· Fachbeitrag · Betriebsratswahl
Betriebsratswahl im VW-Werk Hannover unwirksam
von Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA Arbeitsrecht, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen
Die Wahl eines Betriebsrats ist anfechtbar, wenn die in den Wahlurnen befindlichen Stimmen mit der Zahl der laut Stimmabgabevermerken in der Wählerliste abgegebenen Stimmen nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass eine Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich ist (BAG 12.6.13, 7 ABR 77/11, Abruf-Nr. 132232). |
Sachverhalt
Im Frühjahr 2010 wurde im VW-Werk Hannover turnusgemäß der Betriebsrat neu gewählt. Bei der Wahl befanden sich 105 Stimmen mehr in den Wahl urnen, als laut Stimmabgabevermerk in der elektronischen Wählerliste Stimmen abgegeben wurden. Durch diese Differenz hätte das Wahlergebnis beeinflusst werden können. Nach Feststellung der Differenz wurde versucht, durch Auswertung von Protokollierungsdateien und Befragung der ArbN die Differenz zu erklären.
Entscheidungsgründe
Das BAG hat die Wahl für unwirksam erklärt. Eine Betriebsratswahl ist nach § 19 BetrVG anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlrecht verstoßen wurde. Der Verstoß führt nur dann nicht zur Nichtigkeit der Wahl, wenn durch ihn das Wahlergebnis nicht zumindest theoretisch beeinflusst werden konnte.
Einen solchen zur Nichtigkeit der Wahl führenden Verstoß hat das BAG vorliegend in Bezug auf eine Verletzung des § 12 Abs. 3 der Wahlordnung zum BetrVG angenommen. Danach wirft der Wähler seinen Stimmzettel im Wahlumschlag in die Wahlurne, woraufhin ein Stimmabgabevermerk im Wählerverzeichnis zu erfolgen hat, um eine erneute Stimmabgabe des Wahlberechtigten zu verhindern. Jede spätere Veränderung der Stimmabgabevermerke ist ausdrücklich ausgeschlossen. Dem Wählerverzeichnis kommt daher eine absolute Beweiswirkung zu, um jede Form der Manipulation auszuschließen. Fehler sind daher nicht nachträglich heilbar. Unter Berücksichtigung der Grundsätze war die tatsächlich festgestellte Differenz von 105 Stimmen in Bezug auf das Wahlergebnis so groß, dass die Wahl für nichtig zu erklären war. Jede Form der nachträglichen Erklärung der Differenz sei unzulässig.
Praxishinweis
Der Wahlvorstand muss bei der Durchführung einer Betriebsratswahl mit größter Sorgfalt vorgehen. Eine nachträgliche Heilung von Mängeln bei der Führung der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis ist ausgeschlossen. Trotz der statuierten hohen Sorgfaltsanforderungen schafft der Beschluss Rechtssicherheit und trägt der gesetzlichen Vorgabe Rechnung, jede Möglichkeit der Manipulation einer Betriebsratswahl auszuschließen.