01.04.2005 | Gebührenrecht
Gleichzeitige Vertretung von Betriebsrat und Betriebsratsmitglied im Ersetzungsverfahren
1. Ein Anwalt verstößt nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Abs. 4 BRAO und hat deshalb einen Vergütungsanspruch, wenn er in einem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG gleichzeitig den Betriebsrat und das betroffene Betriebsratsmitglied vertritt. Beide haben in diesem Verfahren i.d.R. dasselbe Ziel, nämlich die Abwehr des Zustimmungsersetzungsantrags. |
2. Will der Betriebsrat aber an der Zustimmungsverweigerung nicht mehr festhalten, können widerstreitende Interessen entstehen. Der Anwalt muss dann beide Mandate niederlegen, um nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zu verstoßen. |
3. Einem generellen Verbot der gleichzeitigen Vertretung von Betriebsrat und Betriebsratsmitglied steht das Grundrecht der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG entgegen. Die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit der Beschränkung des Rechts auf freie Berufsausübung rechtfertigt es nur, beim tatsächlichen Entstehen widerstreitender Interessen die Vertretung zu verbieten. |
(BAG 25.8.04, 7 ABR 60/03, Abruf-Nr. 050631) |
Praxishinweis
Der Anwalt muss beide Mandate niederlegen, wenn der Betriebsrat nicht mehr an der Zustimmungsverweigerung festhalten möchte. Diese Voraussetzung ist nicht nur gegeben, wenn der Betriebsrat nunmehr die Absicht verfolgt, die Zustimmung nachträglich zu erteilen. Eine Zustimmungserteilung ist auch noch während des Zustimmungsersetzungsverfahrens möglich. Dadurch wird das Verfahren ohnehin gegenstandslos und ist einzustellen (BAG AP Nr. 2 zu § 83a ArbGG 1979 = NZA 93, 1052). Der Interessenkonflikt liegt vielmehr auch vor, wenn der Betriebsrat den Antrag auf Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrags nicht mehr stellen will. Dadurch weicht er von der Verteidigungslinie des Betriebsratsmitglieds ab und verfolgt schon so widerstreitende Interessen.
Der erforderlichen Niederlegung beider Mandate kann nicht dadurch ausgewichen werden, dass der Betriebsrat dem Anwalt das Mandat entzieht. Auch danach darf der Anwalt das Betriebsratsmitglied nicht weiter vertreten.
Hat der ArbG mit seinem Zustimmungsersetzungsverfahren Erfolg, ist der Anwalt, der beide Mandate niedergelegt hat, nicht gehindert, das Betriebsratsmitglied in einem späteren Kündigungsschutzverfahren zu vertreten. Hier besteht für den Anwalt kein Interessenkonflikt. Ein solches Kündigungsschutzverfahren wird aber i.d.R. keine Aussicht auf Erfolg haben, weil der Entscheidung im Beschlussverfahren insofern präjudizielle Wirkung für das nachfolgende Kündigungsschutzverfahren zukommt, als über das Vorliegen eines wichtigen Grunds zur außerordentlichen Kündigung bereits rechtskräftig entschieden wurde (BAG NZA 00, 1106).