12.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230173
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 24.03.2022 – 13 Sa 998/21
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 KSchG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat im Rahmen der Konsultation schriftlich über die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zu unterrichten. Beabsichtigt der Arbeitgeber, in wesentlichem Umfang von den Kriterien der Sozialauswahl abzuweichen, die er dem Betriebsrat bei Einleitung des Konsultationsverfahrens mitgeteilt hat, muss er den Betriebsrat hiervon unterrichten. Unterlässt er dies, ist eine nach den veränderten Kriterien für die Sozialauswahl ausgesprochene Kündigung wegen Verletzung der Unterrichtungspflicht unwirksam.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.09.2021 - 5 Ca 1874/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten "außerordentlich, betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist" ausgesprochenen Kündigung, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine aus der früheren I. Fluggesellschaft mbH hervorgegangene, international agierende deutsche Fluggesellschaft mit Sitz in I.-M.. Sie beschäftigte (Stand 16.04.2021) 2.151 Mitarbeiter, wovon 527 dem Cockpitpersonal angehörten. Auf Grundlage des zwischen der Beklagten und der Vereinigung Cockpit e. V. geschlossenen Tarifvertrags für das Cockpitpersonal vom 31.10./26.11.2012 (im Folgenden: TV PV Cockpit) ist bei ihr eine Personalvertretung für das Cockpitpersonal gebildet. Entsprechendes gilt für das Kabinenpersonal. Es besteht zudem eine Gesamtvertretung Bord nach § 28 TV PV Cockpit. Der im Juni 1969 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 04.09.2000 als Kapitän zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt 14.340,48 € beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet der Arbeitsvertrag vom 24.10.2000 (Anlage K 1, Bl. 12 ff. d. A.), wobei zum 01.12.2016 eine Umstationierung nach E. stattfand (Anlage K 3, Bl. 23 d. A.).
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag Nr. 6 für das Cockpitpersonal der U. GmbH vom 05.03.2021 (im Folgenden: MTV Cockpit) Anwendung. In diesem heißt es:
In einer Protokollnotiz zum MTV Nr. 6 vom 05.03.2021 (Bl. 690 f. d. A.) hat sich die Beklagte verpflichtet, bis zum 31.12.2022 einen Personalbestand von mindestens 370 Köpfen im Bereich des Cockpitpersonals beizubehalten.
Am 05.03.2021 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung Bord einen Interessenausgleich (Anlage K 10, Bl. 80 ff. d. A.), der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
Parallel verhandelte die Beklagte mit der Personalvertretung Cockpit bis zum 11.03.2021 einen Sozialplan (Anlage K 11, Bl. 86 ff. d. A.), der in § 4 unter 4. Richtlinien zur Durchführung der Sozialauswahl vorsieht. Diese regeln insbesondere mit den Kapitänen und den First Officern (Co-Piloten) zwei Vergleichsgruppen. Zudem bestimmen sie unter Festlegung eines Punkteschemas, dass für die soziale Auswahl die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung maßgebend sind. Nach § 4 unter 5. erfolgt die Sozialauswahl über das gesamte Cockpitpersonal an allen Stationen und innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppen. Unter 6. heißt es sodann:
Unter dem 11.03.2021 (Anlage B 12, Bl. 348 ff. d. A.) leitete die Beklagte gegenüber der Gesamtvertretung Bord - nachdem diese zuvor von den Personalvertretungen Cockpit und Kabine dazu bevollmächtigt worden war - das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein. Mit Schreiben vom 18.03.2021 hörte sie die Personalvertretung Cockpit zu einer beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist des Klägers mit Wirkung zum 31.12.2021 an (Anlage B 10, Bl. 343 ff. d. A.). Am 19.03.2021 führten die Beklagte und die Gesamtvertretung Bord einen Beratungs- und Konsultationstermin durch. Am Ende dieses Termins erklärte der Vorsitzende der Gesamtvertretung Bord, es seien keine weiteren Fragen mehr offen; weitere Erklärungen sollten nicht abgegeben werden. Mit Schreiben vom 25.03.2021 widersprach die Personalvertretung Cockpit der Kündigung (Anlage K 7, Bl. 62 f. d. A.).
Am 27.03.2021 erstattete die Beklagte sowohl bei der Agentur für Arbeit in Hannover als auch bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf (Anlage B 13, Bl. 391 ff. d. A.) eine Massenentlassungsanzeige. Mit Schreiben vom 29.03.2021 bestätigte die Agentur für Arbeit Düsseldorf den vollständigen Eingang der Massenentlassungsanzeige am 27.03.2021 (Anlage B 14, Bl. 429 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 27.03.2021, welches der Kläger am 30.03.2021 erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit "sozialer Auslauffrist" zum nächstzulässigen Termin, welcher nach ihrer Berechnung der 31.12.2021 sei. Daneben sprach die Beklagte weiterem Bordpersonal Kündigungen aus, so dass jeweils 185 Kapitäne und Copiloten verblieben. Dabei nahm sie u. a. die Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz von den Kündigungen aus.
Mit seiner am 16.04.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 27.04.2021 zugestellten Klage hat sich der Kläger u. a. gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt.
