02.07.2008 | Aufhebungsvertrag
Neues zur Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen widerrechtlicher Drohung
1. Droht der ArbG dem ArbN mit einer fristlosen Kündigung, die ein verständiger ArbG nicht in Betracht gezogen hätte, um den ArbN zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu veranlassen, wird die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht durch eine dem ArbN vom ArbG eingeräumte Bedenkzeit beseitigt. |
2. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ändert eine dem ArbN eingeräumte Bedenkzeit auch nichts an der Ursächlichkeit der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrags. Für eine von der Drohung nicht mehr maßgeblich beeinflusste Willensbildung spricht jedoch, dass der Anfechtende die Bedenkzeit dazu genutzt hat, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch aktives Verhandeln – z.B. neue eigene Angebote – erheblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen, insbesondere wenn er selbst rechtskundig ist oder zuvor Rechtsrat eingeholt hat bzw. aufgrund der eingeräumten Bedenkzeit hätte einholen können (BAG 28.11.07, 6 AZR 1108/06, Abruf-Nr. 081858). |
Praxishinweis
In der Praxis wird einem ArbN häufig vom ArbG zur Vermeidung einer (meist fristlosen) Kündigung ein Aufhebungsvertrag angeboten. Nach Abschluss eines solchen Aufhebungsvertrags versucht der ArbN oftmals, die Wirkungen des Vertrags durch eine Anfechtung der von ihm abgegebenen Willenserklärungen wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) wieder rückgängig zu machen. Die Aussichten einer erfolgreichen Anfechtung sind anhand folgender im BAG-Urteil im Einzelnen dargelegter Kriterien zu beurteilen:
Checkliste: Erfolgreiche Vertragsanfechtung bei widerrechtlicher Drohung |
Erster Punkt: Begriffliches Vorliegen einer Drohung Die Drohung des ArbG, das Arbeitsverhältnis des ArbN durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, ist eine Drohung i.S. der Gesetzesbestimmung. Es wird vom ArbG die Zufügung eines künftigen empfindlichen Übels angekündigt, dessen Verwirklichung in seiner Macht steht.
Zweiter Punkt: Widerrechtlichkeit der Drohung Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger ArbG eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Nicht erforderlich ist, dass sich die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Nur wenn der ArbG unter Abwägung aller Umstände des Falls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um den ArbN zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen. Die Widerrechtlichkeit der Drohung wird nicht dadurch beseitigt, dass der ArbG dem ArbN eine Bedenkzeit eingeräumt hat.
Die Darlegungs- und Beweislast ist wie folgt: Der ArbN, der als Anfechtender die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung trägt, muss die Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, die die angedrohte außerordentliche Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen. Er muss mithin darlegen und beweisen, dass ein verständiger ArbG nicht annehmen durfte, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei unzumutbar und die Kündigung deshalb gerechtfertigt. Da es sich dabei jedoch um einen Negativbeweis handelt, genügt hierfür zunächst eine entsprechende pauschale Behauptung.
Wegen der Schwierigkeiten des Negativbeweises ist vom ArbG als Anfechtungsgegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast das substanziierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung für das positive Vorliegen der Tatsachen und Umstände zu verlangen. Der ArbG muss im Einzelnen darlegen, dass er in vertretbarer Weise einen Kündigungsgrund annehmen durfte. Der beweispflichtige ArbN muss dann nur die vom ArbG in diesem Zusammenhang vorgetragenen Umstände widerlegen.
Dritter Punkt: Ursächlichkeit der Drohung für die Willenserklärung Die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung muss für die angefochtene Willenserklärung ursächlich gewesen sein. Dabei genügt, dass die Drohung nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist.
Allerdings reicht es für die Annahme einer Ursächlichkeit der Drohung nicht aus, dass die widerrechtliche Drohung conditio sine qua non für die angefochtene Willenserklärung war, d.h. nicht wegzudenkende Ursache. Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Anfechtende durch die Drohung zur Abgabe der Willenserklärung „bestimmt“ worden sein. Daher ist erforderlich, dass er auch noch bei der Abgabe der Willenserklärung unter dem Eindruck der Drohung gehandelt hat und nicht etwa aufgrund einer davon nicht mehr maßgeblich beeinflussten autonomen Willensbildung.
Davon, dass der widerrechtlich Bedrohte bei Abgabe der Willenserklärung noch unter dem Druck der Drohung gehandelt hat, ändert die Einräumung einer Bedenkzeit allein nichts. Für eine von der Bedrohung nicht mehr maßgeblich beeinflusste Willensbildung spricht jedoch, wenn der Anfechtende die Bedenkzeit dazu genutzt hat, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch aktives Verhandeln – z.B. neue eigene Angebote – erheblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen, insbes. wenn er selbst rechtskundig ist oder er zuvor Rechtsrat eingeholt hat bzw. aufgrund der Dauer der eingeräumten Bedenkzeit hätte einholen können.
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Im Ausgangsfall war es dem Anfechtenden während der ihm eingeräumten Bedenkzeit von drei Tagen gelungen, den in dem vom ArbG formulierten Aufhebungsvertrag enthaltenen Abfindungsbetrag um 50 Prozent von 12.000 EUR auf 18.000 EUR zu erhöhen und den Beendigungszeitpunkt vom 30.6. auf den 31.12. d.J. zu verschieben.
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