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  • · Fachbeitrag · Personelle Einzelmaßnahmen

    Beschlussfassung des Betriebsrats bei unmittelbarer Eigenbetroffenheit

    Ein Betriebsratsmitglied ist nur dann rechtlich verhindert und damit von der Beschlussfassung ausgeschlossen, wenn eine Maßnahme oder Regelung das Mitglied individuell und unmittelbar betrifft. Bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 Abs. 1 BetrVG ist dies nur der Fall, wenn das jeweilige Mitglied selbst die Person ist, auf die sich das Zustimmungsersuchen des ArbG an den Betriebsrat richtet. An der Mitwirkung über die Zustimmung zur Versetzung eines anderen ArbN ist das Betriebsratsmitglied auch dann nicht gehindert, wenn es sich auf die betreffende Stelle beworben hat (BAG 24.4.13, 7 ABR 82/11, Abruf-Nr. 132964).

     

    Sachverhalt

    Der ArbG, der etwa 520 ArbN beschäftigt, schrieb Anfang 2010 die Stelle eines „Supervisors im Bereich Ver- und Entsorgung“ zur Neubesetzung im Rahmen einer internen Stellenausschreibung aus. Auf die Ausschreibung bewarben sich drei ArbN und das Betriebsratsmitglied M. Nach Eingang der Bewerbungsunterlagen der Kandidaten beantragte der ArbG beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des ArbN N auf die ausgeschriebene Position. Im Rahmen des Antrags wurden dem Betriebsrat die Bewerbungsunterlagen aller Kandidaten und Auskünfte zur Person der Stellenbewerber zugeleitet. Die Versetzung sollte zum 1.8.10 erfolgen.

     

    Unter dem 21.7.10 fasste der Betriebsrat den Beschluss, der beabsichtigten Versetzung des ArbN N zu widersprechen. Zur Begründung führte der Betriebsrat unter anderem aus, die weiteren internen Bewerber seien benachteiligt worden, weil die Kriterien einer Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Stellenausschreibungen nicht beachtet worden seien. An der Beschlussfassung nahm auch das Betriebsratsmitglied M teil, ein Ersatzmitglied war nicht geladen worden. Der ArbG ist der Ansicht, die Beschlussfassung sei unwirksam, da das Betriebsratsmitglied M wegen Eigenbetroffenheit nicht hätte teilnehmen dürfen. Daher gelte die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung als erteilt. Das Arbeitsgericht und das LAG Baden-Württemberg (3 Ta BV 4/11) gaben dem Antrag statt. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats war erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 7. Senat des BAG führt aus, dass im Gegensatz zur Rechtsauffassung des ArbG und der Vorinstanzen die Zustimmung des Betriebsrats nicht nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gelte, da der Betriebsrat seine Zustimmung wirksam verweigert habe.

     

    Zwar setze eine zeitweilige Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds an der Beschlussfassung nach § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht zwingend eine tatsächliche Verhinderung des Mitglieds voraus. Vielmehr könne das Mitglied auch aus rechtlichen Gründen an der Wahrnehmung des Amts gehindert sein. Dies sei aber nur der Fall, wenn es um eine Beschlussfassung über Maßnahmen und Regelungen gehe, die das Mitglied individuell und unmittelbar beträfen. Als Teil der Belegschaft seien Betriebsratsmitglieder relativ häufig von der im Rahmen der Mitbestimmung zu treffenden Entscheidung mehr oder weniger auch selbst betroffen.

     

    Als Amtsinhaber werde von den Mitgliedern in solchen Fällen erwartet, sich nicht von persönlichen Interessen leiten zu lassen. Nur wenn davon ausgegangen werden müsse, dass das Betriebsratsmitglied sein Amt wegen persönlicher Interessen nicht mehr mit der erforderlichen Unabhängigkeit wahrnehmen könne, sei von einer Verhinderung bei der Beschlussfassung aufgrund der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit auszugehen.

     

    Hieran fehle es, wenn mit der Maßnahme, über die entschieden werde, nur mittelbare Auswirkungen, Reflexe oder die Steigerung tatsächlicher Chancen oder Aussichten verbunden seien. Im Rahmen der personellen Mitbestimmung nach § 99 BetrVG sei ein Betriebsratsmitglied nur unmittelbar und individuell betroffen, wenn es selbst die Person sei, auf die sich das Zustimmungsersuchen des ArbG unmittelbar beziehe. Wenn ein Mitglied sich auf eine Stelle oder Position beworben habe, der ArbG aber eine andere Person ausgewählt habe, genüge dies regelmäßig nicht, um das Betriebsratsmitglied als an seiner Amtsausübung verhindert und damit ausgeschlossen anzusehen.

     

    Im Falle des Betriebsratsmitglieds M erhöhe sich unter Umständen durch eine Verweigerung der Zustimmung zwar eine etwaige, tatsächlich allerdings geringe, Chance, die Stelle, auf die es sich beworben habe, doch noch zu erhalten. Ein Anspruch des Mitglieds M durch die Zustimmungsverweigerung auf die zu besetzende Position werde hingegen nicht geschaffen, sodass die eigene rechtliche Position sich nicht verbessere. Der ArbG sei lediglich durch die Verweigerung der Zustimmung gehindert, die beabsichtigte Versetzung endgültig zugunsten des Bewerbers N durchzuführen.

     

    Praxishinweis

    Bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG, also Einstellungen, Ein- oder Umgruppierungen und Versetzungen hat der Betriebsrat die Möglichkeit aus den in § 99 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 aufgeführten Gründen seine Zustimmung zu verweigern. Dies muss er dem ArbG innerhalb einer Woche mitteilen. Bei einer nicht erfolgten oder nicht wirksam erfolgten Zustimmung wird die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG fingiert.

     

    Der ArbG hat die Möglichkeit, feststellen zu lassen, dass diese Fiktion ein
getreten ist. Dies sollte er hingegen zumindest hilfsweise mit dem Antrag verbinden, dass im Fall der wirksamen Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht die Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt wird. Nur dann prüft das Gericht, ob die Zustimmungsverweigerungsgründe auf die sich der Betriebsrat bezieht, gegeben sind. Nach § 100 BetrVG kann der ArbG die Maßnahme vorläufig durchführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Bestreitet der Betriebsrat die dringende Erforderlichkeit, muss der ArbG innerhalb von drei Tagen beim 
Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung und die Feststellung beantragen, dass die Maßnahme dringend erforderlich war.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 173 | ID 42312658