Er hat das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse bestritten. Die Kündigung verstoße zudem gegen § 33 Abs. 2 MTV Cockpit. Da er mehr als 15 Jahre ununterbrochen bei der Beklagten beschäftigt sei, könne die Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen. Ein solcher wichtiger Grund für die Kündigung liege nicht vor. Der Kläger hat zudem eine ordnungsgemäße Sozialauswahl mit Nichtwissen bestritten. Die im Sozialplan enthaltene Auswahlrichtlinie sei fehlerhaft, weil die Kriterien der Sozialauswahl nicht ausgewogen berücksichtigt seien. Ferner seien die Bildung der Vergleichsgruppen - Kapitäne und First Officer - sowie die stationsübergreifende Sozialauswahl grob fehlerhaft. Auch verstoße die Kündigung gegen § 4 Nr. 6 des Sozialplans. Die Beklagte habe die Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz aufgrund von Elternzeit oder Pflegezeit nicht komplett aus der Sozialauswahl herausnehmen dürfen. Weiter hat der Kläger bestritten, dass die von der Beklagten als Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausgenommen Mitarbeiter über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Insbesondere habe die Beklagte bei der Sozialauswahl auch sog. Area-Manager herausgenommen, wobei diese keine nennenswerten Zusatzqualifikationen benötigten. Er hat bestritten, dass das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Die Beklagte habe dieses fehlerhaft durchgeführt, weil sie im Unterrichtungsschreiben fälschlich den Eindruck erweckt habe, bei Mitarbeitern mit Sonderkündigungsschutz behördliche Zustimmungen einzuholen, ohne ihre abweichende Handhabung bis zum abschließenden Beratungs- und Konsultationstermin am 19.03.2021 richtigzustellen. Schließlich hat er auch die ordnungsgemäße Anhörung der Personalvertretung Cockpit und die Ordnungsgemäßheit der Massenentlassungsanzeige bestritten. Der Personalvertretung seien unzureichende und fehlerhafte Angaben gemacht worden, so dass sich diese kein umfassendes Bild habe machen können.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat vorgetragen, der Kündigung liege die unternehmerische Entscheidung zu Grunde, die Flotte auf 22 Flugzeuge zu verkleinern, sechs der ursprünglich elf betriebenen Stationen zu schließen und in diesem Rahmen das Streckennetz neu zu strukturieren. Der mit der Flottenreduzierung korrespondierende Entfall des Beschäftigungsbedarfs trete spätestens mit Ende des Sommerflugplans zum 31.10.2021 ein, da während des Winterflugplans (01.11.2021 bis 30.04.2021) auch für 22 Flugzeuge keine Auslastungsmöglichkeit bestehe. Wegen des im Sozialplan vereinbarten Beschäftigungsbedarfs von 370 Mitarbeitern des Cockpitpersonals werde daher spätestens zum 31.12.2021 nur noch ein Beschäftigungsbedarf für höchstens jeweils 185 Kapitäne und Copiloten bestehen. Ausgehend von der künftigen Flottengröße von 22 Flugzeugen bestehe bei dem maßgeblichen Crewfaktor von 7,05 FTE (jeweils pro Kapitänen und Copiloten) operativ nur noch Beschäftigungsbedarf für 310 FTE. Unter Berücksichtigung von Teilzeiten, Elternzeiten, Pflegezeiten und weiteren vorübergehenden Arbeitsausfällen entspreche dies nach ihren Prognosen einem Bedarf von 340 Mitarbeitern nach Köpfen im Bereich des Cockpitpersonals. Bei der Ermittlung des Beschäftigungsbedarfs von 310 FTE habe sie anknüpfend an ihre Erfahrungswerte aus der Vergangenheit eine Reserve von ca. einem Viertel der gesamten FTE für Urlaube, Krankheiten und sonstige vorübergehende Arbeitsausfälle eingeplant. Die Reduzierung der Flotte sei im Sozialplan nur deswegen als "schrittweise" bezeichnet worden, weil Ausflottungsvorgänge sich nicht taggenau planen ließen.
Der tarifliche Sonderkündigungsschutz stehe der außerordentlichen Kündigung nicht entgegen. Als wichtigen Grund benenne der § 33 Abs. 2 Satz 2 MTV Cockpit ausdrücklich eine Betriebsänderung nach § 66 TV PV. Der tarifvertragliche Sonderkündigungsschutz sei für diesen Fall suspendiert. Schon der Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 2 MTV Cockpit sei eindeutig. Eine zweckorientierte Auslegung führe erst recht zur Zulässigkeit der außerordentlichen Kündigung im Fall der - hier gegebenen - Betriebsänderung.
Die Bildung der Vergleichsgruppen Kapitäne und Copiloten bilde die flugbetrieblich und aus öffentlich-rechtlichen Gründen zwingend erforderliche Zusammensetzung der Cockpitcrews ab. Eine Einbeziehung von Mitarbeitern mit Sonderkündigungsschutz in die Sozialauswahl sei nicht geboten gewesen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei den zuständigen Behörden Anträge auf Zulässigerklärung zu stellen, bestehe nicht. Ein hier vorliegender Personalabbau, der nicht auf einer Betriebsstilllegung, sondern im Wesentlichen auf einer Flottenverkleinerung beruhe, sei zudem kein "besonderer Fall" im Sinne der maßgeblichen Bestimmungen des BEEG, PflegeZG, FPflegeZG; es sei davon auszugehen, dass die Aufsichtsbehörden die Anträge auf Zulässigerklärung abgelehnt hätten. Sie hat behauptet, die Durchführung der Sozialauswahl gemäß den Auswahlrichtlinien im Sozialplan innerhalb der beiden Vergleichsgruppen Kapitäne und First Officer unter Berücksichtigung der Herausnahme von Mitarbeitern der Personalvertretungen, Leitungspersonal und Leistungsträgern aus der Sozialauswahl habe ergeben, dass der Kläger mit 101 Punkten an Rangstelle 215 der Sozialauswahlliste stehe, so dass er nicht zu den 185 nicht zu kündigenden Kapitänen gehöre.
