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  • · Fachbeitrag · Anwendbarkeit des KSchG

    Ende der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG

    Zwar ist in der Regel der Beginn der 6-monatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG der Zeitpunkt, zu dem der ArbN nach den vertraglichen Vereinbarungen seine Arbeit aufnimmt. Dieser Zeitpunkt ist aber nicht maßgebend, wenn ArbG und ArbN sich einig sind, dass zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Zeitspanne liegen soll, in der der ArbN nicht zur Arbeit verpflichtet ist. § 193 BGB findet auf die Berechnung der Wartezeit nach§ 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung, daher verlängert sich der Sechmonatszeitraum nicht, wenn der letzte Tag auf einen Sonntag, einen Feiertag oder einen Samstag fällt (BAG 24.10.13, 2 AZR 1057/12, Abruf-Nr. 141885).

     

    Sachverhalt

    Die ArbN war ursprünglich bei der B-GmbH, die eine Tagespflegeeinrichtung für ältere Menschen und einen ambulanten Pflegedienst betreibt, als Krankenpflegerin gemäß einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15.5.10 tätig. Darüber hinaus heißt es in dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag, dass Nebenabsprachen, Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedürfen. Auf Wunsch der ArbN erfolgte die tatsächliche Arbeitsaufnahme am 26.5.10. Unter dem 25.5.10 wurde die ArbN von der B-GmbH rückwirkend zum 15.5.10 zur Sozialversicherung angemeldet und ab dem 26.5.10 in der Tagespflegeeinrichtung eingesetzt.

     

    Die B-GmbH beschäftigte sieben ArbN in der Tagespflegeeinrichtung und elf im ambulanten Pflegedienst. Unter dem 1.7.10 erklärte die ArbN ihr Einverständnis mit einem Betriebsübergang nach § 613a BGB und der „Überleitung“ ihres Arbeitsverhältnisses auf die neue ArbG, eine GbR. Auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen ArbN in der Tagespflegeeinrichtung wurden auf diese GbR als neue ArbG übergeleitet. Der ambulante Pflegedienst wurde weiterhin von der B-GmbH betrieben. Arbeitsaufgaben und Arbeitsort der ArbN blieben während des gesamten Arbeitsverhältnisses unverändert.

     

    Mit Schreiben vom 15.11.10 kündigte die GbR als neue ArbG das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit … fristgemäß … zum 30.11.10“. Das Kündigungsschreiben ging der ArbN am 15.11.10 (einem Montag) zu. Das Arbeitsgericht und das LAG Mecklenburg-Vorpommern (5 Sa 172/11) haben der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der ArbG führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG führt zunächst aus, dass - wie auch von den Vorinstanzen angenommen - die 6-monatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 15.11.10 erfüllt gewesen sei.

     

    Zwar sei für den Beginn der Wartezeit generell der Zeitpunkt maßgebend, ab dem die Parteien des Arbeitsvertrags ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten begründen wollen. In der Regel sei dies der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme. Dies gelte hingegen nicht, wenn der rechtliche Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Termin der vereinbarten Arbeitsaufnahme nach dem übereinstimmenden Parteiwillen auseinanderfalle. Dies sei im zu entscheidenden Rechtsstreit der Fall. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe am 15.5.10 begonnen, die Parteien hätten, wie auch die Anmeldung der Sozialversicherung zeige, für den 26.5.10 lediglich die tatsächliche Arbeitsaufnahme vereinbart. Darüber hinaus seien sich die Parteien darüber einig gewesen, dass zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Zeitspanne liegen solle, in der die ArbN nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet sei. Gegen ihre Arbeitspflicht habe die ArbN auch nicht verstoßen, da die tatsächliche Arbeitsaufnahme am 26.5.10, wie vereinbart, erfolgt sei.

     

    Auch der 15.5.10 sei als erster Tag in den Ablauf der Wartezeit einzubeziehen. Über diesen Tag hätten sich die Parteien als Beginn des Arbeitsverhältnisses verständigt. Daher habe die Wartezeit mit Ablauf des 14.11.10 nach § 188 Abs. 2, 2. Alt. BGB geendet. Auch die Tatsache, dass es sich bei diesem Tag um einen Sonntag gehandelt habe, sei unerheblich. Zwar bestimme § 193 BGB, dass sich eine Frist zur Abgabe einer Willenserklärung, die an einem Sonntag ende, bis zum Ablauf des nächsten Werktags verlängere. Diese Regelung sei hingegen für die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG bedeutungslos. Bei einer Kündigung handele es sich nicht um eine innerhalb einer Frist abzugebende Willenserklärung. Auch eine entsprechende Anwendung des § 193 BGB sei nicht geboten, da dieser dem Schutz der Interessen desjenigen diene, der eine Willenserklärung abzugeben habe. Dies sei im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 KSchG gerade nicht der Fall. Diese Norm diene in erster Linie den Interessen und dem Schutz des ArbN. Er solle nach einem Bestand von sechs Monaten darauf vertrauen dürfen, dass der ArbG nunmehr nur noch bei sozialer Rechtfertigung eine wirksame Kündigung aussprechen könne.

     

    Zwar sei in einer Entscheidung des BAG vom 3.10.85 (2 AZR 601/84) bei der Berechnung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB die Bestimmung des § 193 BGB für die Fristberechnung als anwendbar angesehen worden. Die Bestimmung sei hingegen nicht mit § 1 Abs. 1 KSchG vergleichbar, da im Falle des § 626 Abs. 2 BGB innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Kenntnis eine außerordentliche Kündigung ausgeschlossen sei.

     

    Da nach Auffassung des 2. Senats des BAG nach den bisherigen Feststellungen des LAG nicht feststand, dass der Betrieb zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als zehn ArbN beschäftigte, hat das BAG den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und zur Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Es sei nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar, ob die ArbG mit einem oder mehreren anderen Unternehmen zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb mit insgesamt mehr als zehn ArbN unterhalte.

     

    Praxishinweis

    Der erste Tag des Arbeitsverhältnisses zählt bei der Fristberechnung der 6-Monatsfrist nach § 1 Abs. 1 KSchG, die für die Anwendbarkeit des KSchG entscheidend ist, mit. Auch Sonn- und Feiertage zählen in vollem Umfang mit. Der Parteivertreter des ArbG muss daher darauf achten, einen Zugang der Kündigung vor Ablauf der Wartezeit sicherzustellen, wenn er eine Berufung des ArbN auf das KSchG erfolgreich verhindern will.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 118 | ID 42744085