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  • 30.08.2016 · IWW-Abrufnummer 188276

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 03.08.2016 – 4 SaGa 2/16

    1) Haben sich die Tarifvertragsparteien für einen Fall eines genau definierten Falls der Störung der Geschäftsgrundlage tariflich eine Verhandlungspflicht auferlegt, so geht mit Aufnahme dieser Verhandlungen notwendigerweise auch eine Suspendierung der Friedenspflicht einher.

    2) Einzelfallentscheidung zur Frage der Zulässigkeit eines Streiks mit dem Ziel einer zeitlich begrenzten Betriebsfortführung über den vom Arbeitgeber mitgeteilten Stilllegungszeitpunkt hinaus.

    3) Das Streikziel eines Sozialtarifvertrags, der beschäftigungssichernde Maßnahmen in Form einer Übernahme der ausscheidenden Arbeitnehmer bei einem Dritten, der nicht Arbeitgeber dieser Arbeitnehmer ist, enthalten soll, ist rechtswidrig.


    In der Rechtssache
    - Verfügungsklägerin/Berufungsklägerin -
    Proz.-Bev.:
    gegen
    - Verfügungsbeklagte/Berufungsbeklagte -
    Proz.-Bev.:
    hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Stöbe, den ehrenamtlichen Richter Schlegel und den ehrenamtlichen Richter Stocker auf die mündliche Verhandlung vom 03.08.2016
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 16.03.2016 (6 Ga 1/16) wird zurückgewiesen.


    2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen.



    Die Verfügungsklägerin betreibt in P. den städtischen Linienbusverkehr. Sie beschäftigte im März 2016 noch ca. 240 Mitarbeiter, die größtenteils bei der Verfügungsbeklagten gewerkschaftlich organisiert sind. Alleinige Gesellschafterin der Komplementärin und alleinige Kommanditistin der Gesellschaft ist die Stadt P.. Grundlage der von der Verfügungsklägerin zu erbringenden Fahrdienstleistungen ist ein mit der Stadt P. (Eigenbetrieb ..., E.) bestehender Verkehrsvertrag, der zum 10. Dezember 2016 endet.



    Die Stadt P. hat als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs in dem am 02. Mai 2015 erschienenen Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union ihre Absicht bekanntgegeben, mit Wirkung zum 11. Dezember 2016 eine wettbewerbliche Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Busverkehr in der Stadt P. vorzunehmen. Beabsichtigt war, dass die Verfügungsklägerin sich hierauf hätte bewerben sollen. In dieser Vorabbekanntmachung erfolgte jedoch auch der Hinweis, dass Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für (vorrangige) eigenwirtschaftliche Verkehre spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung gestellt werden können. Einen solchen Antrag stellte die Bahntochter R. GmbH (R.). Mit Bescheid des Regierungspräsidiums K. vom 12. Januar 2016 wurde der R. die Genehmigung zur eigenwirtschaftlichen Erbringung der Linienverkehre im Bündel "Stadtverkehr P." erteilt. Die Konzessionsübergabe erfolgt sukzessive für einzelne Linien zum 14. Dezember 2016, 10. Juni 2017 und 10. Dezember 2017. Damit war der Stadt P. die Grundlage entzogen, der Verfügungsklägerin einen neuen Verkehrsvertrag anzubieten. Der Gemeinderat der Stadt P. beschloss daraufhin am 15. März 2016, die Verfügungsklägerin zum 31. Dezember 2016 aufzulösen und den Betrieb stillzulegen.



    Die Verfügungsklägerin ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Es bestehen jedoch diverse mit der Verfügungsbeklagten abgeschlossene Haustarifverträge. Es bestand insbesondere ursprünglich ein sog. Haustarifvertrag (HausTV) vom 04. Juli 2007 (Anlage ASt 1), der im Jahr 2014 gekündigt wurde und mit Tarifvertrag vom 31. Januar 2014/18. Februar 2014 (TV 2014, Anlage ASt 2) wieder mit einzelnen Änderungen in Kraft gesetzt wurde. Im TV 2014 heißt es, soweit vorliegend von Interesse:

    "§ 1 Nr. 5 Beschäftigungssicherung An die Stelle der zum 31.12.2013 auslaufenden Regelung in § 2 Haustarifvertrag tritt folgende Bestimmung: 5.1 Gegenüber kündigungsgeschützten Beschäftigten, die bei der S. zum Stichtag 01.02.2014 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, ist eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in der Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.12.2026 ausgeschlossen. 5.2 Ausnahmsweise sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen dann zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (z.B. durch Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, drohenden Verlust von Leistungen, Genehmigungen und Aufträgen) so ändert, dass die S. zu Maßnahmen greifen muss, die sie zur Anzeige gem. § 17 Abs. 1 KSchG verpflichten."



    Im HausTV befinden sich ua. folgende mit dem TV 2014 wieder in Kraft gesetzte Regelungen:

    "§ 22 Anwendung weiterer Tarifverträge (1) Neben diesem Tarifvertrag sind die nachfolgenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden: a) Der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 ... § 26 Inkrafttreten ... (5) Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, bei drohendem Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit oder drohendem Verlust von Leistungen bei einem oder mehreren Unternehmen bzw. in vergleichbaren Fällen gravierender Veränderungen der Geschäftsgrundlage für diesen Tarifvertrag unverzüglich in Verhandlungen einzutreten. In diesen Fällen werden die Tarifvertragsparteien insbesondere aus ursächlichen Veränderungen der Marktsituation die notwendigen Folgerungen im Sinne einer zielgerichteten Fortschreibung dieses Tarifvertrages ableiten, damit ihr Hauptanliegen (Sicherung des Geschäftes und der öffentlichen Arbeitsplätze) unverändert verfolgt werden können. ..."



