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  • · Fachbeitrag · Leserforum

    Was gilt im Überstundenprozess?

    | An dieser Stelle werden zukünftig in „Arbeitsrecht aktiv“ in regelmäßiger Folge Fragen zu aktuellen Rechtsproblemen des Arbeitsrechts aus dem Kreis der Abonnenten, die von allgemeinem Interesse sind, besprochen. In der vorliegenden Ausgabe geht es um die Frage der Darlegungs- und Beweislast in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Überstunden, ein Gebiet auf dem nach zwei aktuellen Entscheidungen des BAG ein gewisses Unsicherheitspotenzial herrscht. |

     

    Frage: Ist durch die aktuelle Rechtsprechung des BAG im Überstundenprozess eine Umkehr der Darlegungslast eingetreten?

     

    Antwort: Nein, zwar hat das BAG in einer Entscheidung vom 16.5.12 (5 AZR 347/11, Abruf-Nr. 122375 in AA 12, 207 ) ausgeführt, dass ein Kraftfahrer, dem bestimmte Fuhren zugewiesen werden, der Darlegungslast für die Anordnung von Überstunden bereits genügen kann, wenn er vorträgt, wann und an welchen Tagen er welche Touren begonnen und beendet hat. Auf diesen Vortrag müsse der ArbG dann substanziiert erwidern. Diese Entscheidung ist hingegen vom 5. Senat des BAG ausdrücklich als Einzelfallentscheidung bezeichnet worden und führte nur zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG. In einer aktuellen Entscheidung ( BAG 10.4.13, 5 AZR 122/12, Abruf-Nr. 133957 ) betont das LAG die Anforderungen an die Darlegung des ArbN, wann er von wann bis wann welche Arbeit geleistet habe, dürften im Rahmen der abgestuften Darlegungslast nicht überspannt werden. Weitere Voraussetzung für die Vergütung von Überstunden sei allerdings ein substanziierter Vortrag, wonach der Arbeitgeber die Überstundenleistung veranlasst habe.

     

    Frage: Was muss der ArbN denn dann auf der zweiten Stufte im Überstundenprozess konkret darlegen?

     

    Antwort: Die Darlegungs- und Beweislast für die Anordnung, Billigung, Duldung geleisteter Überstunden zur Erledigung der geschuldeten Arbeit und deren Erforderlichkeit trägt weiterhin der ArbN. Dieser ist weiterhin Anspruchsteller.

     

    Das bedeutet, dass der ArbN bei Berufung auf eine ausdrückliche Anordnung des ArbG vortragen und im Bestreitensfall beweisen muss, wer, wann und auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.

     

    Frage: Gelten diese Grundsätze auch bei konkludenter Anordnung, Billigung oder Duldung von Überstunden?

     

    Antwort: Konkludent ordnet der ArbG Mehrarbeit an, wenn dem ArbN Arbeit in einem Umfang zugewiesen wird, der unter Ausschöpfung der Leistungsfähigkeit des ArbN nur durch Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. In diesem Fall muss der ArbN darlegen und beweisen, dass eine bestimmte Arbeit, die angewiesen worden war, nicht innerhalb der Normalarbeitszeit zu leisten war. Dabei begründet allein die Anwesenheit im Betrieb oder am Arbeitsort keine Vermutung dafür, dass Überstunden zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.

     

    Eine Billigung von Überstunden bedeutet gleichsam eine nachträgliche Genehmigung. Diese ist dann anzunehmen, wenn der ArbG oder ein Vorgesetzter des ArbN eine bestimmte Anzahl von Überstunden abzeichnet und damit das Einverständnis ausdrückt. Die widerspruchslose Entgegennahme ist insofern nicht ausreichend. Der ArbN muss darlegen und beweisen, wer wann und wie sein Einverständnis mit der Mehrarbeit ausgedrückt haben soll. Will der ArbN sich auf Duldung von Überstunden berufen, muss er darlegen und ggf. beweisen, von welchen, wann geleisteten Überstunden der ArbG in welcher Form Kenntnis erlangt haben soll, und dass es im Anschluss an diese Kenntnis zu einer weiteren Ableistung von Mehrarbeit gekommen ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anordnung, Billigung oder Duldung von Mehrarbeit trägt also weiterhin der ArbN.

     

    PRAXISHINWEIS | Um Probleme im Rahmen des Überstundenprozesses zu vermeiden, empfiehlt sich eine Regelung im Arbeitsvertrag, die genau aufzeigt, wie viele Überstunden in einem bestimmten Zeitraum beispielsweise vom Monatsgehalt umfasst sein sollen. Darüber hinaus können in den Arbeitsvertrag Dokumentations- und Bestätigungspflichten des ArbN hinsichtlich der Mehrarbeit aufgenommen werden sowie das Erfordernis einer schriftlichen Anordnung von Mehrarbeit.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Überstunden: ArbG muss die Vermutung für eine vergütungspflichtige Mehrarbeit 
widerlegen: ArbG Berlin in AA 13, 43
    • Überstundenabgeltung - Änderung der Regeln der Darlegungs- und Beweislast?: BAG in AA 12, 207
    • Inhaltskontrolle der Pauschalabgeltung von Überstunden: BAG in AA 12, 188
    • Objektive Vergütungserwartung bei der Ableistung von Überstunden: BAG in AA 13, 11
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 14 | ID 42458091