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  • 01.08.2006 | Beratungspraxis

    Basiswissen kompakt: Die 21 wichtigsten Fragen zum Urlaubsanspruch nach dem BUrlG

    von RA Monika Hesse-Haake, Krefeld

    Die folgende Checkliste beantwortet die wichtigsten Fragen zum Urlaubsanspruch, die gerade in den Sommermonaten in der Beratungspraxis häufig auftreten.  

     

    Checkliste: Die 21 wichtigsten Fragen zum Urlaubsanspruch

    1. Welchen Mindesturlaubsanspruch hat ein ArbN? 

    Gem. § 1, § 3 Abs. 1 BUrlG hat jeder ArbN pro Kalenderjahr grundsätzlich einen Anspruch auf Erholungsurlaub von 24 Werktagen. Der Charakter des Anspruchs auf Urlaub als Mindestanspruch wird durch § 13 Abs. 1 BUrlG sichergestellt. Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind (§ 3 Abs. 2 BUrlG). Damit gelten auch arbeitsfreie Werktage, insbesondere Samstage, als Urlaubstage. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt somit vier Wochen (24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche bzw. 20 Werktage bei einer 5-Tage-Woche).  

     

    2. Woraus kann sich ein weitergehender Anspruch des ArbN ergeben? 

    § 3 BUrlG ist eine Mindestregelung. Ein weitergehender Urlaubsanspruch des ArbN kann sich durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag ergeben.  

     

    3. Was bedeutet Unabdingbarkeit? 

    Die Vorschriften über den Umfang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs sind für die Betriebsparteien und die Arbeitsvertragsparteien einseitig zwingendes Recht. Abweichungen zu Lasten der ArbN können daher weder im Arbeitsvertrag noch durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die Tarifvertragsparteien sind hingegen nur an den Umfang des gesetzlichen Mindestanspruchs auf Jahresurlaub gebunden (§ 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 BUrlG).  

     

    4. Wie ermittelt sich der Urlaubsanspruch bei Teilzeittätigkeit? 

    Die Umrechnung ist so vorzunehmen, dass die Anzahl von 24 Urlaubstagen multipliziert mit der Anzahl der individuellen wöchentlichen Arbeitstage durch 6 Werktage dividiert wird. Es gilt folgende Umrechnungsformel:  

     

     

    24 Url.-Tage x Anzahl der individuellen Wochenarbeitstage  

    Anzahl individueller Url.-Tage =  

    _________________________________________________________  

     

    6 Werktage  

     

    Beispiel: Ein ArbN, der z.B. jeweils von montags bis mittwochs zur Arbeit verpflichtet ist, hat somit einen jährlichen Urlaubsanspruch von 12 Arbeitstagen.  

    Ohne Bedeutung für die Ermittlung des individuellen jährlichen Urlaubsanspruchs ist, wie lange der ArbN an den einzelnen Arbeitstagen Arbeit zu leisten hat, und ob er voll- oder teilzeitbeschäftigt ist. Der Urlaubsanspruch stellt auf den Arbeits-/Werktag ab (sog. Tagesprinzip).  

     

    5. Wann entsteht der Urlaubsanspruch? 

    Für die erstmalige Entstehung des vollen Urlaubsanspruchs muss das Arbeitsverhältnis sechs Monate ununterbrochen bestanden haben (Wartezeit, § 4 BUrlG). Auf den tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an, sondern nur auf den rechtlichen Bestand. Urlaubsansprüche können deshalb auch in ruhenden Arbeitsverhältnissen entstehen. Ist die Wartezeit im bestehenden Arbeitsverhältnis erfüllt, entsteht der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Der Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit ist nur im ersten Beschäftigungsjahr für das Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs erforderlich. In den Folgejahren entsteht der volle Urlaubsanspruch jeweils am 1.1.  

     

    Von der Einhaltung der Wartezeit nach § 4 BUrlG kann zu Gunsten der ArbN sowohl durch Tarifvertrag als auch durch sonstige kollektiv-einzelvertragliche Regelungen abgewichen werden (§ 13 BUrlG). Daher ist sowohl der Verzicht auf die Wartezeit als auch ihre Verkürzung sowie die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten ohne Einschränkung möglich. Für solche über das Gesetz hinausgehenden Urlaubsansprüche kann allerdings eine längere oder in jedem Kalenderjahr neu zu erfüllende Wartezeit vereinbart und die Wartezeit an eine tatsächliche Arbeitsleistung gebunden werden.  