    Der TV 2014 ist nach Maßgabe eines Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags vom 15. Juli./23. Juli 2015 (Anlage ASt 3) erstmalig zum 30. Juni 2018 kündbar.



    Auf Aufruf der Verfügungsbeklagten wurde der Betrieb der Verfügungsklägerin im Zeitraum 09. März 2016 bis 06. Juni 2016 an insgesamt 28 Tagen bestreikt, jeweils ohne Vorankündigung. Auch nach dem 06. Juni 2016 gab es im Juni 2016 weitere datumsmäßig nicht näher konkretisierte Streikmaßnahmen. Jedenfalls seit Juli 2016 fanden keine weiteren Streikmaßnahmen mehr statt. Die Verfügungsbeklagte verfolgt(e) ausweislich ihrer Streikaufrufe und Verlautbarungen (Anlagen ASt 7 und ASt 10 bis 22) das Ziel einer Verlängerung des Bestandschutzes der Arbeitsverhältnisse der Busfahrer über den 31. Dezember 2016 hinaus bis mindestens Juni 2017 und eine Betriebsfortführung der Verfügungsklägerin bis dahin. Dies vor dem Hintergrund, dass die Konzession für den größten Teil der Buslinien des Stadtverkehrs noch bis Juni 2017 bei der Verfügungsklägerin liegt. Außerdem begehrt(e) die Verfügungsbeklagte den Abschluss eines Sozialtarifvertrags, der ua. beschäftigungssichernde Übernahmen der Busfahrer bei der Stadt P. vorsehen soll. Die Verfügungsbeklagte forderte hierzu wiederholt "konkrete Arbeitsplatzangebote und intelligente Lösungen im Sinne des § 22 Haus-TV". Die Stadt P. solle an den Verhandlungen teilnehmen und eine Übersicht der bei der Stadt zur Verfügung stehenden Stellen iSd. § 22 HausTV vorlegen.



    Die Verfügungsklägerin hat mittlerweile allen Busfahrern betriebsbedingt gekündigt. Es ist eine Vielzahl an Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Pforzheim anhängig. Inzwischen sind insbesondere aufgrund vergleichsweiser Regelungen ca. 120 Mitarbeiter bei der Verfügungsklägerin ausgeschieden.



    Die Verfügungsklägerin hat seit ca. Mitte April 2016 einen ständigen Ersatzverkehr eingerichtet, der an streikfreien Tagen (teilweise) parallel zum normalen Busbetrieb fährt.



    Die Verfügungsklägerin vertrat die Auffassung, die Streiks der Verfügungsbeklagten seien rechtswidrig und deshalb zu untersagen.



    Sie meinte, die Verfügungsbeklagte verstoße gegen die relative Friedenspflicht, weil der TV 2014 Kündigungsregelungen enthalte und über den wieder in Kraft gesetzten HausTV auch Regelungen über den Sozialschutz bei Beendigungen.



    Sie meinte, die Verfügungsbeklagte verfolge mit ihrem Arbeitskampf tariflich nicht regelbare Ziele. Die Verhinderung einer Stilllegung könne tariflich nicht geregelt werden und verletze im Übrigen ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Auch die Forderung, dass die Stadt P. "mit an den Tisch" solle, sei unzulässig. Die Stadt P. sei nicht Arbeitgeberin der Busfahrer und somit nicht Tarifvertragspartei.



    Die Verfügungsbeklagte beantragte:

    1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die im Betrieb der Antragstellerin beschäftigt sind, während der Laufzeit des Tarifvertrags zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vom 31.01.2014 und 18.02.2014 nebst Nachtrag vom 19.05.2014, geändert und ergänzt durch Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15.07.2015 und 23.07.2015, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Arbeitsniederlegungen, aufzurufen oder aufrufen zu lassen, um den Abschluss eines Sozialtarifvertrages oder sonstigen Tarifvertrages zu erzwingen, der a) das Recht der Antragstellerin zu Kündigungen aus dringenden betrieblichen Gründen über die bereits geltenden Regelungen in § 1 Nr. 5 des Tarifvertrags vom 31.01.2014 und 18.02.2014 hinaus einschränken würde und/oder b) eine Fortführung des Betriebs der Antragstellerin über den 31.12.2016 hinaus bestimmt und/oder c) eine Beteiligung der Stadt P. als Partei eines solchen Tarifvertrags vorsieht. 2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise - für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihre gesetzlichen Vertreter [die Mitglieder des Bundesvorstandes B. (Vorsitzender), K. (Stellvertretende Vorsitzende), W. (Stellvertretender Vorsitzender), G., W., M., S., B., G., K., P., S., B., N.] angedroht.



    Die Verfügungsbeklagte beantragte,

    die Anträge zurückzuweisen.



    Sie meinte, ihre Streiks seien rechtmäßig.



