· Fachbeitrag · Außerordentliche Kündigung
Keine fristlose Kündigung des ArbN trotzeines Auschwitz-Fotos und Text auf Facebook
| Bei der Einstellung von Bildern eines Konzentrationslagers auf Facebook mit entsprechenden Unterschriften handelt es sich, sofern dies im Kontext nicht erkennbar ist, nicht um von der Meinungsfreiheit gedeckte Satire. Gleichwohl kann eine hierauf gestützte Kündigung im Einzelfall unverhältnismäßig sein, wenn die Interessenabwägung zugunsten des ArbN ausfällt. |
Sachverhalt
Der ArbN war als Zugführer bei der DB beschäftigt. Auf seiner Facebook-Seite war ein Foto zu sehen, welches das Eingangstor des Konzentrationslagers in Auschwitz mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ zeigte. Darunter war in polnischer Sprache zu lesen: „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Dieser polnische Text war auf Anfrage eines Lesers vom ArbN übersetzt worden. Weiter befand sich auf der Seite auch ein Foto des Zugführers in Uniform vor einem Zug des ArbG.
Der Steckbrief des ARbN enthielt überdies die ausdrückliche Angabe, dass er bei der DB Regio AG/S-Bahn Rhein-Neckar und DB Bahn beschäftigt sei. Der ArbG kündigte daraufhin dem ArbN fristlos, hilfsweise ordentlich. Der ArbN entschuldigte sich für die „unüberlegte dumme Tat“ vor Zugang der Kündigung. Als gebürtiger Pole habe er einen anderen Bezug zum Thema Auschwitz. Das Foto stamme aus einer polnischen Satirezeitschrift. Den Text habe er amüsant gefunden. Der ArbG hielt das Verhalten des ArbN vor dem Hintergrund, dass auch Flüchtlinge in ihren Zügen fahren, für untragbar.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Mannheim (19.2.16, 6 Ca 190/15, Abruf-Nr. 190037) hielt sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den ArbG für unwirksam. Das Beschäftigungsverhältnis zum ArbG bestehe vielmehr weiter fort.
Zwar stufe die Kammer das Verhalten des ArbN als Pflichtverletzung ein. Bereits die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung des Eingangstors von Auschwitz oder des Satzes „Arbeit macht frei“ sei in Deutschland „tabuüberschreitend“ und mute in Verbindung mit Flüchtlingen „menschenverachtend“ an. Dass es sich dabei um „Satire“ handele, worauf sich der ArbN berufe, sei objektiv nicht erkennbar. Der auf Facebook eingestellte Text und das Foto seien deshalb auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Beides sei außerdem geeignet, sich zulasten des ArbG „ruf- und geschäftsschädigend“ auszuwirken.
Dennoch falle eine abschließend vorzunehmende Abwägung der Interessen der Parteien zugunsten des ArbN aus. Das gelte insbesondere angesichts des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses über 14 Jahre hinweg. Hierbei müsse auch berücksichtigt werden, dass sich der ArbN unmittelbar danach beim ArbG entschuldigt und das Foto auf seinem Facebook-Account sofort gelöscht habe. Das Gericht machte deutlich, dass es davon ausgehe, dass der ArbN sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht habe, was er mit der Veröffentlichung auf seiner Facebook-Seite auslösen würde.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung stärkt zwar einerseits die Interessen des ArbN, bedeutet aber auf der anderen Seite keine Abkehr von den bisherigen Grundsätzen zur verhaltensbedingten Kündigung wegen rassistischer oder fremdenfeindlicher Betätigung im Internet. Ein solches Verhalten bleibt auch weiterhin geeignet, einen Grund für die (außer-)ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu bilden, wenn der entsprechende Eintrag (auch) konkrete Bezüge zum Arbeitsverhältnis enthält. Auch in solchen Fällen ist aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeits-Prüfung eine Interessenabwägung erforderlich, die zugunsten des ArbN ausfallen kann.
Weiterführende Hinweise
- Volksverhetzende Äußerungen im Internet: Reicht das zur fristlosen Kündigung? Arbeitsgericht Herne in AA 16, 174
- ArbG wertet ohne ArbN-Zustimmung Browserverlauf aus: rechtens? LAG Berlin-Brandenburg in AA 16, 55
- ArbN nutzt Dienst-PC und -DVD für private Raubkopien: BAG in AA 15, 155
- Geschäftsschädigende Äußerungen in „You-Tube“-Video: BAG in AA 15, 8
- Facebook-Seite des ArbG unterliegt nicht der Mitbestimmung: LAG Düsseldorf in AA 15, 51