Weder im Flugbetrieb noch im Unternehmen der Beklagten bestünden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die dem Kläger hätten angeboten werden können oder müssen. Die seitens der Personalvertretung im Rahmen des Widerspruchs gegen die Kündigung benannten Stellen bestünden entweder nicht oder der Kläger sei für diese nicht geeignet.
Aus der Tatsache, dass Kollegen des Klägers teilweise Mehrflugstunden aufwiesen, könne nicht abgeleitet werden, dass der Beschäftigungsbedarf über den 31.12.2021 hinaus fortbestünde. Zunächst handele es sich bei Mehrflugstunden nicht um Überstunden, sondern um Stunden über der tariflich festgelegten Grenze, ab der Piloten eine zusätzliche Vergütung zu zahlen sei. Zur Frage des Beschäftigungsbedarfs seien Mehrflugstunden daher von vornherein begrenzt aussagefähig. Ferner beruhten die Mehrflugstunden nicht auf einem unvorhergesehenen hohen Beschäftigungsbedarf, sondern ließen sich im Wesentlichen auf unvorhergesehene Änderungen im Flugplan zurückführen, wie z. B. Ausfall anderer Kollegen aufgrund von Arbeitsbefreiungen, Impfterminen, Freistellungen und Krankmeldungen.
Die Konsultation der Gesamtvertretung Bord sei ordnungsgemäß gewesen. Als der letzte Beratungs- und Konsultationstermin stattfand, hätten die Gesamtvertretung Bord und die Personalvertretung Cockpit aufgrund der Übergabe der Anhörungsunterlagen zu den Beendigungskündigungen am 18.03.2021 an die Personalvertretung Cockpit gewusst, dass Mitarbeiter mit gesetzlichem Kündigungsschutz nicht in die Sozialauswahl einbezogen wurden.
Mit Urteil vom 07.09.2021 hat das Arbeitsgericht nach den Klageanträgen erkannt.
Gegen das ihr am 04.10.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.11.2021 Berufung eingelegt und diese mit einem am 06.12.2021 (Montag) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Zur Begründung ihrer Berufung führt sie aus, das Arbeitsgericht habe den Tarifvertrag fehlerhaft ausgelegt. Es habe § 33 Abs. 2 MTV Cockpit künstlich aufgespalten. Dieser sei so zu verstehen, dass der tarifliche Sonderkündigungsschutz im Fall einer Betriebsänderung nicht greife. Die Kündigung sei daher am Prüfungsmaßstab einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zu messen. Auch wenn sie die streitgegenständliche Kündigung als außerordentliche bezeichnet habe, seien alle formellen Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung beachtet worden. Anders als das Arbeitsgericht meine, sei sie gerade nicht davon ausgegangen, dass das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis nur noch außerordentlich kündbar sei. Das Arbeitsgericht habe zudem überzogene Anforderungen an ihre Darlegungslast betreffend den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gestellt. Es habe nicht gewürdigt, dass sich alle Verhandlungspartner einig gewesen seien, dass nur noch ein Beschäftigungsbedarf für höchstens 370 Mitarbeiter verbleibe. Ihr Geschäft sei von deutlichen saisonalen Schwankungen geprägt. Im Winter werde nur ca. 50 % der Auslastung des Sommergeschäfts erreicht. Die Restrukturierung sei auf einen durchgängig ganzjährig wirtschaftlich arbeitenden Flugbetrieb ausgelegt. Selbst wenn sich die Buchungslage in der U.-Gruppe verbessere, sei sie nicht in der Lage, mehr als 22 Flugzeuge durchgängig auszulasten. Die U. Deutschland GmbH plane ihr touristisches Programm als Reiseveranstalter ab dem Jahr 2022 bis zum 31.12.2026 mit einer bei ihr einzukaufenden Sitzplatzkapazität von nicht mehr als 20 Flugzeugen bzw. nach dem Ende der Leistungen für F. im Umfang von zwei Flugzeugen mit dann ab dem Ende der Sommersaison 22 Flugzeugen. Das führe zu einem erheblichen Wegfall von Beschäftigungsbedarf. Dieser trete bereits mit dem Ablauf der Sommersaison 2021 ein. In der anschließenden Wintersaison werde die Flottengröße auf 25 Flugzeuge reduziert sein. Davon seien lediglich 22 als Bedarf eingeplant, von denen wie jeden Winter für durchschnittlich zwei Flugzeuge umfangreichere Wartungsarbeiten eingeplant seien. Durchschnittlich zwei weitere Flugzeuge seien Reserve-Flugzeuge für den Fall kurzfristig auftretender technischer Störungen oder für unvorhergesehenen Bedarf. Sie verweist darauf, vor den Verhandlungen über einen Interessenausgleich habe ihre Geschäftsführung mit Zustimmung des Aufsichtsrats eine Reduzierung sogar auf 17 Flugzeuge geplant. Der Crewfaktor von 7,05 FTE je Flugzeug und der in Abhängigkeit von dem erwarteten Flugprogramm geplante Beschäftigungsbedarf sei dabei selbst Teil ihrer unternehmerischen Entscheidung. Ausgangspunkt der Planung sei eine Orientierung an den Sommermonaten, in denen der höchste Beschäftigungsbedarf bestehe, und zwar nach ihren Prognosen die Monate Juni und Juli 2022. In diesen Monaten prognostiziere sie inklusive Simulatortraining ein Flugvolumen von 8.826 Blockstunden je Berufsgruppe pro Monat. Diese Zahl habe sie durch die Anzahl der von einem in Vollzeit tätigen Piloten monatlich leistbaren Blockstunden geteilt. Diese Anzahl (ohne Urlaubs-, Krankheits- und sonstige Fehlzeiten) betrage je Berufsgruppe 83 im Monat. Eine vertragliche Wochenarbeitszeit bestehe für Flugpersonal nicht. 