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  • 16.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140542

    Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 11.09.2013 – 5 Sa 1128/12

    1Sind Streitgenossen verklagt, muss die Berufungsbegründung nicht zwingend eine eigene Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils enthalten. Es kann genügen, wenn auf den Schriftsatz eines Streitgenossen Bezug genommen wird. Werden von Streitgenossen dieselben fachlichen und verfahrensrechtlichen Angriffe erhoben, kann der Berufungsanwalt auf einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Schriftsatz verweisen, soweit er nach pflichtgemäßer Prüfung sich dessen Inhalt zu Eigen macht und Weiteres nicht vorzubringen hat. Zudem ist bei Streitgenossen grundsätzlich anzunehmen, dass sich ein Streitgenosse das Tatsachenvorbringen des anderen Streitgenossen zu Eigen macht, sofern er nicht widerspricht.

    2Der Arbeitgeber kann auch dann eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, wenn er vorhat, seinen Betrieb zu veräußern. Hierfür ist ein verbindliches Konzept oder Sanierungsplan des Erwerbers erforderlich, dessen Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat. Allein die Forderung des Erwerbers, die Belegschaft vor dem Betriebsübergang zu verkleinern, genügt nicht.


    Tenor:

    1

    Die Berufungen der Beklagen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 17. Oktober 2012- 4 Ca 1739/12 - werden in der Hauptsache zurückgewiesen.

    2

    Der Kostenausspruch des Arbeitsgerichts wird abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagten tragen die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits zu je 1/2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagen zu je 3/8.

    3

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

    Der am 1965 geborene Kläger war bei der R S GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 12. März 1984 beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 28. September 2005 ist ausgeführt: "Der Arbeitnehmer wird eingestellt als kaufmännischer Sachbearbeiter. Die wesentlichen Tätigkeiten umfassen: Maschinen bedienen; einfache Montagetätigkeiten". Nach einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 2. Juli 2010 sollte der Kläger als "Ersatzkraftfahrer im Wechsel" tätig werden. Zuletzt wurde der Kläger als Staplerfahrer und Lagerist eingesetzt.

    Über das Vermögen der R S GmbH wurde am 1. Februar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die R S GmbH hatte 32 Arbeitnehmer. Der Beklagte zu 1) wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verhandelte mit der Beklagten zu 2) über eine Übernahme des Betriebs. Die Beklagte zu 2) entwickelte ein Erwerberkonzept, welches die Übernahme von 17 der 32 der Arbeitnehmer vorsah. In dem Erwerberkonzept vom 15. Juni 2012 war vorgesehen, dass eine Person im Bereich "Lager und Versand" weiterbeschäftigt werden sollte.

    Für die soziale Auswahl wurde ein Punkteschema entwickelt, wegen dessen Ausgestaltung auf das Erwerberkonzept (Bl. 86 ff. d.A.) Bezug genommen wird. Für den Kläger wurden 106 Punkte ermittelt.

    Bei der Schuldnerin waren außer dem Kläger zwei Mitarbeiter als Lagerist tätig. In Umsetzung des Erwerberkonzepts kündigte der Beklagte zu 1) allen Mitarbeitern der Schuldnerin und bot 17 Arbeitnehmern den Abschluss neuer Arbeitsverträge an. Von den bei der Schuldnerin tätigen Lageristen wurde von der Beklagten zu 2) keiner weiterbeschäftigt.

    Mit Schreiben vom 29. Juni 2012 kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis zu 30. September 2012. Die gegen die Wirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage ist am 18. Juli 2012 beim Arbeitsgericht eingegangen.

    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil sie wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Er hat die soziale Auswahl gerügt und mehrere Arbeitnehmer benannt, die mit ihm vergleichbar und weniger sozial schutzwürdig seien.

    Der Kläger hat beantragt,

    1

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 29.06.2012 nicht beendet wird;

    2

    im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Versandleiter weiterzubeschäftigen.

    Die Beklagten haben beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie haben vorgetragen, der Hauptkunde der Schuldnerin sei die Firma E gewesen. Diese habe den Umsatz mit der Schuldnerin 2011/2012 um über die Hälfte reduziert. Die Produktpallette sei derart verringert worden, dass das Lager mit seiner ursprünglichen Vielfalt nicht mehr benötigt werde. Daher habe die Beklagte zu 2) die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Vollzeitstellen der Lageristen entfallen zu lassen und die noch anfallenden Lagerarbeiten den Maschinenbedienern der Stanzautomaten und dem Leiter der Produktion zuzuordnen. Eine soziale Auswahl sei nicht durchzuführen gewesen, weil kein mit dem Kläger vergleichbarer Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werde.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2012 stattgegeben. Gegen das ihnen am 29. Oktober 2012 zugestellte erstinstanzliche Urteil haben die Beklagten am 20. bzw. 21. November 2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Januar 2013 am 28. Januar 2013 begründet. Der Beklagte zu 1) hat hierbei auf die Berufungsbegründung der Beklagten zu 2) Bezug genommen.

    Die Beklagten sind nach wie vor der Auffassung, die Kündigung sei wirksam. Die Beklagte zu 2) habe sich entschlossen, keinen Lageristen mehr weiterzubeschäftigen. Sie wolle in Zukunft keine Hilfsarbeiter, sondern nur noch Arbeitnehmer, die für ihre Arbeit entsprechend qualifiziert seien, einsetzen. Der Kläger weise für keinen der bestehen bleibenden Arbeitsplätze die notwendige Qualifikation auf.

