Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Wettbewerbsverbot

    Weiterleitung von Schulungsunterlagen durch Mitarbeiter im Steuerbüro

    von RAin und FAStR Ulrike Fuldner, Aschaffenburg

    Leitet ein Mitarbeiter einer Steuerberatungsgesellschaft E-Mails, die die Steuerberatungsgesellschaft an ihre ArbN zur Vermittlung steuerlicher Informationen übermittelt hat, an einen anderen Steuerberater weiter, ist das ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht und rechtfertigt eine verhaltensbedingte Kündigung. Die ungenehmigte Aufnahme einer geringfügigen Tätigkeit bei einem anderen Steuerberater als Bürokraft ist ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (LAG Rheinland-Pfalz 24.8.12, 9 Sa 80/12, Abruf-Nr. 132393).

     

    Sachverhalt

    Die ArbN war in einer Steuerberatungskanzlei beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte u.a. die Erstellung von Jahresabschlüssen, Gewinnermittlungen und Steuererklärungen sowie von Finanz- und Lohnbuchhaltungen. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass sie ihre gesamte Arbeitskraft ausschließlich für die Belange des ArbG zur Verfügung stellen musste. Jede auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit bedurfte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des ArbG. Vereinbart wurde auch, dass die Zustimmung nur erteilt werden könne, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben nicht behindert und sonstige Interessen des ArbG nicht beeinträchtigt werden.

     

    Der ArbG warf ihr vor, an ihren Lebensgefährten (L), der als selbstständiger Steuerberater tätig war, und an einen anderen Steuerberater (S) von ihrem dienstlichen E-Mail-Account diverse Mails versendet zu haben. Sie leitete u.a. eine vom ArbG an die Mitarbeiter übermittelte Mail mit einer angehängten Verfügung einer OFD zum Thema „steuerliche Berücksichtigung von Reisekosten ab 2008“ am gleichen Tag auch an L weiter. Außerdem sendete sie eine Checkliste hinsichtlich der Erstellung von Bilanzen, die sie über einen Zugang zu einer Datenbank des ArbG heruntergeladen hatte, an S. Schließlich leitete sie an L und S ein Rundschreiben des (beitragspflichtigen) Steuerberaterverbands weiter, das der ArbG an alle Mitarbeiter per Mail verteilt hatte.

     

    Zudem wurde sie von L als geringfügig Beschäftigte mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Monat zu einer Vergütung von 400 EUR angestellt. Dies verschwieg sie ihrem ArbG. Schon vorher hatte sie bei L in dessen Kanzlei und in der gemeinsamen Wohnung Tätigkeiten im Zusammenhang mit dessen steuerberatender Tätigkeit wahrgenommen: Einheften von Unterlagen in Ordner, sonstige Ablage, Einscannen von Dokumenten und entsprechende Zuordnungen in einer Software etc.

     

    Die Kündigungsschutzklage und die Berufung der ArbN vor dem LAG Rheinland-Pfalz blieben erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Weitergabe von steuerlichen Informationen/Checklisten an andere Steuerberater ist ein Verstoß gegen das jedem Arbeitsvertrag immanente Wettbewerbsverbot und eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Das gilt auch, wenn es sich nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt.

    •  

    Die ungenehmigte Aufnahme einer geringfügigen Tätigkeit bei einem anderen Steuerberater als Bürokraft ist ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot. Das gilt auch, wenn die Tätigkeit tatsächlich nur in der verwaltungs
mäßigen Erledigung von Post und dem Einscannen von Dokumenten bestanden hat, weil diese über die bloße Unterstützung im Rahmen einer reinen Hilfstätigkeit hinausgehen. Auch ohne ausdrückliche Regelung schließt der Arbeitsvertrag über den Geltungsbereich des § 60 Abs. 1 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein. Dies gilt grundsätzlich auch für die Ausübung von Nebentätigkeiten - etwa im Rahmen eines weiteren Arbeitsverhältnisses.

     

    Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ist festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen eine Gefährdung/Beeinträchtigung der Interessen des ArbG vorliegt. Bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug sind davon regelmäßig nicht erfasst (BAG 24.3.10, 10 AZR 66/09, Abruf-Nr. 101300).

     

    Bei den genannten Pflichtverletzungen handelt es sich um schwerwiegende Pflichtverletzungen, deren Hinnahme durch den ArbG offensichtlich auch für die Mitarbeiterin erkennbar ausgeschlossen war, sodass eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung entbehrlich war.

     

    Praxishinweis

    Die Aktualität des Wissensstands der Mitarbeiter ist für den Steuerberater ein wichtiges Mittel zur Sicherstellung einer hohen Qualität. Die Qualität der Beratung ihrerseits ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Wenn ein Mitarbeiter Konkurrenten seines ArbG hieran teilhaben lässt, handelt es sich um eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des ArbG. ArbN in vergleichbarer Situation sind gut beraten, wenn sie ihren Chef um Erlaubnis der Weiter
leitung von allgemein zugänglichen Informationen bitten.

     

    Das LAG hat zugunsten der ArbN die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Diese liegt darin begründet, dass das BAG nicht abschließend entschieden hat, ob die Reichweite des Wettbewerbsverbots auf unmittelbare Konkurrenztätigkeiten beschränkt werden muss und bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug nicht erfasst werden. Somit liegt auch keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vor, wie bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug von derartigen mit Wettbewerbsbezug abzugrenzen sind.

     

    Weiterführender Hinweis 

    • Nebentätigkeitsverbote und nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Steuerberatung in KP 09, 28
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 153 | ID 42235735