8.826 geteilt durch 83 ergebe 106,5, also für beide Gruppen zusammen 213. Je Berufsgruppe habe sie sodann 9,5 FTE für Spare-Kapazitäten (d. h. für Ersatzflugzeuge) und als operativen Puffer hinzugefügt, was zu einer Gesamtsumme von 232 FTE führe. Diesen Wert habe sie - auf der Grundlage der Erfahrungen der letzten drei Jahre - nochmals um 78 FTE erhöht (38,4 für Urlaub, 15,4 für krankheitsbedingte Ausfälle, 14,4 für Bürotätigkeiten, 8,4 für Tätigkeiten von Funktionsträgern, 1,0 für Bildungsurlaube). Für die "peak"-Monate habe sich also insgesamt ein operativer Beschäftigungsbedarf von 310 FTE ergeben. Bei diesen Berechnungen habe sie zu Gunsten der Mitarbeiter außer Acht gelassen, dass aufgrund eines am 05.03.2021 vereinbarten Tarifpakets eine höhere Produktivität möglich sei. Nach ihren Erfahrungen böten 310 FTE unter Berücksichtigung von Teil-, Eltern- und Pflegezeiten operative Beschäftigungsmöglichkeiten für 340 Köpfe des Cockpitpersonals. Der Umfang der Mitarbeiter mit gesetzlichem Sonderkündigungsschutz ändere hieran nichts, auch weil bei diesen bei 35 Mitarbeitern die entsprechenden Zeiten bereits vor dem 31.12.2021 wieder enden würden. Die Differenz zu den tatsächlich verbleibenden 370 Mitarbeitern werde durch den ab dem 01.01.2022 bis zum 31.12.2026 geltenden Tarifvertrag Sonderteilzeit (Bl. 678 ff. d. A.) ausgeglichen. Die Herausnahme von Mitarbeitern mit gesetzlichem Kündigungsschutz nach dem BEEG, PflegeZG und FPflegeZG aus der Sozialauswahl sei rechtlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Anhörung der Personalvertretung Cockpit zur Kündigung habe diese neben dem Schreiben vom 18.03.2021 Listen - getrennt nach Kapitänen und Copiloten - mit den Sozialdaten sämtlicher Beschäftigten, den vom Personalabbau betroffenen Beschäftigten inklusive der für jeden auf der Grundlage der Auswahlrichtlinien im Sozialplan ermittelten Sozialpunkte erhalten.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Entgegen der Ansicht der Beklagten betrage die regelmäßige Arbeitszeit eines Piloten 70 Blockstunden monatlich. Die Prognose der Beklagten zu den operativ leistbaren Blockstunden lasse außer Acht, dass es infolge der ältere Mitarbeiter bevorzugenden Sozialauswahl künftig zu steigenden Krankheitszeiten kommen werde. Auch werde der Umstand, dass aufgrund der Stationsschließungen zahlreiche Mitarbeiter pendeln müssten, zu einer Erhöhung der Teilzeitanträge führen. Die tatsächliche Entwicklung zeige, dass die Beklagte ihr Flugprogramm mit der reduzierten Beschäftigungszahl nicht leisten könne. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, da der Sozialplan nicht wirksam zustande gekommen sei. Er sei zunächst nur von dem nicht alleinvertretungsberechtigten Personalleiter unterschrieben worden. Die Unterschrift des Geschäftsführers sei lediglich eingescannt worden. Bei der von der Beklagten als Anlage B 22 (Bl. 537 d. A.) vorgelegten weiteren Version des Sozialplans sei festzustellen, dass sich die Unterschriften des Personalleiters und des Vorsitzenden der Personalvertretung Cockpit an einer anderen Stelle befänden und bei den Arbeitgebervertretern keine Zeile der Klarnamen enthalte. Da auch der Massenentlassungsanzeige vom 27.03.2021 eine Kopie des Sozialplans beigefügt gewesen sei, die keine Unterschrift des Geschäftsführers trage, sei davon auszugehen, dass das vorgelegte Exemplar mit den drei Unterschriften erst gefertigt worden sei, nachdem er im Rechtsstreit die Wirksamkeit des Sozialplans gerügt habe. Es sei auch fehlerhaft gewesen, die Sozialauswahl stationsübergreifend durchzuführen, da den von den Schließungen betroffenen Arbeitnehmern zum Wechsel des Standorts eine Änderungskündigung ausgesprochen werden müsse. Bei der Berechnung seiner Sozialpunkte habe die Beklagte fälschlich sein Stiefkind nicht berücksichtigt. Den Inhalt der vorgelegten Gesamtsozialauswahlliste bestreite er auch im Hinblick darauf, dass diese das Datum 30.03.2021 trage. Die Herausnahme der Mitarbeiter mit gesetzlichem Sonderkündigungsschutz aus der Sozialauswahl stelle einen Verstoß gegen den Sozialplan dar. Es überzeuge nicht, wenn die Beklagte meine, die zuständigen Behörden hätten einen Antrag auf Zulässigkeitserklärung ohnehin abgelehnt, und zwar auch im Hinblick darauf, dass sie bei den (vorsorglichen) Änderungskündigungen zum Standortwechsel die entsprechenden Zustimmungen eingeholt habe. Auch die Anhörung der Personalvertretung sei fehlerhaft, da sie trotz der darin enthaltenen Verweisung auf die Vereinbarungen in Interessenausgleich und Sozialplan für die Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz keine behördlichen Zustimmungen eingeholt habe. Er wiederholt und vertieft seine Ansicht, die Beklagte habe das Konsultationsverfahren fehlerhaft durchgeführt, weil sie im Unterrichtungsschreiben ebenfalls fälschlich den Eindruck erweckt habe, bei Mitarbeitern mit Sonderkündigungsschutz behördliche Zustimmungen einzuholen. Ihre abweichende Handhabung habe sie bis zum abschließenden Beratungs- und Konsultationstermin am 19.03.2021 nicht richtiggestellt. Bereits aus der Formulierung in der Massenentlassungsanzeige, zu den Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sei eine "nochmalige umfassende Erläuterung" erfolgt, mache deutlich, dass keine Korrektur erfolgt sei. Auch die Massenentlassungsanzeige selbst sei fehlerhaft, da es an den Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit gefehlt habe.
