26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133927
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 09.04.2013 – 11 Sa 1158/12
1.Stützt sich der Leiarbeitnehmer im equal-pay-Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen.
2.Beruft sich der Leiharbeitnehmer auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er nicht nur dessen Inhalt, sondern auch darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre.
3.Hat der Entleiher im streitigen Zeitraum keine vergleichbaren Arbeitnehmer beschäftigt, ist das Entgelt maßgebend, was er nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen erhalten hätte, sofern der Entleiher ein tarifliches Entgeltschema anwendet und der Arbeitnehmer auf dieser Grundlage für die gleiche Arbeitsaufgabe eingestellt worden wäre.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.06.2012- 8 Ca 4345/11 d - wird kostenpflichtig zur ückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay für den Zeitraum Januar 2008 bis September 2011.
Der Kläger war bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, seit dem 02.05.2007 beschäftigt und der Firma R K GmbH als Außendienstmitarbeiter überlassen. In dem Formulararbeitsvertrag vom 08.05.2007 (Bl. 38 ff. d. A.) ist u.a. eine Bezugnahme auf die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA enthalten. Für die Tätigkeit ist ein Stundenlohn von 7,-- € vereinbart. Mit Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 (Bl. 46 d.A.) haben die Parteien das Arbeitsverhältnis den Tarifverträgen zwischen der AMP und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) in der jeweils gültigen Fassung unterworfen. Durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht am 06.12.2011 (Bl. 167 d.A.) haben die Parteien u.a. ab dem 01.10.2011 die Anwendung der zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. und der DGB Tarifgemeinschaft Zeitarbeit geschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.
Mit der Klage verlangt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, Differenzvergütung von insgesamt 66.255,42 € brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.06.2012 (Bl. 181 ff. d.A.) die Klage, mit der der Kläger die Zahlung der Differenzvergütung auf der Grundlage der Vergütungsgruppe (VG) B 2 der Tarifgruppe R begehrt, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass überhaupt vergleichbare Stammarbeitnehmern der VG B 2 im Entleiherbetrieb vorhanden seien. Zudem habe er nicht dargelegt, über welchen Ausbildungsabschluss er verfüge und welche Fortbildungsmaßnahmen er absolviert habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihm am 08.11.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.11.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verl ängerten Berufungsbegründungsfrist am 30.01.2013 begründet.
Der Kläger meint, er sei vergleichbar mit den 11 sog. Sperrkassierern im Kombi-Außendienst (KAD) der R , die nach der VG B 2 entlohnt würden. Es bestehe lediglich der unmaßgebliche Unterschied, dass er von den Kunden kein Bargeld annehmen dürfe. Unerheblich sei, dass die Entleiherin keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftige. Entscheidend sei, welche Vergütungsregelungen vom Entleiher grundsätzlich auf Stammarbeitnehmer angewendet würden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.06.2012, Aktenzeichen 8 Ca 4345/1 d, nach dem zuletzt gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz. Der Kläger habe keinen einzigen vergleichbaren Arbeitnehmer der Entleiherin benannt. Bei der der Firma R K GmbH seien lediglich zwei Geschäftsführer und 14 leitende Angestellte beschäftigt. Zudem habe der Kläger die Voraussetzungen einer Eingruppierung in die VG B 2 nicht schlüssig dargetan. Seine Berechnung sei fehlerhaft, etwaige Ansprüche zum Teil verfallen und die Beklagte genieße Vertrauensschutz vor Nachforderungen aus dem Gesichtspunkt equal pay für die Vergangenheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 29.01.2013 und 22.03.2013, die Sitzungsniederschrift vom 09.04.2013 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig, denn sie ist nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung nicht deshalb unzulässig, weil sich der Kläger nicht hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandersetzt. Der Kläger tritt der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts zur Darlegungslast von vergleichbaren Arbeitnehmern hinreichend dadurch entgegen, dass er im Einzelnen zur Vergleichbarkeit mit den Stammarbeitnehmern im KAD Stellung bezieht.
II. In der Sache blieb der Berufung der Erfolg versagt, denn das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 66.255,42 € brutto nebst Zinsen nicht schlüssig dargetan hat.
