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  • · Fachbeitrag · Betriebsbedingte Kündigung

    Unwirksamkeit einer Kündigung bei Nichtdurchführung des Konsultationsverfahrens

    Hat der ArbG vor Ausspruch einer Kündigung ein nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliches Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nicht durchgeführt, führt dies ebenso wie eine nicht ordnungsgemäß übermittelte Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 S. 2 und 3 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 134 BGB (BAG 21.3.13, 2 AZR 60/12, Abruf-Nr. 133953).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN A war bei dem ArbG bzw. deren Rechtsvorgängerin seit Juli 1976 als Teilezurichter für ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.400 EUR beschäftigt. Zuletzt beschäftigte der ArbG insgesamt noch 36 ArbN. Unter dem 2.8.10 unterrichtete er den bei ihm gebildeten Betriebsrat darüber, dass er plane, das Unternehmen zu liquidieren und allen verbliebenen ArbN zu kündigen. Hierzu überreichte er dem Betriebsrat die schriftliche Kündigung des einzig verbliebenen Auftraggebers, ein Informationsschreiben sowie Anhörungsschreiben zu den beabsichtigten Kündigungen, u.a. die des ArbN A.

     

    Nach Widerspruch des Betriebsrats zu den Kündigungen kündigte der ArbG unter dem 20.8.10 das Arbeitsverhältnis u.a. ArbN A zum 31.3.11. Das Arbeitsgericht und das LAG Düsseldorf (Az: 17 Sa 512/11) haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der ArbG blieb erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Das BAG hat ausgeführt, dass der ArbG vor Ausspruch der Kündigung das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt habe. Das führe zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 134 BGB. Darüber hinaus habe der ArbG keine wirksame Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 S. 2 und 3 KSchG erstattet. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB.

     

    • Das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat, der über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen ArbN die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigen ArbN, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen ArbN und die Berechnung etwaiger Abfindungen zu unterrichten sei, sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Pflicht zur Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG geht über eine bloße Anhörung des Betriebsrats deutlich hinaus. Der ArbG müsse mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeit ihrer Vermeidung verhandeln, bzw. ihm dies zunächst anbieten.

     

    • Zumindest habe der ArbG mit dem Betriebsrat nicht die Möglichkeit beraten, die Entlassungen zu vermeiden, einzuschränken oder ihre Folgen zu mildern. Daher liege ein Verstoß gegen das in § 17 Abs. 2 KSchG geforderte Konsultationsverfahren vor. Das führe zur Unwirksamkeit der Kündigungen nach § 134 BGB. Die Nichtdurchführung des Konsultationsverfahrens sei nach unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Abs. 2 KSchG eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung.

     

    • Darüber hinaus liege keine den Anforderungen gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 und 3 KSchG genügende Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit vor. Der Anzeige habe weder eine Stellungnahme des Betriebsrats beigelegen, noch seien die Anforderungen des § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG erfüllt. So sei der ArbG im Rahmen der ordnungsgemäßen Anzeige verpflichtet, die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beizufügen. Ersatzweise habe der ArbG glaubhaft zu machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige gemäß den gesetzlichen Erfordernissen unterrichtet habe. Zudem muss er den Stand der Beratungen darlegen.

     

    • Die Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen stellten keine solche Stellungnahme dar. Auch die Tatsache, dass nach Behauptung des ArbG die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige als ausreichend angesehen habe, stehe einer Unwirksamkeit der Kündigung nach § 134 BGB nicht entgegen. Eine fehlerhafte Anzeige werde auch nicht durch einen Bescheid der Agentur für Arbeit geheilt (BAG 28.6.12, 6 AZR 780/10, Abruf-Nr. 133954), sodass sich der Bescheid nicht inhaltlich auf den korrekten Ablauf des Konsultationsverfahrens erstrecke.

     

    Praxishinweis

    Unabhängig vom Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrunds, der im Fall der vollständigen Liquidierung des Betriebs wohl gegeben sein dürfte, führen Fehler im Rahmen des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG bzw. bei der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit unheilbar zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 134 BGB.

     

    Der ArbG ist daher gut beraten, solche Formalien einzuhalten, insbesondere mit dem Betriebsrat über die Gründe für die geplanten Entlassungen, deren Zeitraum und die sonstigen Erfordernisse des § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG ein klares, zu dokumentierendes Konsultationsverfahren durchzuführen. Unabhängig von dessen Ergebnissen müssen diese Verhandlungen für eine wirksame Kündigung dokumentiert werden.

     

    Wird gegen diese Pflicht, die von vielen ArbG als lästige Formalie angesehen wird, verstoßen, ist auch die zu erstattende Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG unwirksam, da in solchen Fällen eine wirksame Stellungnahme des Betriebsrats der Massenentlassungsanzeige gar nicht beigefügt sein kann. Auch dies führt als ebenfalls eigenständiger Unwirksamkeitsgrund der Kündigung zu einem Verstoß gegen gesetzliche Verbote nach § 134 BGB.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 7 | ID 42457919