Die Beklagte repliziert, 83 Blockstunden monatlich führten in Anbetracht der Urlaubsansprüche zu maximal 880 Flugstunden jährlich, womit sie unter den gesetzlich zulässigen 900 Stunden im Kalenderjahr bleibe. Mit der Personalvertretung Cockpit sei bereits bei den Verhandlungen zum Sozialplan ihre Berechnung der "peak"-Monate besprochen worden. Zudem sei der Beschäftigungsbedarf nicht ganzjährig gleichbleibend. Eine Überprüfung ihrer Prognose durch einen Sachverständigen habe diese bestätigt. Zum Konsultationsverfahren trägt sie vor, dass gegenüber Mitarbeitern mit gesetzlichem Sonderkündigungsschutz nach dem BEEG/ PflegeZG, FPflegeZG im März 2021 gar keine Kündigungen ausgesprochen würden, habe erst nach dem Versand des Unterrichtungsschreibens vom 11.03.2021 final festgestanden. Im Rahmen der Erörterungen im Berufungstermin hat die Beklagte zum Konsultationsverfahren im Hinblick auf den Umstand, dass sie den Mitarbeitern mit Sonderkündigungsschutz keine Kündigungen erklärt hat, keine über den erstinstanzlichen Vortrag hinausgehende Erklärung abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
I. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.03.2021 nicht aufgelöst ist.
1. Die Kündigung ist unwirksam, weil die Beklagte das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat.
a) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat gemäß Abs. 2 Satz 1 rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich zu unterrichten. Nach Nr. 5 der genannten Regelung bezieht sich die Unterrichtungspflicht insbesondere auf die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.
Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1 und 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Das Konsultationsverfahren steht selbständig neben dem Anzeigeverfahren. Beide Verfahren dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels. Dies entspricht der mit § 17 KSchG umgesetzten Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie - MERL -, ABl. EG L 225 vom 12.08.1998 S. 16). Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar. Für die Konsultation gilt dies jedenfalls, wenn eine fehlerhafte Unterrichtung Folgen für die Prüfung konstruktiver Vorschläge zur Verhinderung oder Beschränkung der Massenentlassung durch den Betriebsrat haben und sich der Fehler insoweit zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken kann. Eine Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG kann auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs grundsätzlich nicht durch die bloße Erklärung des Betriebsrats, rechtzeitig und vollständig unterrichtet worden zu sein, unbeachtlich werden. Die Heilung eines Unterrichtungsmangels kommt allerdings in Betracht, wenn aus der Erklärung des Mitbestimmungsgremiums deutlich wird, dass es seinen Beratungsanspruch als erfüllt ansieht, etwa weil es im Rahmen einer Betriebsstilllegung die Betroffenheit aller Berufsgruppen erkennen kann, obwohl der Arbeitgeber diese Angabe unterlassen hat (vgl. insgesamt BAG 09.06.2016 - 6 AZR 405/15 - RN 20 ff. mwN). Da das Konsultationsverfahren dem Betriebsrat Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen soll, hängt vom konkreten Einzelfall ab, welche Informationen dazu erforderlich sind. Hat der Betriebsrat, etwa durch Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auf andere Weise, schon Kenntnisse über die Umstände der beabsichtigten Massenentlassung erlangt, genügen auch schlagwortartige Informationen. Die danach erforderlichen Auskünfte sind seitens des Arbeitgebers zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen, er hat sie aber "im Verlauf des Verfahrens" zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen (EuGH 10.09.2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] RN 52 f.; BAG 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - RN 29; BAG 13.06.2019 - 6 AZR 459/18 - RN 41). Ergeben sich während des Konsultationsverfahrens nachträglich wesentliche Änderungen an dem zugrundeliegenden Sachverhalt, so ist der Betriebsrat erneut gemäß dem Katalog in Abs. 2 Satz 1 zu unterrichten (KR-Heinkel, 13. Auflage 2022, § 17 KSchG RN 123).
b) Unter Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich die Kündigung aufgrund fehlerhafter Unterrichtung der Gesamtvertretung Bord im Rahmen des Konsultationsverfahrens als unwirksam.
(1) Dass es sich angesichts der Vielzahl der Kündigungen um eine Massenentlassung im Sinne des § 17 Abs. 1 KSchG handelt, stellt die Beklagte auch unabhängig davon nicht in Abrede, ob insoweit auf die Station L. oder auf den gesamten Flugbetrieb abzustellen ist. Auch hat keine der Parteien dazu vorgetragen, dass für die Station L. die Anforderungen an den unionsrechtlichen Begriff der "Leitungsmacht" erfüllt werden (hierzu zuletzt BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - RN 116).
(2) Im Unterrichtungsschreiben gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG vom 11.03.2021 zu den im März 2021 geplanten Entlassungen im Cockpitbereich hat die Beklagte unter IV. zu den vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ausgeführt, es sei geplant, eine Auswahl entsprechend den Vorgaben des § 1 KSchG vorzunehmen; wegen der Gewichtung der Kriterien werde auf die Sozialplanverhandlungen verwiesen. Auf Seite 7 unten unter III. hat sie erklärt, für Entlassungen von Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz werde umgehend bei der zuständigen Behörde das Antragsverfahren auf Zustimmungserklärung bzw. Zulässigerklärung einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung eingeleitet werden. Das konnte die zuständige Gesamtvertretung nur so verstehen, dass die Beklagte die betreffenden Mitarbeiter entsprechend ihren Punktzahlen gemäß der verhandelten Auswahlrichtlinie in die Kündigungsmaßnahmen einbeziehen wollte. Dass hierzu noch keine "finale" Entscheidung getroffen sein sollte bzw. sie selbst Bedenken hatte - wie sie im Rechtsstreit vorträgt - entsprechende behördliche Erklärungen zu erhalten, war für die Gesamtvertretung nicht erkennbar. Dass vor oder in dem Beratungstermin am 19.03.2021 andere Informationen erfolgt wären, hat die Beklagte trotz der entsprechenden Rüge des Klägers weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren vorgetragen, und zwar weder in ihrem replizierenden Schriftsatz vom 16.03.2022 noch im Rahmen der entsprechenden Erörterungen im Berufungstermin. Soweit sie sich darauf berufen hat, der Umstand, dass sie den Mitarbeitern mit Sonderkündigungsschutz keine Kündigung erkläre, sei der Gesamtvertretung am 19.03.2021 bekannt gewesen, da sie am Tag zuvor der Personalvertretung Cockpit Anhörungen zu nahezu allen Beendigungskündigungen nebst einer Gesamtsozialauswahlliste überreicht habe, ändert dies nichts. Es handelt sich um eine bloße Schlussfolgerung, was sich bereits daraus zeigt, dass sie hierfür den "Senior Manager Labour Law" der U. Deutschland GmbH als Zeugen benennt. Dafür, dass die Personalvertretung Cockpit - insbesondere in Person ihres Vorsitzenden, der gleichzeitig Vorsitzender der Gesamtvertretung ist - die am 18.03.2021 überreichten Anhörungsunterlagen derart zur Kenntnis genommen hat, dass ihr die Abweichung von dem geplanten Vorgehen aufgefallen ist, hat sie nichts vorgetragen. Dagegen spricht bereits, dass diese Abweichung offensichtlich bei den abschließenden Beratungen im Rahmen der Konsultation keine Rolle gespielt hat, obwohl die dort beteiligte Gesamtvertretung Bord nicht personenidentisch mit der Personalvertretung Cockpit war. Die Beklagte durfte sich bereits aufgrund des nur kurzen Zeitraums zwischen der Übergabe einer Vielzahl von Anhörungen am 18.03.2021, für deren Beantwortung der Personalvertretung Cockpit eine Frist von einer Woche zur Verfügung stand, und dem abschließenden Konsultationstermin am 19.03.2021 nicht darauf verlassen, dass die Veränderung in der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer von dem identischen Vorsitzenden beider Gremien zufällig bereits zur Kenntnis genommen worden war. Selbst wenn die Berufungskammer solches zugunsten der Beklagten unterstellt, ergäbe dies keine ordnungsgemäße Konsultation, weil sich dann aus der Sicht der Gesamtvertretung lediglich eine widersprüchliche Informationslage ergeben hätte.
(3) Von der geplanten und der Gesamtvertretung mitgeteilten Form der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer - nämlich in der Art, dass diejenigen mit gesetzlichem Sonderkündigungsschutz einbezogen werden - ist die Beklagte in einer für das Konsultationsverfahren wesentlichen Form abgewichen. Für beide Listen - also sowohl die für die Kapitäne als auch die der Copiloten - bedeutete dies nämlich, dass jeweils 40 Mitarbeiter unabhängig von ihrer Sozialpunktzahl von den Kündigungen ausgenommen wurden. In Anbetracht des Umstands, dass lediglich 185 Plätze je Liste zur Verfügung standen, stellt eine derartige Abweichung von über 20 % eine wesentliche Änderung der zuvor mitgeteilten Handhabung dar. Dies gilt unabhängig davon, inwieweit die Betroffenen auch ohne den besonderen Kündigungsschutz aufgrund ihrer individuellen Punktzahl von der Kündigung ausgenommen worden wären. Denn die Beklagte hat der Gesamtvertretung gerade die Möglichkeit genommen, diese Fragestellung zu klären. Im Übrigen gibt es auf der Liste der Kapitäne insgesamt 24 mit mehr als 103 Punkten, während 21 Kapitäne mit weniger als 104 Punkten wegen Sonderkündigungsschutzes von einer Kündigung verschont blieben. Auch eine solche Veränderung allein hält die Berufungskammer für derart wesentlich, dass die Beklagte die Gesamtvertretung hätte informieren müssen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die kündigungsschutzrechtliche Position des Klägers von einer Veränderung der Sozialauswahl betroffen war. Welche Reaktion die Gesamtvertretung Bord gezeigt hätte, wäre sie von der Beklagten über die Änderung informiert worden, kann nicht nachträglich festgestellt werden. § 17 Abs. 2 KSchG regelt nicht in erster Linie einen Individualschutz, sondern eine kollektive Beteiligung.
2. Daneben scheitert die Wirksamkeit der Kündigung auch an einer ordnungsgemäßen Anhörung der Personalvertretung Cockpit.
a) Die Informationspflicht nach § 63 TV PV Cockpit ist derjenigen nach § 102 Abs. 1 BetrVG nachgebildet. Die für die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltenden Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn eine durch Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretung vor Ausspruch der Kündigung anzuhören ist (BAG 26.04.2007 - 8 AZR 695/05 - juris; LAG Düsseldorf 24.01.2019 - 13 Sa 411/18 - juris RN 196 ff.).
(1) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Nach Satz 3 der Norm ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Eine Kündigung ist dabei nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist (BAG 06.10.2005 - 2 AZR 316/04 - juris). Der Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.06.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 15). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 14; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - juris RN 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 15; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - juris RN 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 16; BAG 31.07.2014 - 2 AZR 407/13 - juris RN 46). Eine Kündigung ist auch dann nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Insofern genügt es nicht, dass der Arbeitgeber die Kündigungsgründe nur pauschal, schlagwort- und stichwortartig vorträgt; vielmehr ist der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAG 29.01.1997 - 2 AZR 292/96 - juris RN 21).
(2) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 19; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - juris RN 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris).
(3) Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, es bestehe ein Betriebsrat, weswegen vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG erforderlich sei, so obliegt es dem Arbeitgeber, darzulegen, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist. Da es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung handelt, trifft den Arbeitgeber insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung weiter pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten. Vielmehr hat er nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen darzulegen, ob der Betriebsrat entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden sei oder in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder für unvollständig hält (vgl. zu § 102 BetrVG: BAG 24.04.2008 - 8 AZR 268/07 - juris; BAG 18.05.2006 - 2 AZR 245/05 - juris; BAG 22.01.2004 - 2 AZR 111/02 - juris).
b) Nach diesen Maßgaben vermochte die Berufungskammer keine ordnungsgemäße Anhörung der Personalvertretung Cockpit festzustellen.
(1) Dabei kam es zunächst nicht darauf an, dass die Beklagte sich selbst im Berufungstermin nicht in der Lage sah, dem Gericht die Gesamtsozialauswahlliste in der Fassung vorzulegen, welche sie der Personalvertretung anlässlich der Anhörung zur Kündigung des Klägers zur Verfügung gestellt hat.
(2) Jedenfalls fehlt es auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens an einer hinreichenden Darstellung des betriebsbedingten Kündigungsgrundes.
aa) Im Anhörungsschreiben selbst beschränkt sich die Beklagte auf den Hinweis, ihre Geschäftsführung habe beschlossen, die Flotte auf 22 Flugzeuge zu reduzieren und sechs Stationen zu schließen; Hintergrund sei eine erforderliche Steigerung der Produktivität pro Flugzeug und eine Minimierung der Verluste aus der Saisonalität der Auslastung; wegen der Einzelheiten werde auf den Interessenausgleich mit der Gesamtvertretung Bord verwiesen; durch Flottenreduzierung, Stationsschließungen und Neustrukturierung des Streckennetzes ergebe sich ein Personalüberhang; wegen der Einzelheiten hierzu werde auf den Sozialplan vom 11.03.2021 verwiesen. Im Interessenausgleich wird die aus Sicht der Beklagten notwendige Anpassung der Beschäftigtenzahl ebenfalls lediglich pauschal erwähnt, wobei die tarifliche Untergrenze von 370 erwähnt wird (§ 3 Nr. 2.2, § 4 Nr. 2). Ähnliches gilt für den Sozialplan (§ 3 Nr. 3, § 4 Nr. 3). In der Klageerwiderung heißt es gleichfalls nur, die unternehmerische Entscheidung sei entsprechend den Vereinbarungen in Interessenausgleich und Sozialplan dargelegt worden. In der Berufungserwiderung hat sie sodann - trotz der erstinstanzlichen Rüge des Klägers, ihre Angaben in der Klageerwiderung seien unzureichend - lediglich nahezu wortgleich - jedenfalls ohne jedwede zusätzliche Substanz - ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Erst im Schriftsatz vom 16.03.2021, also acht Tage vor dem Berufungstermin, hat sie sodann vorgetragen, die Personalvertretung Cockpit habe "genaue Kenntnis davon gehabt, in welchem Umfang Beschäftigungsbedarf entfällt". Ihre Berechnungen "zum Entfall zum Beschäftigungsbedarf" hätten während der gesamten Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen vorgelegen. Unter anderem habe sie die Berechnung des Beschäftigungsbedarfs im Cockpit in FTE für den maßgeblichen "peak"-Monat in einer Tabelle (Anlage BK 3, Bl. 676 d. A.) zusammengefasst und im März 2021 bei der Planung und Diskussion verwendet. Ein Mitglied der PV Cockpit habe sowohl an den Verhandlungen von Interessenausgleich und Sozialplan als auch als Sprecher der Tarifkommission an den Verhandlungen des MTV Nr. 6 teilgenommen.
bb) Danach fehlt es an einer hinreichend konkreten Darlegung des Kündigungsgrundes. Es ist bereits nicht erkennbar, ob die Beklagte der Personalvertretung eine eigene - gestaltende - unternehmerische Entscheidung mitgeteilt hat in dem Sinne, dass sie sich selbst entschieden hat, künftig nur 22 Flugzeuge mit einem bestimmten Streckennetz zu nutzen, oder ob sie sich - selbstbindend - einer Entscheidung der U. Deutschland GmbH unterwirft, die ihr angekündigt hat, bis zum 31.12.2026 nur Flugleistungen in einem bestimmten Umfang abzunehmen. Für Erstgenanntes spricht die vorgelegte "Unternehmerentscheidung zur Restrukturierung" vom 12.03.2021" (Anlage B6, Bl. 326 d. A.), für das Letztere ihr Vorbringen in der Berufungsbegründung. Was sie insoweit der Personalvertretung Cockpit mitgeteilt haben will, bleibt offen. Die aufgeworfene Fragestellung ist auch relevant für die Reaktion der Personalvertretung. Sofern es sich nicht um eine gestaltende Entscheidung der Beklagten handelt, bei der sie davon ausgeht, dass genau diese die gewünschte Wirtschaftlichkeit bewirkt, sondern um eine Anpassung an eine Entscheidung der U. Deutschland GmbH, hätte die Personalvertretung Cockpit beispielsweise argumentieren können, man solle auf dem Markt weitere Flugleistungen anbieten. Die unklare Information hinderte die Personalvertretung daher, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden.
cc) Gleiches gilt daneben, weil es an einer hinreichenden Information der Personalvertretung Cockpit fehlt, in welchem Umfang die Beklagte den künftigen Beschäftigungsbedarf gemessen an den zu leistenden Gesamtflugstunden prognostiziert. Nach ihren pauschalen Darlegungen soll die Restrukturierung die Verluste aus der Saisonalität minimieren. In dem "peak"-Monat, dessen Grundlagen sie der Personalvertretung erläutert haben will, legt sie für einen FTE im Monat 83 Flugstunden zugrunde. Es fehlt jedoch an jeglicher Information dazu, ob es nach wie vor bei (allerdings geringeren) saisonalen Schwankungen bleiben soll oder ob die Minimierung der Verluste aus der Saisonalität bedeutet, dass sie von einer weitgehend gleichbleibenden Auslastung der Flugzeuge im Jahresverlauf ausgeht. Dafür sprechen Formulierungen, die Restrukturierung sei auf einen "durchgängig ganzjährig wirtschaftlich arbeitenden Flugbetrieb" ausgelegt. Wie viele Blockstunden pro Pilot sie konkret im Jahreslauf prognostiziert, bleibt jedoch in ihrer Information an die Personalvertretung völlig offen. Diese vermochte danach nicht zu erkennen, ob Piloten faktisch knapp 855 Blockstunden jährlich fliegen sollen (10,6 Monate zu je 83 Stunden) bzw. nach der Berechnung in der erstinstanzlichen Replik bis zu 880 Stunden pro Jahr - und damit nicht weit von der gemäß internationalen Vorschriften geltenden bzw. tariflichen Grenze von 900 Blockstunden im Jahr - oder ob deren Flugleistungen aufgrund nach wie vor bestehender saisonaler Schwankungen sich auf einem deutlich niedrigeren Niveau bewegen sollen. Die tariflichen Regelungen gehen offensichtlich von einer Regelstundenzahl von 70 im Monat aus, welche bei 83 Stunden in jedem aktiven Monat deutlich überschritten würde. Die Personalvertretung konnte daher auf der Grundlage der lediglich pauschalen, am "peak"-Monat orientierten Betrachtung nicht erkennen, ob die Beklagte bei ihrer Prognose von regelmäßigen Mehrflugstunden ausgeht. Es liegt nahe, dass sie in diesem Fall der Kündigung widersprochen hätte.
II. Wegen des Anspruchs auf das verlangte Zwischenzeugnis wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Arbeitsgerichts unter II. der Gründe verwiesen, § 69 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen der angefochtenen Entscheidung hat die Berufung keinerlei Rügen erhoben.
III. Auch für den Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nimmt die Berufungskammer auf die Begründung des Arbeitsgerichts Bezug. Auch hier hat die Beklagte gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter III. der Gründe jenseits der Frage der Wirksamkeit der Kündigung keine Rügen erhoben.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich vorgesehener Anlass.
Bittner
Dogan