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  • · Fachbeitrag · Außerordentliche Kündigung

    Zahlungsschwierigkeiten des ArbG als außerordentlicher Kündigungsgrund?

    Eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, kann im Fall der ordentlichen Unkündbarkeit des ArbN und Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten für den ArbN insgesamt in Betracht kommen. Ein hierfür stets erforderlicher wichtiger Grund liegt aber nicht bereits in einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder der drohenden Insolvenz des ArbG, da dieser das wirtschaftliche Risiko zu tragen hat (BAG 24.1.13, 2 AZR 453/11, Abruf-Nr. 132236).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war seit 1974 bei seiner ArbG, der B-KG beschäftigt. Die B-KG schloss im Dezember 2008 mit dem zuständigen Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, einen Transfersozialplan und eine Betriebsvereinbarung zur Durchführung der Transfermaßnahme. Im Folgenden wurden auf diese Vereinbarungen gestützt von der B-KG insgesamt 20 Kündigungen ausgesprochen, die auch den ArbN betrafen.

     

    Dieser schloss am 19.2.09 mit der B-KG und einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, der C-GmbH einen dreiseitigen Vertrag, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur B-KG und die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur C-GmbH für den Zeitraum zwischen dem 1.7.09 und dem 31.3.10 vorsah. In dieser Zeit sollte die C-GmbH „Kurzarbeit Null“ sowie Qualifizierungsmaßnahmen für den ArbN und die weiteren Betroffenen realisieren. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit sah der Vertrag nicht vor. Nachdem die B-KG der C-GmbH zunächst vertragsgemäß Vorschusszahlungen zur Erbringung der Leistungen an die betroffenen ArbN zur Verfügung stellte, teilte am 22.10.09 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B-KG der vorläufige Insolvenzverwalter mit, keine weiteren Zahlungen mehr zu leisten.

     

    Von den 20 Beschäftigten schlossen daraufhin 17 Aufhebungsverträge mit der C-GmbH. In drei Fällen, zu denen der ArbN gehört, wurde dies abgelehnt. Die C-GmbH kündigte am 30.10.09 das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des ArbN, der meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Fristablauf sei der C-GmbH zumutbar gewesen und diese trage das wirtschaftliche Risiko, war vor dem Arbeitsgericht und dem LAG Rheinland-Pfalz (7 Sa 278/10) erfolgreich. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Umstellung der Klage auf den Insolvenzverwalter blieb die hiergegen gerichtete Revision ohne Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG stellt zunächst klar, dass es sich bei dem durch den dreiseitigen Vertrag begründeten Schuldverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt. Hierfür sprächen die Bezeichnung durch die Parteien und die Regelungen zur Vergütung, zum Urlaub und der Entgeltfortzahlung. Das Fehlen einer „echten“ Arbeitspflicht bei „Kurzarbeit Null“ stehe dem nicht entgegen. Der Begriff der Arbeit sei weit auszulegen und umfasse auch die vereinbarten Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Eine weitere Besonderheit dieses Arbeitsverhältnisses sei, dass das vereinbarte Arbeitsentgelt zum einen durch das von der Agentur für Arbeit gezahlte Transferkurzarbeitergeld, zum anderen durch Zahlungen der früheren ArbG (B-KG) aufgebracht werde.

     

    Die außerordentliche Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses durch die C-GmbH vom 30.10.09 sei unwirksam, da es insofern an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB fehle. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung gegenüber ordentlich unkündbaren ArbN komme allenfalls unter Einhaltung einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist in Betracht (so auch zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung: BAG 22.11.12, 2 AZR 674/11, Abruf- Nr. 132237). Dies setze aber voraus, dass der ArbG ohne die außerordentliche Kündigung den ArbN noch für erhebliche Zeit weiter vergüten müsste, ohne dass dem eine Arbeitsleistung gegenüberstünde.

     

    Einen solchen wichtigen Grund vermochte das BAG in Einklang mit den 
Vorinstanzen weder in der schlechten wirtschaftlichen Lage, noch in der (drohenden und später eingetretenen) Insolvenz der C-GmbH oder dem späteren Ausbleiben der Refinanzierungsleistungen durch die Vorarbeitgeberin zu sehen. Diese wirtschaftlichen Risiken seien grundsätzlich von der 
C-GmbH als ArbG zu tragen. Dies hätte sich durch weitere Vorausleistungen gegen das Risiko der Insolvenz der Vorarbeitgeberin absichern können. An der Gestaltung des dreiseitigen Vertrags hätten die C-GmbH, die B-KG und der ArbN in Kenntnis der Risiken mitgewirkt.

     

    Praxishinweis

    Der 2. Senat des BAG behält seine Linie bei, dass außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen ordentlich unkündbarer ArbN bei Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten generell in Betracht kommen. Der ArbG kann dabei, wie bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, seinen Kündigungsentschluss auf inner- oder außerbetriebliche Umstände stützen. Er muss aber darlegen und beweisen, dass keine wie auch immer geartete Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht und ihm das Festhalten am Arbeitsverhältnis deshalb wirtschaftlich unzumutbar ist.

     

    Allein der Vortrag wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder einer drohenden Insolvenz ist nicht ausreichend. Dies gilt insbesondere, wenn diese Schwierigkeiten den Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags bereits bekannt waren.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Wegfall einer Hierarchieebene als Kündigungsgrund: BAG in AA 13, 2
    • Wann sind Leiharbeitsplätze bei betriebsbedingter Kündigung „frei“? Beseler in AA 13, 48
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 135 | ID 42224144