    Der Beklagte zu 1) beantragt,

    unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn die Klage, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet, abzuweisen.

    Die Beklagte zu 2) beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufungen zurückzuweisen.

    Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.

    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Berufung der Beklagten sind zulässig. Sie sind gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurden gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

    Dies gilt auch für die Berufung des Beklagten zu 1).

    1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 18. Mai 2011- 4 AZR 552/09 - AP § 64 ArbGG 1979 Nr. 45; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - NZA 2011, 767; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - BAGE 122, 190; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18).

    Sind Streitgenossen verklagt, muss die Berufungsbegründung nicht zwingend eine eigene Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils enthalten. Es kann genügen, wenn auf den Schriftsatz eines Streitgenossen Bezug genommen wird. Werden von Streitgenossen dieselben fachlichen und verfahrensrechtlichen Angriffe erhoben, kann der Berufungsanwalt auf einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Schriftsatz verweisen, soweit er nach pflichtgemäßer Prüfung sich dessen Inhalt zu Eigen macht und Weiteres nicht vorzubringen hat. Zudem ist bei Streitgenossen grundsätzlich anzunehmen, dass sich ein Streitgenosse das Tatsachenvorbringen des anderen Streitgenossen zu Eigen macht, sofern er nicht widerspricht (BAG 24. Mai 2008 - 8 AZR 268/07 - NZA 2008, 1314).

    2. Danach ist die Berufung des Beklagten zu 1) zulässig, obwohl er sich selbst nicht mit der Begründung des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt hat.

    Die Kammer geht davon aus, dass er sich als Streitgenosse den Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten zu 1) nach pflichtgemäßer Prüfung zu Eigen gemacht hat.

    II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Kündigung vom 29. Juni 2012 ist unwirksam, weil sie nicht durch dringende Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Darauf, ob die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt ist, weil die Beklagte zu 2) die Grundsätze der sozialen Auswahl nicht ausreichend beachtet hat, kommt es nicht mehr an. Insbesondere kann offen bleiben, ob der Beklagte zu 1) gehalten war, die bereits bei der Beklagten zu 2) beschäftigten Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen.

    1. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist Nachzuprüfen ist, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - NZA 2013, 1003; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189).

    Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehlt es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte oder sie lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 20. Dezember 2012- 2 AZR 867/11 - NZA 2013, 1003; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186).

    Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 20. Dezember 2012- 2 AZR 867/11 - NZA 2013, 1003; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186).

    Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen. Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181).

    Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181).

    Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine "wünschenswerte Voraussetzung", sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt. Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit - auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst. Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine "Beförderungsstelle" umzuwandeln. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167).

    Der Arbeitgeber kann auch dann eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, wenn er vorhat, seinen Betrieb zu veräußern. Hierfür ist ein verbindliches Konzept oder Sanierungsplan des Erwerbers erforderlich, dessen Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat. Allein die Forderung des Erwerbers, die Belegschaft vor dem Betriebsübergang zu verkleinern, genügt nicht (BAG 20. März 2003- 8 AZR 97/02 - BAGE 105, 338).

    2. Für die Kündigung besteht nach diesen Grundsätzen kein dringendes betriebliches Erfordernis.

    Dies gilt schon deswegen, weil in dem Erwerberkonzept ausdrücklich vorgesehen ist, dass eine Stelle im Lager und Versand erhalten bleibt. Da den beiden anderen Lagerarbeitern gekündigt worden ist, erschließt sich der Kammer nicht, warum die verbleibende Stelle im Lager nicht dem Kläger angeboten werden konnte.

    Soweit sich die Beklagten darauf berufen, das Erwerberkonzept sei unrichtig, weil tatsächlich keine Stelle im Lager bestehen bleiben sollte, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Auch auf Nachfrage des Gerichts in der Kammerverhandlung hat die Beklagte zu 2) keine Erklärung dafür geben können, warum das Erwerberkonzept - ausgehend von ihrem Standpunkt - teilweise unzutreffende Angaben enthalten soll.

    Darüber hinaus haben die Beklagten nicht dargelegt, wie die verbleibenden Mitarbeiter die weiterhin anfallenden Lagerarbeiten verrichten sollen, ohne überobligatorisch belastet zu werden.

    Hinzu kommt, dass die Beklagten nicht erläutert haben, was mit der weiteren Tätigkeit des Klägers als Ersatzkraftfahrer geschehen sollte. Sie haben auch keine Angaben gemacht, welcher zeitlicher Anteil der Arbeitszeit des Klägers auf diese Tätigkeit entfiel.

    Auf den Umstand, dass der Beklagte zu 1) trotz des erfolgten Betriebsübergangs zunächst allen Arbeitnehmern gekündigt und die Beklagte zu 2) nur einem Teil neue Arbeitsverträge angeboten hat, kommt es nicht mehr an. Die Kammer beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, dass Zweifel an der Dauerhaftigkeit der zur Kündigung führenden unternehmerischen Entscheidung bestehen, weil bei Ausspruch der Kündigung nicht absehbar war, ob nicht doch Arbeitnehmer gebraucht werden würden, die kein neues Arbeitsvertragsangebot erhalten haben.

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. § 100 Abs. 4 ZPO kommt nicht zur Anwendung, weil die Beklagten zwar Streitgenossen, aber keine Gesamtschuldner sind.

    Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

    Vorschriften§ 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1, 5 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 ArbGG, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG