis eines mit der Veräußererin und ihrem Betriebsrat geschlossenen Personalüberleitungsvertrags mit der ArbN, dass „der BMT-G II in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge“ für das Arbeitsverhältnis der ArbN „weiterhin“ angewendet wird. In den folgenden sechs Jahren wurde der BMT-G II wie zuvor dynamisch angewandt. Zum 1.7.08 ging das Arbeitsverhältnis der ArbN auf die ArbG über, die es weiterhin nach BMT-G II vom 31.12.03 durchführte.

     

    Mit ihrer Klage möchte die ArbN erreichen, dass auf ihr Arbeitsverhältnis weiterhin TVöD-VKA und TVÜ-VKA angewendet wird. Sie meint, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Revision der ArbG vor dem 4. Senat des BAG (30.8.17, 4 AZR 95/14, Abruf-Nr. 196567) war erfolglos. Die für die Betriebsveräußererin und die ArbN verbindliche dynamische Bezugnahmeklausel wirke auch im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien weiterhin dynamisch. Ein Betriebserwerber könne nach nationalem Recht Änderungen sowohl einvernehmlich im Wege des Änderungsvertrags als auch einseitig im Wege der Änderungskündigung (§ 2 KSchG) vornehmen ‒ etwa erforderliche Anpassungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen.

     

    Unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung zum Zwecke der „Entdynamisierung“ einer Bezugnahmeklausel im Einzelfall sozial gerechtfertigt sei, bedürfe im Streitfall keiner Entscheidung. Die ArbG habe keine Änderungskündigung erklärt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der 4. Senat des BAG ersuchte (17.6.15, 4 AZR 95/14 (A), Abruf-Nr. 183233) den EuGH um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit dem Unionsrecht. Der EuGH (27.4.17, C-680/15 und C-681/15 [Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt]) entschied, dass die RL 2001/23/EG in Verbindung mit Art. 16 GRC der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem ArbN und dem Betriebserwerber nicht entgegenstehe, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsehe.

     

    Dies bedeutet, dass eine arbeitsvertragliche Klausel, die auf ein bestimmtes Tarifgewerk verweist und im Verhältnis zwischen ursprünglichem ArbG (Betriebsveräußerer) und ArbN als „große dynamische“ Verweisung und nicht nur als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, ihre Dynamik durch einen Betriebsübergang nach § 613a BGB nicht verliert. Der neue ArbG (Betriebserwerber) bleibt daher an die Geltung des in Bezug genommenen Tarifgewerks als Ganzes in der jeweils aktuellen Fassung (zunächst) gebunden.

     

    Nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB gilt in solchen Fällen für den nicht einem (anderen) Tarifvertrag normativ unterfallenden Betriebserwerber eine Veränderungssperre von einem Jahr. Innerhalb dieser Frist wird durch die Sperre sowohl eine Änderungskündigung, als auch eine (verschlechternde) einvernehmliche Abänderung der Vertragsbedingungen kraft Gesetzes ausgeschlossen.

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2017 | Seite 170 | ID 44894071