     

    6. Wann wird demgegenüber der Urlaubsanspruch fällig? 

    Die konkrete zeitliche Festlegung des Urlaubs erfolgt durch den ArbG, der hierbei gem. § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des ArbN berücksichtigen muss. Demnach wird der Urlaubsanspruch fällig, wenn der ArbN seinen Urlaubswunsch betreffend eines bestimmten Zeitraums an den ArbG herangetragen und dieser sodann den Urlaub festgesetzt hat (str.).  

     

    7. Was ist, wenn der ArbN ohne Festlegung des Urlaubs durch den ArbG Urlaub nimmt? 

    Ein Recht zur Selbstbeurlaubung steht dem ArbN nicht zu. Ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung – ohne vorherige Abmahnung – zu geben.  

     

    8. Was sind „entgegenstehende betriebliche Belange“, die einer zeitlichen Festlegung des Urlaubs entsprechend den Wünschen des ArbN entgegenstehen können? 

    Dringende betriebliche Belange i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG liegen vor, wenn die Freistellung des ArbN zu der von ihm gewünschten Zeit zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen im Betriebsablauf führen würde. Eine bloße Störung reicht nicht aus. Störungen sind bei der urlaubsbedingten Abwesenheit zwangsläufig zu erwarten und deshalb hinzunehmen. Ihnen hat der ArbG durch eine entsprechende Organisation und Personalplanung zu entgegnen. Dringende betriebliche Belange bestehen vor allem zu Saison- und Kampagnezeiten (z.B. Weihnachtszeit im Einzelhandel; fristgerechte Erledigung wichtiger Aufträge; Einhaltung festgelegter Betriebsferien). Maßgebend ist immer eine Interessenabwägung.  

     

    9. Was ist bei entgegenstehenden Urlaubswünschen anderer ArbN zu beachten? 

    Wenn der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht gleichzeitig erteilt werden kann, muss eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der sozialen Gesichtspunkte erfolgen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Zahl und Schulpflicht der Kinder, Berufstätigkeit des Ehegatten oder die aus einer Krankheit des ArbN folgende Notwendigkeit der Erholung in einer bestimmten Jahreszeit.  

     

    10. Gibt es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats? Wie weit reicht es?  

    Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne ArbN, wenn zwischen ArbG und beteiligten ArbN kein Einverständnis erzielt wird. Da sich das Mitbestimmungsrecht auf einen Einzelfall bezieht, handelt es sich um eine ausdrückliche Ausnahmeregelung.  

     

    11. Was muss bei der Übertragung des Urlaubs beachtet werden?  

    Der Urlaub muss nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der Urlaubsanspruch entsteht also mit Beginn des Urlaubsjahres und endet mit seinem Ablauf. Der Anspruch ist damit grundsätzlich innerhalb des Kalenderjahres zu erfüllen.  

     

    Nach § 7 Abs. 3 S. 2 und S. 4 BUrlG ist die Übertragung des Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr (bis zum 31.03.) in zwei Fällen statthaft:  

    • Dringende betriebliche Gründe liegen vor, wenn der ordnungsgemäße Betriebsablauf durch die Urlaubsgewährung während des Kalenderjahres beeinträchtigt würde.
    • In der Person des ArbN liegende Gründe sind gegeben, wenn es dem ArbN im laufenden Kalenderjahr unmöglich oder nicht zumutbar ist, den Urlaub zu nehmen. An diese Gründe werden nicht so hohe Anforderungen gestellt, wie an das Vorhandensein betrieblicher Gründe.

     

    Liegen die entsprechenden Gründe vor, vollzieht sich die Urlaubsübertragung automatisch (LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 06, 123). Das gilt insbesondere, wenn der ArbG kurz vor Jahresende die Urlaubsnahme aus betrieblichen Gründen abgelehnt hat. Eine darüber hinausgehende Geltendmachung durch den ArbN ist nicht erforderlich, ebenso wenig wie der konkrete Nachweis, dass tatsächlich dringende betriebliche Gründe vorgelegen haben.  

     

    Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit des ArbN innerhalb des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden kann.  

     

    12. Wann entsteht ein Schadenersatzanspruch? 

    Gewährt der ArbG dem ArbN zustehenden und beantragten Urlaub nicht und geht der Anspruch deshalb mit Ablauf des Kalenderjahres/Übertragungszeitraums unter, schuldet der ArbG gem. §§ 280, 283, 286 BGB Schadenersatz in Form von Ersatzurlaub. Dieser Anspruch ist nicht befristet.  