    Über § 26 Abs. 5 HausTV sei ihr eine Verhandlungspflicht auferlegt. Daraus folge, dass für einen Sozialtarifvertrag keine Friedenspflicht gelten könne, zumal es einen Sozialtarifvertrag auch noch nicht gebe.



    Das Ziel des Abschlusses eines Sozialtarifvertrages sei auch tariflich regelbar. Bezogen auf die Stadt P. habe sie nur an deren politische Verantwortung, auch als Gesellschafterin der Verfügungsklägerin, appelliert.



    Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Verfügungsklägerin mit Urteil vom 16. März 2016 zurückgewiesen. Es führte zur Begründung aus, der Verfügungsklägerin stehe schon kein Verfügungsanspruch zur Seite. Die Verfügungsbeklagte habe nicht gegen die Friedenspflicht verstoßen. Es läge ein Störfall iSv. § 26 Abs. 5 HausTV vor, der die Verfügungsbeklagte zur Aufnahme von Verhandlungen verpflichtet habe. Es wäre aber ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG, wenn man der Verfügungsbeklagten bei bestehender Verhandlungspflicht die begleitenden Kampfmittel untersagen wollte. Ein Sozialtarifvertrag bestehe noch nicht und sei auch tariflich regelbar. Auch eine kurzfriste Fortführung des Betriebs sei in großzügiger Interpretation ein tariflich regelbares Ziel. Das Ziel, die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch zu bringen, sei als politischer Appell an deren Verantwortung als Gesellschafterin gemeint gewesen und müsse vom Streikaufruf getrennt werden.



    Dieses Urteil wurde der Verfügungsklägerin am 29. März 2016 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung, die am 15. April 2016 beim Landesarbeitsgericht einging und die innerhalb der bis 13. Juni 2016 verlängerten Begründungsfrist am 13. Juni 2016 begründet wurde. Ein Hauptsacheverfahren wurde von der Verfügungsklägerin nicht eingeleitet.



    Die Verfügungsklägerin rügt eine Verletzung materiellen Rechts.



    Sie vertritt die Auffassung, es läge schon keine Veränderung der Geschäftsgrundlage vor, da § 1 Nr. 5.2 TV 2014 gerade von der Bestandssicherung gem. § 1 Nr. 5.1 TV 2014 abweichende Regelungen für einen Störfall wie den vorliegenden vorsehe. Hätten die Tarifvertragsparteien ungeachtet der Laufzeit des TV 2014 eine Suspendierung der Friedenspflicht gewollt, hätten sie dies ausdrücklich regeln müssen.



    Der Begriff "Sozialtarifvertrag" sei eine bloße Worthülse. Es gebe bei der Verfügungsklägerin bereits ein umfassendes Tarifvertragswerk zur Beschäftigungssicherung und zum Rationalisierungsschutz.



    Ein Streik gegen die unternehmerische Stilllegungsentscheidung an sich greife unzulässig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische Organisationsfreiheit der Verfügungsklägerin ein.



    Aus den Streikaufrufen und Verlautbarungen der Verfügungsbeklagten ergebe sich, dass es der Verfügungsbeklagten nicht nur um eine politische Verantwortung der Stadt P. gegangen sei. Die Stadt P. habe deshalb einbezogen werden sollen, weil ein ausreichendes Betriebsvermögen für die gewünschten Sozialmaßnahmen bei der Verfügungsklägerin nicht bzw. nicht ausreichend vorhanden sei. Eine Verpflichtung der Stadt P. wäre ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter.



    Zum Verfügungsgrund trägt die Verfügungsbeklagte vor, jede einzelne Arbeitsniederlegung hätte massive Auswirkungen auf den gesamten Stadtverkehr und erhebliche drittschädigende Folgen. Die Aufrechterhaltung und der Ausbau des Ersatzverkehrs koste viel Geld.



    Die Verfügungsklägerin beantragt:

    1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 16. März 2016 - Az. 6 Ga 1/16 - wird abgeändert. 2. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die im Betrieb der Verfügungsklägerin beschäftigt sind, während der Laufzeit des Tarifvertrages zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten vom 31. Januar 2014 und 18. Februar 2014 nebst Nachtrag vom 19. Mai 2014, geändert und ergänzt durch Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 15. Juli 2015 und 23. Juli 2015, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Arbeitsniederlegungen, aufzurufen oder aufrufen zu lassen, um den Abschluss eines Sozialtarifvertrages oder sonstigen Tarifvertrages zu erzwingen, der a) das Recht der Verfügungsklägerin zu Kündigungen aus dringenden betrieblichen Gründen über die bereits geltenden Regelungen in § 1 Nr. 5 des Tarifvertrages vom 31. Januar 2014 und 18. Februar 2014 hinaus einschränken würde und/oder b) eine Fortführung des Betriebs der Verfügungsklägerin über den 31. Dezember 2016 hinaus bestimmt und/oder c) eine Beteiligung der Stadt P. als Partei eines solchen Tarifvertrages vorsieht. 3. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise - für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihre gesetzlichen Vertreter [die Mitglieder des Bundesvorstandes B. (Vorsitzender), K. (Stellvertretende Vorsitzende), W. (Stellvertretender Vorsitzender), G., W., M., S., B., G., K., P., S., B., N.] angedroht.



    Die Verfügungsbeklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.



