· Fachbeitrag · Verhaltensbedingte Kündigung
Kann einem Teamleiter wegen Verteilens vonFlugblättern gekündigt werden?
| Zwar ist das Verteilen gegen den ArbG gerichteter Flugblätter mit beleidigendem Inhalt generell geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dieses Verhalten muss der ArbG aber im Bestreitensfall beweisen. Der Nachweis der heimlichen Übergabe eines Flugblatts ist insofern nicht ausreichend ( LAG Düsseldorf 16.11.15, 9 Sa 832/15, Abruf-Nr. 146039 ). |
Sachverhalt
Der ArbN ist Teamleiter bei dem ArbG, einem Paketzustellungsunternehmen. Im September 2014 wurden vor dem Betriebstor Flugblätter an Betriebsangehörige in deutscher und türkischer Sprache verteilt. Diese beinhalteten Behauptungen wie zum Beispiel:
- „der (ArbG) behandelt uns wie Sklaven“,
- den „Aushilfen werden ihre elementaren Rechte genommen, wie ihr gesetzlicher Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“,
- „(ArbG) kauft sich unternehmerfreundlichen Betriebsrat“.
Der ArbG wirft dem ArbN vor, dass er die genannten Flugblätter im Rahmen einer Mahnwache im Oktober 2014 vor dem Duisburger Hauptbahnhof verteilt habe. Nachdem eine zuvor deswegen ausgesprochene Kündigung an einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung gescheitert war, kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis am 12.1.15 erneut ordentlich zum 30.4.15. Gegen diese Kün-digung wehrt sich der ArbN mit seiner Klage. Er behauptet, er sei am Tag der Mahnwache wie mit seiner Ehefrau verabredet zu Hause bei seinen Kindern geblieben. Zudem rüge er erneut die Betriebsratsanhörung.
Das Arbeitsgericht Duisburg hat der Klage stattgegeben. Es hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.1.15 nicht aufgelöst worden ist. Zwar könne das Verteilen der Flugblätter eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Nach der durchgeführten Zeugenvernehmung könne dem ArbN aber nicht nachgewiesen werden, dass er die Flugblätter verteilt habe. Soweit ein Zeuge bekundet habe, dass der ArbN ihm ein Flugblatt ausgehändigt habe, reiche dies alleine nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Die Übergabe des Flugblatts sei heimlich erfolgt, ohne dass andere nicht betriebsangehörige Dritte oder die Öffentlichkeit davon Kenntnis nehmen konnten.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Berufung des ArbG wies die 9. Kammer des LAG zurück. Der Inhalt des Flugblatts habe zwar beleidigenden und rufschädigenden Charakter. Nach der durch das Arbeitsgericht Duisburg durchgeführten Beweisaufnahme konnte dem ArbN aber allenfalls nachgewiesen werden, dass er ein einziges Flugblatt aus der Tasche gezogen und einem Betriebsangehörigen gegeben hat. Da der ArbN bereits seit neun Jahren bei dem ArbG beschäftigt und bisher nicht einschlägig abgemahnt worden sei, konnte dieser Vorgang - seine Richtigkeit unterstellt - die ordentliche Kündigung nicht rechtfertigen.
Relevanz für die Praxis
Generell ist es für den ArbG möglich, auf öffentliche beleidigende Kritik mit einer (ordentlichen) verhaltensbedingten Kündigung zu reagieren. In diesem Fall ist ihm aber anzuraten, vorher den Sachverhalt gründlich zu recherchieren, um Überraschungen und Unklarheiten bei einer gerichtlichen Beweisaufnahme im Kündigungsschutzprozess bereits im Vorfeld auszuschließen.
Werden also entsprechende Äußerungen an den ArbG herangetragen, sollte er Gespräche mit dem benannten ArbN oder Dritten führen, um eine beweisbare Tatsachengrundlage herauszuarbeiten.
Weiterführende Hinweise
- Ist eine fristlose Kündigung wegen eines Anrufs beim Gewinnspiel vom ArbG-Telefon rechtens? LAG Düsseldorf in AA 15, 183
- Konkurrenztätigkeit nach fristloser ArbG-Kündigung als neuer Kündigungsgrund? BAG in AA 15, 151
- Vertrauliche SMS führen nicht zur Kündigung: LAG Rheinland-Pfalz in AA 15, 111
- Widerrechtliche Drohung gegenüber dem ArbG als wichtiger Kündigungsgrund? BAG in AA 15, 57