     

    13. Wann ist der Urlaubsanspruch abzugelten?  

    Der in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelte Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein Surrogat für nicht gewährten Erholungsurlaub. Das BUrlG geht von einem grundsätzlichen Abgeltungsverbot aus. Die Abgeltung ist nur ausnahmsweise zulässig. Die verbreitete Praxis, den Urlaub während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abzukaufen, ist unzulässig. Solche Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig. Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift von § 7 Abs. 4 BUrlG:  

     

    • Dem ArbN steht ein (restlicher) Urlaubsanspruch zu,
    • das Arbeitsverhältnis ist beendet und
    • wegen der Beendigung kann der Urlaub nicht in natura genommen werden.

     

    14. Was ist bei anderweitiger Erwerbstätigkeit während des Urlaubs zu berücksichtigen?  

    Nach § 8 BUrlG darf der ArbN während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Erwerbstätigkeit ist dabei jede Tätigkeit, die in der Absicht erfolgt, Geld oder geldwerte Vorteile zu erlangen. Unschädlich sind gemeinnützige Arbeit, Gefälligkeiten sowie Arbeiten im eigenen Haus und Garten.  

     

    15. Welche Auswirkungen hat eine Erkrankung während des Urlaubs? 

    Der gesetzliche Zweck des Urlaubs setzt voraus, dass sich der ArbN erholen kann. Daher schreibt § 9 BUrlG vor, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die während eines Urlaubs eintreten und durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen sind, nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Die infolge der Krankheit nicht anzurechnenden Urlaubstage sind dem ArbN nachzugewähren. Der Erholungsurlaub verlängert sich nicht automatisch um die durch Krankheit ausgefallenen Tage.  

     

    16. Entsteht der Urlaubsanspruch im Falle von aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen?  

    Der Urlaubsanspruch entsteht unabhängig von der Anzahl der Arbeitsverhältnisse pro Kalenderjahr nur einmal. Um diesem Umstand im Falle von mehreren, einander nachfolgenden Arbeitsverhältnissen gerecht zu werden, schließt § 6 Abs. 1 BUrlG den Anspruch auf Urlaub aus, soweit dem ArbN für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren ArbG Urlaub gewährt worden ist.  

     

    17. Welchen Inhalt muss eine Urlaubsbescheinigung haben? 

    Nach § 6 Abs. 2 BUrlG ist der ArbG verpflichtet, dem ArbN bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten und abgegoltenen Urlaub auszuhändigen. Um Doppelurlaubsansprüche zu vermeiden, muss der ArbG schriftlich die Bescheinigung ausfüllen. Der Inhalt der Bescheinigung muss die Identität des ArbN (Name, Vorname, u.U. Geburtsdatum und Anschrift), die Dauer des Arbeitsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr sowie den im Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub enthalten.  

     

    18. Wie wird das Urlaubsentgelt berechnet?  

    Nach §§ 1, 11 BUrlG ist das Arbeitsentgelt während des Urlaubs fortzuzahlen. Der Vergütungsanspruch wird trotz Nichtleistung der geschuldeten Arbeit aufrechterhalten. Die Höhe bemisst sich nach dem Durchschnittsverdienst in den letzten 13 abgerechneten Wochen vor Urlaubsbeginn.  

     

    19. Was bedeutet Unteilbarkeit des Urlaubs? 

    Bei der Festlegung des Urlaubs hat der ArbG den in § 7 Abs. 2 BUrlG normierten Grundsatz der zusammenhängenden Urlaubsgewährung zu beachten. Ausnahmen sind lediglich möglich, wenn dringende betriebliche Belange oder Gründe, die in der Person des ArbN liegen, eine Urlaubsteilung notwendig machen. In jedem Fall muss einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinander folgende Werktage umfassen.  

     

    20. Wie verhält sich der Urlaubsanspruch während der Insolvenz des ArbG?  

    Der Urlaubsanspruch des ArbN wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ArbG nicht berührt, denn der Anspruch ist auf die Freistellung von der Arbeitspflicht gerichtet. Der Urlaubsanspruch ist vom Insolvenzverwalter bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen.  

     

    21. Wie verhält sich der Urlaubsanspruch bei Betriebsübergang? 

    Das Entstehen von Urlaubsansprüchen wird durch den Betriebsübergang (§ 613a BGB) nicht beeinflusst. Die Wartezeit nach § 4 BUrlG beginnt nicht erneut zu laufen. Ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs muss ausschließlich der Erwerber den Anspruch auf Urlaubsgewährung erfüllen.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2006 | Seite 127 | ID 85447