    Sie hält die Antragstellung der Verfügungsklägerin für zu unbestimmt und außerdem wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache für unzulässig.



    Sie verweist nochmals darauf, dass das Streikziel eine Absicherung der Arbeitsplätze der Busfahrer sei entsprechend den Regelungen des § 22 HausTV iVm. den Regelungen des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09. Januar 1987 (TV Ratio Ang) wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage iSd. § 26 Abs. 5 HausTV.



    Dass eine Teilnahme von Vertretern der Stadt P. bei den Verhandlungen gewünscht sei, liege angesichts deren hundertprozentiger Gesellschafterstellung auf der Hand, da diese allein in der Lage sei, die finanziellen Rahmenbedingungen eines Sozialtarifvertrags zu flankieren. Dies sei aber nur eine politische Forderung.



    Sie hält einen Verfügungsgrund nicht für gegeben. Ihr Vertreter gab im Berufungstermin zu Protokoll, dass aktuell keine weiteren Streikmaßnahmen geplant seien. Angesichts des von der Verfügungsbeklagten eingesetzten Dauerersatzverkehrs und angesichts inzwischen ausgeschiedener 120 Mitarbeiter sei ihre Kampfkraft deutlich geschwächt.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.



    A



    Die Anträge der Verfügungsklägerin sind zulässig.



    1. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Anträge der Verfügungsklägerin dem Bestimmtheiterfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügen sollten. Die Verfügungsbeklagte führte hierzu auch nichts Weiteres aus.



    2. Die Frage, ob die Verfügungsbeklagte eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, ist erst im Rahmen des Verfügungsgrundes zu prüfen.



    B



    Das Begehren der Verfügungsklägerin ist nicht begründet.



    I.



    Das Arbeitsgericht hat zumindest im Ergebnis zu Recht die angegriffenen Arbeitskampfmaßnahmen nicht untersagt. Es liegt jedoch ein Verfügungsanspruch vor. Lediglich fehlt es der Verfügungsklägerin (zumindest mittlerweile) am Verfügungsgrund.



    1. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Arbeitskampf ist nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich zulässig (BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09; Kissel Arbeitskampfrecht § 65 Rn. 9; Däubler/Bertzbach Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 24 Rn. 8). Bei einer Unterlassungsverfügung, wie im vorliegenden Fall, ist der Verfügungsanspruch ein Unterlassungsanspruch, der sich entweder aus der tarifvertraglichen Friedenspflicht, dem Recht auf Durchführung eines Arbeitskampfes aus Art. 9 Abs. 3 GG unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung gezogenen Grenzen sowie aus den Regelungen der §§ 823 Abs. 1 BGB und § 1004 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) ergeben kann. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist, dass die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes oder der einzelnen Arbeitskampfmaßnahmen dargelegt und glaubhaft gemacht wird (LAG Baden-Württemberg 24. Februar 2016 - 2 SaGa 1/15; LAG Baden-Württemberg 31. März 2009 - 2 SaGa1/09).



    In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Rechtswidrigkeit der (bevorstehenden) Arbeitskampfmaßnahmen eindeutig oder offenkundig sein muss oder ob schon eine "einfache" Rechtswidrigkeit ausreichend ist. Angesichts der bloß verminderten Richtigkeitsgarantie des Eilverfahrens und seines bloß summarischen Prüfungsumfangs ist jedoch eine offenkundige Rechtswidrigkeit zu fordern (LAG Baden-Württemberg 24. Februar 2016 - 2 SaGa 1/15 -; Däubler/Bertzbach Arbeitskampfrecht 3. Aufl. Kap. 24 Rn. 21).



    Eine solche offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn die Rechtswidrigkeit allein aufgrund einer eindeutigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festgestellt werden kann, wenn also keine rechtsfortbildenden Überlegungen angestellt werden müssen (Däubler/Bertzbach Arbeitskampfrecht 3. Aufl. Kap. 24 Rn. 21).



    2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist jedenfalls eine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Arbeitskampfmaßnahmen wegen Verletzung der relativen Friedenspflicht nicht festzustellen.



    a) Ein Tarifvertrag schützt in seinem schuldrechtlichen Teil, zu dem die Friedenspflicht gehört, die Tarifvertragsparteien davor, hinsichtlich der tariflich geregelten Materien mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06; BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02). Die Friedenspflicht muss nicht gesondert vereinbart werden. Sie ist dem Tarifvertrag als Friedensordnung immanent (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06; BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06).



    Die Friedenspflicht endet mit Ablauf der betreffenden tariflichen Regelungen (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06). Die Tarifvertragsparteien können über die relative Friedenspflicht aber auch verfügen (Däubler/Reinfelder Arbeitskampfrecht 3. Aufl. Kap. 15 Rn. 5). Auch ganz ungewöhnliche, bei Abschluss des Tarifvertrages unvorhergesehene und von dessen Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklungen können es möglich erscheinen lassen, die Friedenspflicht entfallen zu lassen (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02).



