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  • · Fachbeitrag · Tarifverträge

    Schlimmer geht immer: Wenn der Tarifvertrag sich verschlechtert

    | Ein Tarifvertrag, der einen älteren Entgelttarifvertrag ablöst, darf auch zulasten der ArbN verschlechternde Regelungen enthalten. Er muss aber der in § 1 Abs. 2 TVG geregelten Schriftform entsprechen. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbN ist seit dem 21.1.87 als Reiniger in einer Kokerei beschäftigt. Er wurde gemäß der Entgeltgruppe 6 des Entgeltrahmentarifvertrags (ERTV 2010) vergütet. Der ERTV 2010 war zwischen dem Unternehmensverband Industrie-Service und Dienstleistungen (UIS) und der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) abgeschlossen. Ein auf den 9.12.14 datiertes Schriftwerk enthält einen neuen Entgelttarifvertrag für die Unternehmen der Gruppe des ArbG (ERTV neu). Dieser wurde zwischen dem UIS, der IG Bau und dem ArbG vereinbart. Er führt neu strukturierte und definierte Entgeltgruppen ein.

     

    Der ArbG wandte den ERTV neu ab dem 1.1.15 an. Der ArbN war danach in Entgeltgruppe 4 eingruppiert. Sein Stundenlohn reduzierte sich von 15,40 auf 13,86 EUR. Gleichzeitig erhielt der ERTV neu - auch für den ArbN - eine zweigeteilte monatliche Besitzstandszulage, die der Differenz zum bisherigen monatlichen Entgelt entsprach. 50 Prozent davon waren unwiderruflich und dynamisch. Die zweiten 50 Prozent wurden in fünf gleichen Teilen beginnend ab dem 1.1.16 abgeschmolzen.

     

    Der ArbN ist der Ansicht, der ArbG dürfe den ERTV neu nicht anwenden, weil dieser nicht schriftlich vereinbart worden sei. Er gehe davon aus, dass der ERTV neu entsprechend der Datierung am 9.12.14 von den Tarifvertragsparteien blanko unterzeichnet worden sei, obwohl noch kein Text vorhanden gewesen sei. Er ist der Ansicht, dass auf ihn nach wie vor der ERTV 2010 angewendet werden müsse. Hilfsweise macht er geltend, dass er nach dem ERTV neu in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert werden müsse.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hatte vor der 12. Kammer des LAG Düsseldorf (11.5.16, 12 Sa 1152/15, Abruf-Nr. 186540) ebenso wie vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg.

     

    Nach der Beweisaufnahme ist die Kammer der Überzeugung, dass der ERTV neu im ersten Quartal 2015 im Ergebnis von den Tarifvertragsparteien unterzeichnet worden ist. Eine Blankounterschrift unter einen noch nicht vorhandenen Tarifvertrag am 9.12.14 sei nicht geleistet worden. Der ERTV neu sei auch im Übrigen wirksam. Für Tarifverträge gelte das Ablöseprinzip, das verschlechternde Regelungen zulasse. Auch bei Unterzeichnung im März 2015 liege kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Der ArbN habe bereits seit März 2014 Kenntnis davon gehabt, dass über einen neuen ERTV verhandelt wurde. Der Antrag auf die höhere Eingruppierung nach dem ERTV neu blieb ebenfalls ohne Erfolg.

     

    Relevanz für die Praxis

    Wer als ArbN die Wirksamkeit eines auf das Arbeitsverhältnis unmittelbar oder kraft (arbeits-)vertraglicher Vereinbarung anwendbaren Tarifvertrags in Zweifel zieht, muss hierzu konkrete Tatsachen darlegen und beweisen. Dies gilt insbesondere, wenn ein Verstoß gegen die in § 1 Abs. 2 TVG geregelte Schriftform gerügt wird. Bloße ins Blaue hinein geäußerte Vermutungen sind ohnehin prozessual unbeachtlich.

     

    Dies bedeutet, dass in den wenigsten Fällen der Parteivertreter des ArbN durch einen direkten Angriff auf einen Tarifvertrag die gewünschte Rechtsfolge, in der Regel eine höhere Eingruppierung des ArbN, erfolgreich durchsetzen kann. Bei der sogenannten Eingruppierungsfeststellungsklage, mit der der ArbN versucht, eine andere (höhere) Eingruppierung durchzusetzen, ist überdies zu beachten, dass der ArbN in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit die Tatbestandsmerkmale der höheren Vergütungsgruppe erfüllt.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Was gilt bei nachträglicher schriftlicher Befristung des Arbeitsvertrags? LAG Köln in AA 16, 25
    • Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags: LAG Berlin-Brandenburg in AA 15, 110
    • Aktueller Überblick über die wichtigsten allgemeinverbindlichen Tarifverträge: Mareck in AA 15, 26 und 52
    • Entgeltgruppe für Mitarbeiter eines Ordnungs- und Servicedienstes: Arbeitsgericht Düsseldorf in AA 15, 100
    Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 111 | ID 44102560