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  • · Fachbeitrag · Verhaltensbedingte Kündigung

    Ablehnung einer arbeitsmedizinischen Untersuchung durch den ArbN

    Ein Verstoß gegen die tarifvertraglich geregelte Pflicht des ArbN, bei gegebener Veranlassung an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit auf Anforderung des ArbG mitzuwirken, kann geeignet sein, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Hierbei hat der ArbG den begutachtenden Arzt nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB auszuwählen. Nur bei rechtzeitiger Erhebung begründeter Bedenken gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des Arztes des ArbN kann dieser unter Umständen verlangen, dass der ArbG einen anderen Arzt mit der Begutachtung betraut (BAG 27.9.12, 2 AZR 811/11, Abruf-Nr. 133951).

     

    Sachverhalt

    Ein bei den Nahverkehrsbetrieben des Landes Berlin angestellter ArbN, der seit über zwei Jahren arbeitsunfähig war, hatte sich mehrfach, auch nach Erteilung einer einschlägigen, wirksamen Abmahnung geweigert, zu einer Untersuchung zur Feststellung der Betriebsdiensttauglichkeit beim betriebsärztlichen Dienst eines Konzernunternehmen zu erscheinen. Hierzu war der ArbN nach § 3 Abs. IV des TV zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin bei gegebener Veranlassung verpflichtet. Die tarifvertraglichen Regelungen räumen der ArbG ein, zu entscheiden, ob die Untersuchung durch den Betriebs- oder einem Vertrauensarzt erfolgen soll.

     

    Die gegen die hierauf durch die ArbG ausgesprochene Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht in erster Instanz abgewiesen, das LAG Berlin-Brandenburg (Az: 18 Sa 592/11) hat unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der ArbG führte zur Rückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.

     

    Entscheidungsgründe

    Der zweite Senat des BAG hat klargestellt, dass ein Verstoß gegen die tarif- oder einzelvertraglich geregelte Pflicht des ArbN, bei gegebener Veranlassung an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit auf Veranlassung des ArbG mitzuwirken, nach den Umständen geeignet sein kann, eine verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung zu rechtfertigen.

     

    Darüber hinaus führte das BAG aus, in der Pauschalbehauptung des ArbN, der vom ArbG bestimmte Vertrauensarzt stehe „im Lager des ArbG“, sei kein begründeter Einwand zu sehen. Das LAG habe aber prüfen müssen, ob für die geforderte Untersuchung eine Veranlassung im Sinne des 3 Abs. 4 TV-N gegeben gewesen sei und der ArbN rechtzeitig berechtigte Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder Fachkunde des betriebsärztlichen Dienstes, an den die ArbG ihn verwiesen habe, vorgebracht habe.

     

    Unter Umständen sei bei der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, ob der ArbN sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über seine Mitwirkungspflichten befunden habe. Es sei dem ArbG hingegen nicht zu verwehren, als Vertrauensarzt einen Arzt des ärztlichen Dienstes zu bestimmen, der von ihm allgemein für derartige Begutachtungsaufgaben bestellt worden sei.

     

    Praxishinweis

    Dem ArbG ist, vor allem außerhalb des Geltungsbereichs entsprechender 
tariflicher Normen, anzuraten, die generelle Verpflichtung zur Mitwirkung an einer betriebsärztlichen oder vertrauensärztlichen Untersuchung klar im Arbeitsvertrag zu regeln. Hierbei ist ggf. auch auszuführen, welche Umstände die „gegebene Veranlassung“ begründen, die die Pflicht zum Erscheinen bei einem Betriebs- oder Vertrauensarzt auslöst. Dies kann zum Beispiel eine längere Arbeitsunfähigkeit und eine hieraus resultierende Ungewissheit über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und deren Zeitpunkt sein.

     

    Kommt der ArbN einer so geregelten Verpflichtung nicht nach, muss er hierfür entweder substanzielle Gründe anführen können, die die Fachkunde oder die Unvoreingenommenheit des Arztes betreffen oder nach einer entsprechenden einschlägigen Abmahnung mit der Kündigung bei dauerhafter Weigerung zur Mitwirkung an der betriebsärztlichen Untersuchung rechnen.

     

    Checkliste / Sanktionen bei Verweigerung ärztlicher Untersuchung

    • Bestehen auf Tatsachen gestützte Zweifel an der Arbeitsfähigkeit oder dem Zeitpunkt des Wiedereintritts (z.B. bei lange über mehrere Monate andauernder Arbeitsunfähigkeit)?

     

    • Wenn ja: Besteht eine arbeits- oder tarifvertraglich geregelte Verpflichtung des ArbN zur (betriebs-)ärztlichen Untersuchung?

     

    • Wenn nein: Gegebenenfalls nach billigem Ermessen über Direktionsrecht des ArbG anzuordnen

     

    • Bei Verweigerung der Untersuchung/Nichterscheinen: Hinreichend konkrete inhaltlich bestimmte Abmahnung durch den ArbG

     

    • Auch bei weiterer Aufforderung weiterhin Weigerung: (fristgemäße) Kündigung kommt als Sanktionsmittel in Betracht
     

    Weiterführende Hinweise

    • Fotoaufnahmen eines ArbN während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit: LAG Rheinland-Pfalz in AA 13, 165
    • Kündigung eines leitenden Angestellten wegen privater Internetnutzung: BAG in AA 13, 39
    • Leitende Angestellte: Kündigung leicht gemacht durch Auflösungsantrag des ArbG? Laskawy/Malek AA 07, 58
    • In diesen Fällen ist bei Zigarettendiebstahl eine verdeckte Videoüberwachung zulässig: BAG in AA 12, 205
    • Kündigung wegen außerdienstlicher Aktivitäten für die NPD: BAG in AA 12, 185
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 3 | ID 42457889