    Soweit von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ. Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelung zu ermitteln (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02; Däuber/Reinfelder Arbeitskampfrecht 3. Aufl. Kap. 15 Rn. 14).



    b) Zumindest soweit die Verfügungsbeklagte eine Verlängerung bzw. Erweiterung des Kündigungsschutzes über den 31. Dezember 2016 hinaus bis mindestens Juni 2017 forderte, liegt ein Verstoß gegen die Friedenspflicht nicht vor.



    aa) Die Parteien haben unter § 1 Nr. 5.1 TV 2014 bereits ausdrücklich eine Beschäftigungssicherung durch Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 31. Dezember 2026 geregelt. Aber ebenso ausdrücklich haben die Parteien unter § 1 Nr. 5.2 TV 2014 auch geregelt, dass ausnahmsweise betriebsbedingte Beendigungskündigungen dann zulässig sein sollen, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage so ändern sollte, dass die Verfügungsklägerin zu Maßnahmen greifen müsste, die massenentlassungsanzeigepflichtig im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG wären. Als Geschäftsgrundlage wird in dieser Regelung ausdrücklich der Verlust der Eigenwirtschaftigkeit sowie der drohende Verlust von Leistungen, Genehmigungen und Aufträgen bezeichnet. Dass der vorliegende Konzessions- und Auftragsverlust ein solcher Störfall im Sinne von § 1 Nr. 5.2 TV 2014 ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der TV 2014 trifft somit eine eindeutige Regelung zu Kündigungen und würde somit selbst für den vorliegenden Störfall Arbeitskämpfe für eine hiervon abweichende anderweitige Regelung sperren.



    bb) Über § 1 Nr. 1 TV 2014 wurde aber zugleich auch § 26 HausTV wieder in Kraft gesetzt. § 26 HausTV beinhaltet vor allem in seinen Absätzen 1 bis 3 Regelungen zu Beginn und Ende, insbesondere zur Kündbarkeit des Tarifvertrags, die durch § 2 TV 2014 abgeändert wurden. Nicht abgeändert wurde § 26 Abs. 5 HausTV. Darin verpflichteten sich die Parteien, bei Veränderungen der Geschäftsgrundlage unverzüglich wieder in Verhandlungen für diesen Tarifvertrag einzutreten. Als solche wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage wurde der drohende Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, der drohende Verlust von Leistungen oder vergleichbare Fälle gravierender Veränderungen genannt. Eingebettet in Regelungen zur Beendigung des Tarifvertrags sahen die Tarifvertragsparteien entsprechend der Regelung in § 313 BGB somit für gewisse Fallgestaltungen einen Abänderungsbedarf. Die Geschäftsgrundlage für diesen Abänderungsbedarf wurde ausdrücklich benannt. Diese Abänderungen sollten durch Verhandlungen zustande kommen. Wenn die Parteien aber entsprechend der Regelung des § 313 BGB sich eine Verhandlungspflicht auferlegen, so liegt darin immanent eine Suspendierung der Friedenspflicht. Denn Verhandlungspflicht und Friedenspflicht schließen sich gegenseitig aus. Die Verfügungsbeklagte zu Führung von Tarifvertragsverhandlungen ohne das Recht zum Streik zu verpflichten, wäre eine unzulässige und gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoßende Zurücksetzung der Rechte der Verfügungsbeklagten auf ein "kollektives Betteln" (BAG 12. September 1984 - 1 AZR 342/83). Einer ausdrücklichen Aufnahme der Suspendierung der Friedenspflicht für diese Fälle bedurfte es daher nicht.



    Dass eine solche in § 26 Abs. 5 HausTV beschriebene Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt in Form eines Verlusts von Leistungen oder in Form einer vergleichbaren gravierenden Veränderung der Geschäftsgrundlage, ist nach dem Verlust der Konzession und dem bevorstehenden Verlust des Verkehrsvertrages offenkundig.



    cc) Dass für ein- und denselben Fall des Leistungs- und Genehmigungsverlusts in § 1 Nr. 5.2 TV 2014 Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen sind und in § 1 Nr. 1 TV 2014 iVm. § 26 Abs. 5 HausTV eine Verhandlungspflicht, kann nur so aufgelöst werden, dass die Kündigungsmöglichkeiten (nur) so lange bestehen sollen bis im Rahmen von Verhandlungen Lösungen gefunden werden, die angesichts des aufgetretenen Störfalls die Hauptanliegen beider Seiten (Sicherung des Geschäfts und der Arbeitsplätze) wieder zu einem Ausgleich bringen.



    c) Auch soweit beschäftigungssichernde Maßnahmen entsprechend § 22 HausTV gefordert wurden und werden, liegt darin zumindest noch kein Verstoß gegen die Friedenspflicht.



    aa) Zwar ist es erklärtes Ziel der Verfügungsbeklagten, im Rahmen eines Sozialtarifvertrags beschäftigungssichernde Regelungen entsprechend § 22 HausTV zu erzielen. Dies würde grundsätzlich zwar gegen die aus dem TV 2014 resultierende Friedenspflicht verstoßen, weil § 22 HausTV und damit auch der TV Ratio Ang über § 1 Nr. 1 TV 2014 bereits geltendes Tarifrecht sind.



    bb) Die Parteien haben hierbei jedoch übersehen, dass beschäftigungssichernde Maßnahmen bei einer Stilllegung gar nicht vom Geltungsbereich des TV Ratio Ang umfasst sind.



