· Fachbeitrag · Scheinselbstständigkeit
Werkvertrag und Strafbarkeitsrisiko
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Krause & Kollegen, Berlin
Krankentransportfahrer, die über keine eigene Betriebsstätte verfügen, in den Betriebsablauf einer GmbH eingebunden sind, von dieser gestellte Fahrzeuge und Kleidung nutzen, keinem unternehmerischen Risiko ausgesetzt sind, die Abrechnungen von der GmbH erstellen lassen und nur zu von der GmbH vorgegebenen Zeiten tätig werden können, sind abhängig Beschäftigte. Einflussnahmemöglichkeiten auf die Erstellung der Dienstpläne und die Entscheidung darüber, die Tätigkeit durchzuführen, stellen demgegenüber keine so wesentlichen Faktoren dar, dass die Fahrer als selbstständige Unternehmer zu qualifizieren sind (OLG Celle 3.7.13, 1 Ws 123/13, Abruf-Nr. 133178). |
Sachverhalt
Die Angeschuldigten sollen als Geschäftsführer einer GmbH die als Rettungswagenfahrer beschäftigten Personen im Bereich des Mobilen Krankentransportdienstes fehlerhaft erfasst haben. Die Fahrer sollen als sogenannte Honorarkräfte behandelt worden sein, obwohl es sich bei diesen Personen nach Ansicht der StA um abhängig beschäftigte ArbN gehandelt hat. Die StA wirft ihnen deshalb vor, als ArbG der Einzugsstelle Beiträge der ArbN zur Sozialversicherung vorenthalten zu haben und tateinheitlich als ArbG die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB). Ferner wird der Vorwurf der Lohnsteuerhinterziehung erhoben (§ 370 Abs. 1 AO). Durch die angeklagten Beträge steht jeweils ein besonders schwerer Fall im Raum.
Entscheidungsgründe
Das LG Hannover hat formale Bedenken gegen die Anklage formuliert, aber auch in der Sache selbst Bedenken angemeldet. Das OLG Celle hat die Nichteröffnungsentscheidung des LG korrigiert und die Anklage zum Hauptverfahren vor einer Wirtschaftsstrafkammer zugelassen. Nach gegenwärtiger Beurteilung sei davon auszugehen, dass die Fahrer abhängig Beschäftigte gewesen sind, sodass für sie eine Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer bestand.
Praxishinweis
Jenseits der verfahrensrechtlichen Fragen und materiell-rechtlichen Themen, ist auf einen weiteren für die Geschäftsleitung eines Unternehmens sehr wichtigen Punkt hinzuweisen: Nach Ansicht des OLG soll die Aufteilung von Aufgaben zwischen mehreren Geschäftsführern einer GmbH sich nicht auf strafbewehrte Pflichten der gesamten Geschäftsführung auswirken. Eine interne Zuständigkeitsverteilung könne allein hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der einzelnen Geschäftsführer Auswirkung entfalten. Zwingend sind in diesem Zusammenhang deshalb klare - schriftlich fixierte - Regelungen zur internen Aufgabenverteilung vorzunehmen.
Checkliste / Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit | |
Die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung (ArbN) und Selbstständigkeit ist ein nicht nur finanziell sehr bedeutsames Thema, sondern auch in strafrechtlicher Hinsicht mit der erforderlichen Sorgfalt zu behandeln. Anknüpfend an die Entscheidung des OLG Celle (a.a.O.) können folgende Punkte festgehalten werden. | |
| Er richtet sich primär nach dem Sozialversicherungsrecht (OLG Zweibrücken 6.3.95, 1 AR 88/94 - 1, wistra 95, 319). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist „Beschäftigung … die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“. |
| Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind demnach eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. |
| Bei der mitunter schwierigen Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerverhältnis und echter Selbstständigkeit kann dabei auf den Kriterienkatalog des § 7 Abs. 4 Nr. 1 bis 5 SGB IV a.F. zurückgegriffen werden (LK-Möhrenschlager, 12. Aufl., § 266a Rn. 16). Beim Zusammentreffen von Merkmalen der Abhängigkeit und Selbstständigkeit entscheidet über das Überwiegen das Gesamtbild der tatsächlichen Umstände (BSG 21.4.93, 11 RAr 67/92, NJW 94, 341). |
| Nach vorläufiger Bewertung hat das OLG einen hinreichenden Tatverdacht dahingehend bejaht, dass sämtliche als Honorarkräfte eingesetzte Personen als abhängig Beschäftigte zu qualifizieren sind, ohne dass es auf eine individualisierte Betrachtung ankommt. Sämtliche Fahrer waren
Ein für Selbstständige typisches eigenes unternehmerisches Risiko bestand für sie allein darin, dass ihre Tätigkeit bei rückläufiger Auftragslage nicht mehr in Anspruch genommen werden würde. Vonseiten der GmbH wurden auch die Abrechnungen der Fahrer erstellt. |
| Die einer Qualifizierung der Tätigkeit als abhängig Beschäftigte entgegenstehenden Indizien, wie etwa
seien nicht so gewichtig, dass von einer Selbstständigkeit ausgegangen werden kann. |
Weiterführende Hinweise
- Bader, § 266a Abs. 1 und 2 StGB: Verjährung im Beitragsstrafrecht, PStR 11, 239.
- Lübbersmann, § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV: Nettolohnfiktion erfordert vorsätzliche Pflichtverletzung des Arbeitgebers, PStR 12, 171.
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