· Fachbeitrag · Fortbildungsklauseln
Vorsicht vor intransparenten Rückzahlungsklauseln im Fortbildungsvertrag
(BAG 21.8.12, 3 AZR 698/10, Abruf-Nr. 131280) |
Sachverhalt
Der ArbG betreibt ein Ingenieurbüro, in dem u.a. Fahrzeugprüfungen durchgeführt werden. Darüber hinaus bildet der ArbG Ingenieure als Kfz-Prüfingenieure aus. Der ArbN ist Diplom-Ingenieur. Am 15.1.08 schloss er mit dem ArbG eine „Fortbildungsvereinbarung“, in der es u.a. heißt:
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Kommt es durch Umstände zum Abbruch der Ausbildung, die der Lehrgangsteilnehmer zu vertreten hat, oder besteht der Lehrgangsteilnehmer die erforderliche Abschlussprüfung endgültig nicht, so haftet dieser gegenüber dem Ingenieurbüro mit den Kosten der Ausbildung. In diesem Fall beziffert das Ingenieurbüro die angefallenen Ausbildungskosten entsprechend der erfolgten Leistungen und ggf. nach billigem Ermessen. Hierzu gehören in jedem Fall die Lehrgangskosten bei der amtlich anerkannten Überwachungsorganisation, die Fahrzeugkosten, die Übernachtungskosten sowie die Kosten im Zusammenhang mit der praktischen Ausbildung, soweit diese nicht durch Förderungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit übernommen worden sind ... |
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Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrags unwirksam sein oder werden, oder dieser Vertrag Lücken enthalten, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. |
Nachdem der ArbN seine Ausbildung zum Kfz-Prüfingenieur am 21.1.08 begann, erschien er am 9.6.08 im Büro des ArbG und ließ dort sämtliche Arbeitsmaterialien und Unterlagen zurück. In der Folgezeit meldete er sich nicht mehr beim ArbG. Die Ausbildung zum Kfz-Prüfingenieur setzte er anderweitig fort und schloss sie erfolgreich ab.
Bis zum 9.6.08 hatte der ArbN im Rahmen seiner Tätigkeit beim ArbG an insgesamt 10 Lehrgangseinheiten teilgenommen. In diesem Zusammenhang entstanden Kosten für 57 Übernachtungen und Verpflegungskosten für 63 Tage. Der ArbN führte die Fahrten zur theoretischen Ausbildung von seinem Wohnort in einem vom ArbG gestellten Firmen-Kfz durch. Die praktische Ausbildung des ArbN im Betrieb des ArbG im oben genannten Zeitraum umfasste 26 Tage im Rahmen der Fortbildung.
Der ArbG fordert vom ArbN Rückzahlung von Fortbildungskosten und Auslagen in Höhe von insgesamt 7.177 EUR. Die hierauf gerichtete Klage wurde sowohl vom Arbeitsgericht, als auch vom LAG Hamm (7 Sa 633/10) abgewiesen. Die Revision des ArbG blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Der 3. Senat des BAG entschied im Einklang mit den Vorinstanzen, dass die Rückzahlungsklausel in § 10 der Fortbildungsvereinbarung zwischen ArbN und ArbG nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB unwirksam ist, da der ArbN unangemessen benachteiligt wird. Rechtsfolge sei der ersatzlose Wegfall der Klausel, die auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung mit einem (gerade noch) zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten sei.
Die vom ArbG gestellte Klausel sei nicht hinreichend klar und verständlich. Insbesondere lasse sie nicht erkennen, welche finanziellen Belastungen in welcher Größenordnung auf den ArbN im Zusammenhang mit den zurückzuzahlenden Fortbildungskosten zukommen könnten.
Dazu führte das BAG aus, dass eine AGB-Klausel das Bestimmtheitsgebot nach § 307 Abs. 1 BGB verletzte, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthalte und Spielräume eröffne. Dies bedeute, dass Voraussetzungen und Umfang der Leistungspflicht so bestimmt oder zumindest bestimmbar sein müssten, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen könne, was ggf. „auf ihn zukommt“. Dabei dürfe das Transparenzgebot zulasten des Verwenders zwar nicht überdehnt werden. Dem Gebot sei allerdings nur genügt, wenn bei Klauseln, die die Erstattung von Fortbildungskosten vorsehen, die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angegeben seien.