    Gem. § 1 Abs. 1 TV Ratio Ang sind Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne dieses Tarifvertrages nämlich nur vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise. Eine gänzliche Betriebsstilllegung des einzigen Betriebes (anders als möglicherweise die Stilllegung eines von mehreren Betrieben) des Arbeitgebers fällt nicht hierunter. Diese dient nicht dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, sondern vielmehr der Aufgabe jeglicher betrieblicher Tätigkeit (LAG Baden-Württemberg 13. Januar 2014 - 1 Sa 14/13 - nv.; LAG München 28. Juli 2005 - 2 Sa 86/05; bereits zur Vorgängerregelung: BAG 17. März 1988 - 6 AZR 634/86).



    Beschäftigungssichernde sozialtarifliche Regelungen bestehen bislang zwischen den Parteien nicht.



    3. Ein Verfügungsanspruch liegt auch noch nicht darin begründet, dass die Verfügungsbeklagte mit der Forderung nach einer Betriebsfortführung über den 31. Dezember 2016 hinaus, mindestens bis Juni 2017, ein tariflich nicht regelbares Ziel verfolgt hätte.



    a) Arbeitskämpfe dürfen nur zur Durchsetzung tariflich regelbarer Ziele geführt werden. Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02). Das bedeutet zugleich, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02; BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54). Es kommt aber nicht darauf an, ob die begehrte tarifliche Regelung eine solche aus dem normativen Teil oder eine solche des schuldrechtlichen Teils ist (Däubler Tarifverträge zur Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 S. 81).



    b) Diese Grundsätze angewendet, ergibt Folgendes:



    aa) Soweit sich das Ziel der Verfügungsbeklagten darauf beschränkt, lediglich eine Verlängerung des Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse der Busfahrer über den 31. Dezember 2016 hinaus erreichen zu wollen, handelt es sich um ein (normativ) tariflich regelbares Ziel, das sich allenfalls mittelbar auf die unternehmerische Entscheidung auswirken kann, weil es deren Umsetzung teurer und gegebenenfalls unattraktiv macht. Die Höhe der Streikforderung hat aber auf die Kampfparität keinen Einfluss und darf demnach auch keiner Rechtskontrolle unterzogen werden. Die Grenze liegt erst in einer gezielten wirtschaftlichen Existenzvernichtung des Gegners. Diese wäre vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG nicht mehr gedeckt (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06). Diese Grenze ist vorliegend bei Weitem nicht überschritten.



    bb) Problematischer stellt sich die Rechtslage dar, soweit die Verfügungsbeklagte nicht nur einen längeren Bestandsschutz für die Arbeitnehmer fordert, sondern zugleich eine Betriebsführung seitens der Verfügungsklägerin bis zumindest Juni 2017.



    (1) Ohne Zweifel sind auch Kampfziele, eine Betriebsstilllegung oder Betriebsverlagerung zu verhindern, solche, bei denen es um die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geht, auch wenn eine entsprechende Regelung nur in einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Tarifvertrages möglich ist (ErfK/Linsenmaier 16. Aufl. Art. 9 GG Rn. 116). Zu beachten ist aber, dass ein solches Kampfziel erheblich in die zugunsten des Arbeitgebers grundrechtlich geschützte Berufswahlfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Es bedarf daher eines Ausgleichs der widerstrebenden Grundrechtspositionen, um zu entscheiden, ob und welche Bereiche unternehmerischer Betätigung, die zugleich Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen darstellen, aus dem Bereich des durch Arbeitskampf Erkämpfbaren herauszunehmen sind (Hessisches LAG 9. September 2015 - 9 SaGa 1082/15). Was der einzelne Arbeitgeber nur persönlich entscheiden kann, darf nicht durch Streikdruck erzwungen werden. Bei Kapitalgesellschaften und Großunternehmen haben aber Standortentscheidungen regelmäßig keine derart persönliche Dimension. Daraus folgt für die Zulässigkeit von Streiks ein differenzierter Grenzverlauf, können doch Betriebsänderungen oder Schließungen das Ergebnis höchst unterschiedlicher Unternehmensentscheidungen sein (ErfK/Linsenmeier 16. Aufl. Art. 9 GG Rn. 75 und 116). Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24. April 2007 (1 AZR 252/06) offengelassen hat, ob die Forderung auf Verzicht einer geplanten Betriebsänderung zulässig wäre, ist zu berücksichtigen, dass die tarifvertragsfreie Unternehmensautonomie jedenfalls nicht so weit gehen kann, dass die Gewerkschaft darauf beschränkt wäre, nur soziale Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen zu regeln. Der Regelungsauftrag des Art. 9 Abs. 3 GG besteht auch dann, wenn sich die wirtschaftliche und soziale Seite einer unternehmerischen Maßnahme nicht trennen lassen. Der Regelungsauftrag ist dann auch auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung gerichtet (BAG 3. April 1990 - 1 AZR 123/89; ebenso: Däubler Tarifverträge zur Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 S. 45; ders. in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. Kap. 13 Rn. 41).



    (2) Vorliegend hat die Verfügungsbeklagte jedenfalls nicht den gänzlichen Verzicht auf die unternehmerische Stilllegungsentscheidung gefordert. Sie verlangte "lediglich" eine Verschiebung des Stilllegungszeitpunkts und eine Fortführung des Betriebs für den Zeitraum, für den noch eine Konzession für einen Großteil der Buslinien vorlag, nämlich bis Juni 2017. Für diesen Zeitraum hat selbst der Gemeinderat der Stadt P. ausweislich der Beschlussvorlage Q. unterschiedliche Szenarien auch mit Fortführung diskutiert, wenn auch letztlich verworfen, vor allem aus kommunalwirtschaftsrechtlichen und EU-beihilferechtlichen Erwägungen. In diesem Gesamtumfeld kann zumindest keine Rede davon sein, dass die Streikforderung der Verfügungsbeklagten offenkundig rechtswidrig gewesen wäre.



