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  • 01.09.2007 | Abmahnung

    Wann ist die Kündigung trotz wirksamer Abmahnung ausgeschlossen?

    von RiArbG Klaus Griese, Hamm

    In der letzen Ausgabe von „Arbeitsrecht aktiv“ hatten wir gezeigt, wann der ArbN eine Abmahnung wegen ihrer Unwirksamkeit angreifen kann. Steht dagegen die Wirksamkeit der Abmahnung fest, kann der ArbG gleichwohl eine Kündigung nicht in jedem Fall auf diese vorangegangene Abmahnung stützen. Die Checkliste zeigt auf, wann dies der Fall ist.  

     

    Checkliste: Wann begründet die wirksame Abmahnung keine Kündigung?

    Trotz wirksamer Abmahnung kann eine Kündigung im Wiederholungsfall unbegründet sein.  

     

    • Wenn in der Abmahnung nur „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ für den Wiederholungsfall angedroht werden, erfüllt sie nicht die erforderliche „Warnfunktion“ für die spätere Kündigung. Denn arbeitsrechtliche Konsequenzen können auch die Versetzung des ArbN oder die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sein. Erforderlich ist vielmehr, dass die Konsequenzen im Einzelnen benannt sind, insbesondere die mögliche Kündigung angedroht wird.

     

    • Der ArbG, der wegen mehrerer vergleichbarer Vertragsverstöße des ArbN eine Vielzahl von Abmahnungen ausspricht und immer wieder für den Wiederholungsfall mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses droht, macht sich unglaubwürdig, die Drohung kann vom ArbN nicht mehr ernst genommen werden. Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der ArbG bei ständig neuen Pflichtverletzungen des ArbN stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Andererseits kann bei für sich genommen geringfügigeren Pflichtverletzungen eines ArbN mit hohem sozialen Besitzstand je nach den Umständen eine einmalige Abmahnung nicht ausreichen, den ArbN hinreichend zu warnen, dass er bei weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Hat der ArbG durch zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen deren Warnfunktion zunächst abgeschwächt, so muss er die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, indem er etwa die Abmahnung als „letztmalige Abmahnung“ bezeichnet (BAG AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung = NZA 02, 968).

     

    Praxishinweis: Da in der Laiensphäre die Meinung vorherrscht, man müsse erst dreimalig wegen eines vergleichbaren Sachverhalts abmahnen, bevor man kündigen könne, sieht das BAG eine Entkrsäftung der Warnfunktion i.d.R. erst als gegeben an, wenn

     

    • mehr als drei Abmahnungen erteilt worden sind und
    • in der letzten Abmahnung vor der Kündigung keine verschärfte Androhung der Kündigung erfolgt ist (BAG AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung = NZA 02, 968).

     

    • Voraussetzung einer wirksamen verhaltensbedingten Kündigung nach vorangegangener Abmahnung ist ein einschlägiger Wiederholungsfall. Es ist zu prüfen, ob der ArbN nicht „auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist“, sondern das beanstandete Verhalten fortsetzt. Es muss ein Leistungs- oder Verhaltensmangel der gerügten Art erneut auftreten.

     

    Eine zusammenfassende Betrachtung mehrerer abgemahnter Pflichtenverstöße kann daher eine verhaltensbedingte Kündigung nur rechtfertigen, wenn die Pflichtverstöße gleichartig, wenn auch nicht unbedingt identisch sind. Von gleichartigen Pflichtverletzungen kann gesprochen werden, wenn sie auf einer Ebene liegen und Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des ArbN sind (LAG Berlin LAGE § 1 KSchG Verhaltsbedingte Kündigung Nr. 52).

     

    Wird der ArbN wegen Minderleistung abgemahnt, ist die verspätete Anzeige der Arbeitsunfähigkeit kein gleichartiger Wiederholungsfall, denn Arbeitsleistungspflicht einerseits und die Pflicht zur Information des ArbN bei Erkrankung liegen auf unterschiedlichen Ebenen. Es muss ein vergleichbarer Pflichtentypus betroffen sein. Beispiele:

     

    • Zu spät kommen, vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes, Nichteinhaltung und Überschreiten der Pausen können als gleichartige Pflichtverletzungen angesehen werden, weil sie gemeinsam als Nichteinhaltung der Arbeitszeit gewertet werden können;
    • Unentschuldigtes Fehlen und nicht rechtzeitig mitgeteilte Verhinderung wegen Arbeitsunfähigkeit;
    • Unpünktlichkeit und vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes oder Überziehen des gestatteten späteren Dienstantritts;
    • Verletzung der Meldepflicht bei Arbeitsunfähigkeit und verspätete Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung;
    • Vorzeitiges Verlassen der Baustelle und Kartenspielen während der Arbeitszeit.
     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2007 | Seite 149 | ID 112401