01.01.2007 | Insolvenzrecht
Wie ist eine tarifliche Abfindung im Insolvenzverfahren zu qualifizieren?
Ein in einem Tarifvertrag für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen vorgesehener Abfindungsanspruch ist auch dann bloße Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO, wenn die Kündigung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter erklärt wird (BAG 27.4.06, 6 AZR 364/05 = NZA 06, 1282, Abruf-Nr. 063586). |
Sachverhalt
Ein Tarifvertrag sah eine Abfindung für ArbN vor, die infolge einer Rationalisierungsmaßnahme (u.a.) aufgrund einer ArbG-Kündigung ausscheiden. Der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellte Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger.
Der Kläger verlangte die Verurteilung des Insolvenzverwalters zur Zahlung der tarifvertraglichen Abfindung ohne die Beschränkung nach § 123 InsO als Masseschuld. Er vertrat die Ansicht, dass der Abfindungsanspruch durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründet worden sei, da dieser die Kündigung ausgesprochen habe. Demgegenüber hielt der Insolvenzverwalter die Forderung nicht für eine Masseverbindlichkeit. Sie beruhe auf einer Vereinbarung zwischen dem Insolvenzschuldner und der Gewerkschaft. Sie sei damit nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters, sondern bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des BAG ist der tarifliche Abfindungsanspruch keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO lägen nicht vor. Der Anspruch sei nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters mit dessen Willen begründet worden. Es sei auf die „Begründung“, nicht auf die spätere „Entstehung“ des Anspruchs abzustellen. Individual- und tarifrechtliche Abfindungsklauseln, die zwischen dem Insolvenzschuldner und den ArbN bzw. der Gewerkschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart werden, beruhten nicht auf einer Handlung des Insolvenzverwalters. Der Grund der Ansprüche sei damit schon vor Eröffnung des Verfahrens gelegt worden. Auch wenn der konkrete Abfindungsanspruch regelmäßig erst mit der Kündigung oder dem Ausscheiden des ArbN entstehe, sei bereits vor Verfahrenseröffnung mit Abschluss der individualrechtlichen Regelung oder des Tarifvertrags eine durch den Kündigungsfall aufschiebend bedingte Forderung begründet worden. Aufschiebend bedingte Forderungen stellten grundsätzlich Insolvenzforderungen nach § 38 InsO dar. Die Erstarkung des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht führe selbst dann, wenn die Bedingung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt und der Anspruch erst zu diesem Zeitpunkt entsteht, nicht zur Begründung einer Masseverbindlichkeit.
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