    4. Rechtswidrig handelt die Verfügungsbeklagte jedoch, soweit sie das Ziel verfolgt, die Stadt P. im Rahmen tariflicher beschäftigungssichernder Maßnahmen mit einbinden zu wollen.



    a) Ein Tarifziel kann nur rechtmäßig sein, wenn es auch vom Gegner des Arbeitskampfes, also der anderen Tarifvertragspartei, erfüllt werden soll. Forderungen, die bei einem erstrebten Haustarifvertrag nicht vom bekämpften Arbeitgeber erfüllt werden sollen, sondern von Dritten, sind rechtswidrig.



    b) Dies angewendet, müssen die Äußerungen der Verfügungsbeklagten differenziert betrachtet werden.



    aa) Soweit lediglich gefordert wurde, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch solle, kann dies tatsächlich noch losgelöst vom eigentlichen Streikziel des Abschlusses eines Sozialtarifvertrags betrachtet werden. Denn selbstverständlich ist es wünschenswert, unmittelbar mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen, die letztlich das Gesamtvolumen der gewünschten Sozialforderungen bezahlen sollen, zumal die Verfügungsklägerin vorliegend ohnehin auf Zuschüsse der Stadt P. als Gesellschafterin angewiesen ist. Insoweit handelte es sich tatsächlich nur um einen begleitenden politischen Appell und nicht um die eigentliche Tarifforderung, die weiterhin der Abschluss eines Sozialtarifvertrages ist.



    bb) Jedoch kann die Forderung, dass die Stadt P. mit an den Verhandlungstisch soll, nicht losgelöst vom Inhalt des erstrebten Sozialtarifvertrags gesehen werden. Die Verfügungsbeklagte bekundete in ihren Streikaufrufen und Verlautbarungen mehrfach, dass es ihr um beschäftigungssichernde Maßnahmen in einer entsprechenden Anwendung von § 22 HausTV in Verbindung mit dem TV Ratio Ang gehe, somit um die anderweitige Unterbringung der bei der Verfügungsklägerin wegen der Stilllegung ausscheidenden Busfahrer. Da die Verfügungsklägerin über keine anderweitigen Betriebe zur Unterbringung der Busfahrer verfügt, geht es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze bei der Stadt P.. Dies äußerte die Verfügungsklägerin auch deutlich zum Beispiel im Streikaufruf vom 04. März 2016. Darin heißt es unter anderem, dass eine Übersicht über alle bei der Stadt zur Verfügung stehenden Stellen (im Sinne des § 22 HausTV) vorgelegt werden sollen. Deshalb sollen auch die Vertreter der Stadt P. bei den zukünftigen Verhandlungen teilnehmen. Dass es der Verfügungsbeklagten gerade um diese beschäftigungssichernde Unterbringung auf anderen Arbeitsplätzen bei der Stadt P. ging, bestätigten die Vertreter der Verfügungsbeklagten im Berufungstermin auf Nachfrage der Kammer nochmals ausdrücklich. Dies geht aber über einen bloßen Appell an die politische Verantwortung weit hinaus. Es sollten auch für die Stadt P. verbindliche Regelungen zur Unterbringung von Busfahrern getroffen werden. Ein solches Ziel zu Lasten eines Dritten, der nicht als Arbeitgeber Tarifvertragspartei ist, ist eindeutig unzulässig.



    5. Obwohl somit der Verfügungsklägerin ein Verfügungsanspruch zur Seite steht, war das arbeitsgerichtliche Urteil dennoch nicht abzuändern. Der Verfügungsklägerin fehlt es nämlich (zumindest inzwischen) am ebenfalls gebotenen Verfügungsgrund.



    a) Neben dem Verfügungsanspruch setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung als Verfügungsgrund voraus, dass die Gefahr des endgültigen Rechtsverlusts besteht. Hier ist eine Interessenabwägung der beteiligten Parteien vorzunehmen, in die sämtliche in Betracht kommenden materiellrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Seiten einzubeziehen sind. Hierbei kann neben der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage auch von Bedeutung sein, dass ein Schadenersatzanspruch gemäß § 945 ZPO bei einem Erfolg des Verfügungsgegners im Hauptprozess nicht in der Lage ist, die entstandenen Nachteile auszugleichen. Auch muss bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, welchen Umfang die gestellten Anträge haben. Anträge, die den Arbeitskampf insgesamt verhindern sollen, greifen in die grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen des Verfügungsgegners so stark ein, dass der Kernbereich des Grundrechts aus Artikel 9 Abs. 3 GG gefährdet sein kann. Weniger stark wird eingegriffen, wenn lediglich die Rechtswidrigkeit einzelner Kampfhandlungen im Rahmen der einstweiligen Verfügung geltend gemacht wird. Wegen des zeitlich begrenzten Rahmens von Arbeitskampfmaßnahmen führt in der Regel ihre Untersagung auch zu einer endgültigen Entscheidung. Dies gebietet, dass Einschränkungen der Kampfmöglichkeiten der Parteien im Arbeitskampf durch einstweilige Verfügungen nur in ganz seltenen Fällen vorgenommen werden. Da es gerade Wesen des Arbeitskampfes ist, durch Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf den jeweiligen Gegner einzuwirken, kann nicht jede Schädigung, die durch Kampfmaßnahmen eintritt, den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen. Vielmehr müssen schon erhebliche und unverhältnismäßige wirtschaftliche oder sonstige Schäden durch die rechtswidrigen Kampfmaßnahmen eintreten, die das Eingreifen durch das Gericht notwendig erscheinen lassen (LAG Baden-Württemberg 24. Februar 2016 - 2 SaGa 1/15; LAG Baden-Württemberg 31. März 2009 - 2 SaGa 1/09; Germelmann/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 62 Rn. 114).