Selbst wenn die Beklagte nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet war, dem Kläger für die Zeit der Überlassung in dem Zeitraum Januar 2008 bis September 2011 an die R K GmbH das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin ihren Stammarbeitnehmern gewährt, so hat der Kläger die Höhe des Anspruchs nicht substantiiert dargelegt.
1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Anspruchs ist nach allgemeinen Grundsätzen der Leiharbeitnehmer. Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Es obliegt sodann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Gelingt es dem Verleiher, die Auskunft des Entleihers zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat. Stützt sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehören vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leiharbeitnehmer auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er nicht nur dessen Inhalt, sondern auch darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre (BAG, Urt. v. 13.03.2013 - 5 AZR 146/12 - m. w. N.). Hat der Entleiher im streitigen Zeitraum keine vergleichbaren Arbeitnehmer beschäftigt, ist das Entgelt maßgebend, was er nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen erhalten hätte, sofern der Entleiher ein tarifliches Entgeltschema anwendet und der Arbeitnehmer auf dieser Grundlage für die gleiche Arbeitsaufgabe eingestellt worden wäre (vgl.: BAG, Urt. v. 13.03.2013 - 5 AZR 294/12 -; BAG, Urt. v. 23.03.2011 - 5 AZR 7/10 -).
2. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Er hat sich zur Darlegung der Höhe einer Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 AÜG nicht auf eine Auskunft der Entleiherin nach § 13 AÜG gestützt. Er hat auch keinen bei der Entleiherin jemals beschäftigten vergleichbaren Stammarbeitnehmer benannt. Demnach ist fiktiv auf die Vergütung abzustellen, die er von der Entleiherin beanspruchen könnte, wenn er von dieser für die gleiche Arbeitsaufgabe eingestellt worden wäre. Diesbezüglich mangelt es zunächst an Vortrag, dass in diesem Fall auch das Entgeltschema des MTV der Tarifgruppe R zur Anwendung gelangt wäre. Auch wenn man die Anwendung dieser tariflichen Entgeltordnung zu Gunsten des Klägers unterstellt, führt dies nicht zum Erfolg der Klage. Der Kläger hat die Voraussetzungen einer Eingruppierung in die VG B 2 nicht schlüssig dargetan. Nach der Anlage 1 zum MTV der Tarifgruppe R vom 27.03.2006 § 16 Oberbegriffe sind in die VG B 2 Mitarbeiter mit Tätigkeiten eingruppiert, für die neben einer abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf in einer einschlägigen Fachrichtung ein höheres Maß an einschlägigen Kenntnissen und Fertigkeiten erforderlich ist oder Tätigkeiten, die eine fachliche Anleitung von Mitarbeitern beinhalten. Der Kläger leitet keine Mitarbeiter fachlich an. Aus welchen Gründen es sich bei den von ihm absolvierten Ausbildungen als Verkäufer (Lebensmittel), Einzelhandelskaufmann (Spirituosen) und Karosseriebauer um Ausbildungen in einer "einschlägigen" Fachrichtung seiner ausgeübten Tätigkeit handeln soll, ist weder dargetan noch ersichtlich. Ebenso bleibt offen, wieso seine Tätigkeit ein höheres Maß an einschlägigen Kenntnissen und Fertigkeiten erfordert. Ein Tatsachenvortrag, der einen wertenden Vergleich zur Ausgangsfallgruppe VG B 1 ermöglichen würde, fehlt in Gänze. Bei aufeinander aufbauenden Tätigkeitsmerkmalen verschiedener Entgeltgruppen hat der Arbeitnehmer grundsätzlich alle Tatsachen darzulegen, die dem Gericht den rechtlichen Schluss ermöglichen, dass er jeweils die für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale und die darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt. Der Tatsachenvortrag muss einen wertenden Vergleich mit den nicht unter das Heraushebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten ermöglichen (BAG, Urt. v. 22.10.2008 - 4 AZR 735/07 - m. w. N.). Darauf, dass die Entleiherin den Kläger - aus welchem Grund auch immer - auch übertariflich vergütet hätte, wenn er von dieser eingestellt worden wäre, hat sich der Kläger nicht berufen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.