Hierbei sei der Verwender der Klausel nicht verpflichtet, die Kosten der Ausbildung bereits exakt der Höhe nach zu beziffern. Die Angaben müssten jedoch so beschaffen sein, dass der ArbN, der die Ausbildung beginne, das Rückzahlungsrisiko abschätzen könne. Zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der zu erstattenden Kosten seien anzugeben. Dies bedeute, dass z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, sowie die Kilometerpauschale für Fahrtkosten, die Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten so konkret wie möglich in der Vereinbarung selbst anzugeben seien.
Diesen Anforderungen genüge § 10 der Fortbildungsvereinbarung erkennbar nicht. So lasse bereits die Bezeichnung „Kosten im Zusammenhang mit der praktischen Ausbildung“ offen, welche Kosten dies im Einzelnen sein sollten. Die vom ArbG im Rahmen des Rückzahlungsanspruchs geltend gemachten Verpflegungskosten seien überhaupt nicht aufgeführt, obwohl sie erkennbar als Tagungspauschale verlangt würden. Die Übernachtungskosten seien zwar genannt, es sei jedoch nicht angegeben, in welcher Höhe diese Kosten in etwa pro Tag anfielen. Auch bei den „Fahrtkosten“ hätte die nunmehr vom ArbG geforderte Pauschale in 0,30 EUR/km ohne Weiteres beziffert angegeben werden können.
Für eine ergänzende Vertragsauslegung bleibe kein Raum, da eine zu vervollständigende Lücke durch die Unwirksamkeit der Vertragsklausel nicht entstanden sei. Ansonsten würden die gesetzlichen Wertungen des § 307 BGB unterlaufen. Insbesondere habe ein ArbG kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung einer Klausel mit dem gerade noch zulässigen Inhalt. Er als Klauselverwender habe es in der Hand, eine transparente Klausel zu verwenden.
Nach den weiteren Ausführungen des 3. Senats des BAG kann der ArbG seinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten auch nicht auf bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen nach § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 2 BGB stützen. Ein Wegfall des rechtlichen Grundes sei nicht gegeben, da die Fortbildungsvereinbarung zwischen den Parteien, mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel, wirksam bleibe. Damit bilde sie einen Rechtsgrund für die Fortbildungskosten des ArbG. Allein die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel lasse den Rechtsgrund für die Kostentragung des ArbG nicht entfallen.
Eine Rückzahlung wegen Zweckverfehlung der aufgewandten Fortbildungskosten bestehe nicht. Diese sei ausgeschlossen, wenn der bezweckte Erfolg Inhalt einer vertraglichen Bindung gewesen sei. Zweck der Fortbildungsvereinbarung sei es gewesen, den ArbN durch die Fortbildung für die spätere Tätigkeit beim ArbG zu befähigen. Genau dieser Zweck sei Gegenstand der vertraglichen Bindung, nämlich der Fortbildungsvereinbarung, zwischen den Parteien gewesen. Es sei auch unbillig, über den Bereicherungsausgleich das nach §§ 305 ff. BGB missbilligte Ziel aufseiten des ArbG doch zu erreichen. Die Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen verfolgten gerade das Ziel, die beim Klauselverwender eintretenden Rechtsverluste und die Vermögensverschiebungen bestehen zu lassen. Nur bei unzumutbarer Härte im Sinne des § 306 Abs. 3 BGB komme ein Bereicherungsausgleich in Betracht.
Praxishinweis
Der Vertreter des ArbG wird bei der Formulierung von Vereinbarungen, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten zum Inhalt haben, zum einen auf die Bindungsfristen, zum anderen auf eine möglichst genaue Bestimmung bzw. Bestimmbarkeit der im Höchstfall auf den ArbN zukommenden Fortbildungskosten insgesamt achten müssen. Formelartige, pauschale Beschreibungen wie „Lehrgangskosten“, „Fahrzeugkosten“ bzw. „Übernachtungskosten“ sind nicht ausreichend. Diese Kosten müssen nach Höchstsätzen und zeitlichem Umfang aufgeschlüsselt werden. Pauschalen sind konkret zu benennen.
Weiterführende Hinweise
- Inhaltskontrolle der Pauschalabgeltung von Überstunden: BAG in AA 12, 188
- Dienstwagen-Rückgabeklausel bei Freistellung zulässig: BAG in AA 12, 163