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  • · Fachbeitrag · Insolvenzanfechtung

    Kein Ausschluss der Anfechtung desInsolvenzverwalters durch Tarifvertrag

    Die Rückzahlungsverpflichtung des ArbN aufgrund einer Insolvenzanfechtung des Insolvenzverwalters ist nicht durch tarifvertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen. Der Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters nach § 143 Abs. 1 InsO ist im Rahmen des bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen (BAG 27.2.14, 6 AZR 367/13, Abruf-Nr. 142747).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war bei der vormaligen ArbG als Kraftfahrer und Bauwerker tätig. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fand der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Dieser sieht u.a. eine zweimonatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis vor.

     

    Nach Abschluss eines Vergleichs über Zahlung rückständiger Vergütung betrieb der ArbN gegen die vorherige ArbG aus diesem Vergleich die Zwangsvollstreckung. Zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zahlte die ArbG im Juni 2011 rückständige Vergütung gemäß dem Vergleich in Höhe von insgesamt 3.584,52 EUR netto. Am 1.7.11 kündigte der ArbN das Arbeitsverhältnis wegen rückständiger Vergütung fristlos. Unter dem 29.8.11 wurde auf den Insolvenzantrag der ArbG vom 21.3.11 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der vorherigen ArbG des ArbN eröffnet.

     

    Die Zahlung der vorherigen ArbG und Insolvenzschuldnerin aus Juni 2011 gegenüber dem ArbN wurde durch den Insolvenzverwalter angefochten, der im Rahmen einer Zahlungsklage die Rückzahlung der insofern gezahlten Beträge vom ArbN verlangt.

     

    Nachdem die Klage in den Vorinstanzen erfolglos blieb, hatte die Revision des Insolvenzverwalters Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Auffassung des 6. Senats des BAG muss der ArbN die im Juni 2011 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung durch die vorherige ArbG gezahlte Nettovergütung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 143 Abs. 1 InsO an die Insolvenzmasse zu Händen des Insolvenzverwalters zurückgewähren.

     

    Der ArbN habe eine inkongruente Deckung erlangt, sodass ein Grund für die Insolvenzanfechtung des Insolvenzverwalters gegeben sei. Eine inkongruente Deckung liege vor, wenn in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag oder nach Stellung des Antrages zur Vermeidung von Zwangsvollstreckung Zahlungen an Gläubiger geleistet würden.

     

    Durch tarifliche Ausschlussfristen sei die gesetzliche Rückzahlungsverpflichtung nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung nicht ausgeschlossen.

     

    Dies finde seinen Grund darin, dass der Rückforderungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO als gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen sei. Es sei hingegen nur das vom Gläubiger der Insolvenzschuldnerin zur Masse zurückzuzahlen, was aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners, also der vormaligen ArbG des ArbN, an den ArbN auch tatsächlich geflossen sei. Somit bestehe lediglich ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des geleisteten Nettoentgelts.

     

    Praxishinweis

    Für Rückgewährsansprüche des Insolvenzverwalters wegen Zahlungen der Insolvenzschuldnerin als ArbG an ihre ArbN ist, wie der gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte entschieden hat, grundsätzlich der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Denn die Rechtsnatur der Ansprüche, nämlich solche aus dem Arbeitsverhältnis, bleibt gleich.

     

    Auf der anderen Seite stellt das Urteil eine deutliche Bevorzugung des Insolvenzverwalters dar, da trotz der gleichbleibenden Rechtsnatur der Rückzahlungsansprüche tarifvertragliche Ausschlussfristen keine Anwendung finden.

     

    Dies wird wohl - erst recht - für rein arbeitsvertragliche Ausschlussfristen gelten müssen. Der Parteivertreter des ArbN ist bei Insolvenzeröffnung über das Verfahren des oder der ArbG für die letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag Rückforderungsansprüchen gegenüber dem Mandanten ausgesetzt. Dies gilt auch, wenn er einen Zahlungstitel erlangt hat und aus diesem vollstreckt,

     

    Checkliste / Vier Schritte: Ablauf einer Insolvenzanfechtung

    Beim Ablauf einer Insolvenzanfechtung sind insgesamt vier Schritte aufseiten des den ArbN vertretenden Parteivertreters zu beachten:

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    • 1. Zahlung des ArbG an ArbN oder Einzelzwangsvollstreckung in das Vermögen des ArbG in den letzten drei Monaten vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Stellung des Eröffnungsantrags.
    •  
    • 2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Einsetzung eines Insolvenzverwalters durch das zuständige Amtsgericht.
    •  
    • 3. Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter bezüglich der unter Punkt 1 genannten Zahlung wegen inkongruenter Deckung nach §§ 131, 143 Abs. 1 InsO.
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    • 4. Bei Bejahung inkongruenter Deckung durch das zuständige Arbeitsgericht: ArbN muss nur tatsächlich erlangten Vermögenszuwachs an die Insolvenzmasse zurückgewähren.
     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Wann ist der Insolvenzverwalter passivlegitimiert? BAG in AA 14, 23
    • Rücktritt vom Beendigungsvergleich wegen Insolvenz des ArbG? BAG in AA 13, 74
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 165 | ID 42947692