    b) In einer Gesamtabwägung der Interessen kann eine solche Dringlichkeit, die die Untersagung des Streiks durch einstweilige Verfügung gebieten würde, nicht erkannt werden.



    aa) Zugunsten der Verfügungsklägerin ist zwar einzustellen, dass die Streikmaßnahmen wegen Verfolgung des tariflich nicht regelbaren Ziels der Einbindung der Stadt P. in tarifliche beschäftigungssichernde Maßnahmen offenkundig rechtswidrig war und die Weiterverfolgung dieses Ziels auch weiterhin rechtswidrig ist.



    Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass der von der Verfügungsklägerin zur Abwendung der Streikfolgen inzwischen dauerhaft eingerichtete Ersatzverkehr eine erhebliche Kostenbelastung darstellen dürfte, auch wenn diese zusätzlichen Kosten von der Verfügungsklägerin zu keinem Zeitpunkt benannt wurden.



    Ob diese Kostenbelastung inzwischen existenzgefährdend sind, vermag mangels Vortrags der Verfügungsklägerin nicht beurteilt werden.



    Dass Dritte, insbesondere Fahrgäste, von den Busfahrerstreiks betroffen sind, liegt in der Natur der Sache und ist hinzunehmen.



    Auch die Stadt P. hat keinen (eigenen) Schaden. Sie muss sich auf die von der Verfügungsbeklagten gestellten Forderungen schlicht nicht einlassen.



    bb) Zugunsten der Verfügungsbeklagten ist dagegen einzustellen, dass die Ablaufstörungen, die die Sicherstellung des öffentlichen Beförderungsauftrags betreffen, mittlerweile durch den von der Verfügungsklägerin dauerhaft eingerichteten Ersatzverkehr weitestgehend abgewendet sind.



    Die Ersatzverkehre dienen inzwischen angesichts des bereits erfolgten Ausscheidens von ca. der Hälfte der Belegschaft teilweise auch der Kompensation des Regelverkehrs.



    Nach den zu Protokoll gegebenen Bekundungen der Verfügungsbeklagten sind jedenfalls aktuell keine weiteren Streikmaßnahmen geplant. Die Vertreter der Verfügungsbeklagten erklärten für die Kammer nachvollziehbar, dass angesichts des durch Externe betriebenen Ersatzverkehrs und angesichts des Ausscheidens von bereits 120 Mitarbeitern derzeit kein Ansatz gesehen werde, noch wirkungsvolle Kampfstärke aufbringen zu können.



    Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte seit Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens am 11. März 2016 mittlerweile nahezu fünf Monate hat ins Land gehen lassen, ohne ein Hauptsacheverfahren einzuleiten. Auch wenn der Verfügungsbeklagten selbst im einstweiligen Verfügungsverfahren die volle Ausschöpfung der Berufungs- und Begründungsfristen nebst Verlängerung zugestanden werden muss, ohne dass daraus Rechtsnachteile abgeleitet werden dürfen (Humberg NZA 2014, 1007), so hätte die Verfügungsklägerin bei rechtzeitiger Einleitung eines Hauptsacheverfahrens voraussichtlich mittlerweile schon ein vorläufig vollstreckbares erstinstanzliches Urteil erstreiten können. Wenn sie dies nicht tut, sich im einstweiligen Verfügungsverfahren aber nach fünf Monaten weiterhin auf eine Dringlichkeit beruft, so hat sie diese jedenfalls inzwischen selbst widerlegt. Die Verfügungsklägerin nutzte das Verfügungsverfahren zuletzt quasi nur noch als "Ersatzhauptsacheverfahren".



    Die Verfügungsklägerin scheint angesichts des derzeit funktionierenden und parallel zum Regelbetrieb laufenden dauerhaften Ersatzbetriebs ausreichend geschützt. Die dadurch von der Verfügungsbeklagten verursachten Mehrkosten kann sie von dieser im Rahmen des Schadenersatzes geltend machen. Anhaltspunkte, dass die Verfügungsbeklagte zur Deckung dieser Schäden nicht in der Lage sein sollte, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht.



    II.



    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



    2. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.

    Stöbe
    Schlegel
    Stocker

    Verkündet am 03.08.2016

    VorschriftenArt. 12 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 3 GG, § 64 Abs. 7 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, §§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB, § 17 Abs. 1 KSchG, § 313 BGB, § 945 ZPO, Artikel 9 Abs. 3 GG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 4 ArbGG