Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Beratungshilfe

    Berechtigungsschein: Schauen Sie stets, wann er ausgestellt wurde

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

    | Einige Mandanten kümmern sich selbst um Beratungshilfe, bevor sie zum Anwalt gehen und legen ihm gleich den Berechtigungsschein des Gerichts vor. Der Anwalt muss dann nicht mehr selbst den Antrag stellen. Aber: Ist der Berechtigungsschein schon älter, sollte das Kanzleipersonal genau hinschauen, wann genau und für welche Beratung er ausgestellt wurde. |

    1. Grundsatz: Berechtigungsschein ist nicht befristet

    Die meisten Mandanten dürften mit einem aktuellen Berechtigungsschein zum Anwalt gehen. Vor allem, wenn Bescheide oder Aufforderungsschreiben mit laufenden Fristen zu prüfen sind. Es kann aber auch geschehen, dass ein rechtliches Problem nicht sofort angegangen werden muss und vielleicht erst Wochen oder Monate später erneut akut wird.

     

    Ist der Schein dann noch gültig? Das ist er, denn grundsätzlich wird er nicht befristet ausgestellt. Das heißt, der Anwalt kann seine Beratungshilfe auch dann noch abrechnen, wenn die Bewilligung vielleicht schon mehrere Monate alt ist.

    2. Ausnahme: Berechtigungsschein ist eingegrenzt

    Problematisch kann es werden, wenn der Berechtigungsschein auf eine bestimmte Beratung oder einen zeitlichen Umfang eingegrenzt ist. Dies greift z. B., wenn ein Renten- oder Arbeitslosengeldbescheid für einen bestimmten Zeitraum überprüft werden soll. Dann ist der Berechtigungsschein für den Anwalt möglicherweise nutzlos, wenn der Mandant sich wegen eines anderen Problems mit derselben Gegenseite beraten lassen möchte. Dies kann der Fall sein,

     

    • wenn der Mandant mit einem Folge- oder anderen Bescheid derselben Behörde erscheint oder
    • ein rechtliches Problem mit derselben Behörde/Gegenseite erörtern will, das nichts mit dem Sachverhalt zu tun hat, auf den sich die bewilligte Beratungshilfe ausdrücklich bezieht.

     

    Um derartige Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte schon bei der Mandatsaufnahme das Ausstellungsdatum des Berechtigungsscheins geprüft und gezielt nachgefragt werden, ob der Mandant sich auch zu dem darin genannten Sachverhalt beraten lassen möchte. Ist der Schein bereits älter, sollte geklärt werden, warum der Anwalt erst jetzt beraten soll. Ansonsten sollte der Mandant sich einen neuen Berechtigungsschein ausstellen lassen bzw. der Anwalt einen neuen Antrag stellen.

    3. Der Anwalt beantragt selbst die Beratungshilfe

    Hat die Beratung beim Anwalt bereits begonnen, erhält der Mandant selbst keinen Berechtigungsschein mehr. In diesen Fällen muss die Beratungshilfe nachträglich von dem Anwalt beantragt bzw. abgerechnet werden.

     

    Wurde ein unvollständiger Beratungshilfeantrag gestellt, bleibt das Amtsgericht weiterhin zuständig, auch wenn der Antragsteller anschließend seinen Wohnsitz verlegt. Es gilt der allgemeine Gerichtsstand, den der Rechtssuchende hat, wenn er den Antrag stellt. Nicht nur vollständige Anträge sind als verfahrenseinleitend anzusehen. So entschied es das OLG München (11.4.16, 34 AR 41/16, Abruf-Nr. 186004).

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn Sie selbst für den Mandanten Beratungshilfe beantragen, muss das Kanzleipersonal stets die Vier-Wochen-Frist des § 6 Abs. 2 BerHG im Auge haben, die nach Beginn der Beratung zu laufen beginnt. Bis dahin muss der Antrag beim zuständigen Amtsgericht eingehen. Anderenfalls wird keine Beratungshilfe gewährt.

     

    4. Beratunghilfe in Familiensachen

    Kürzlich hat das OLG Düsseldorf zu familienrechtlicher Beratungshilfe entschieden: Der Begriff der „Angelegenheit“ für den Bereich einer außergerichtlichen Beratung hinsichtlich der Folgen von Trennung oder Scheidung sei gebührenrechtlich so zu bestimmen, dass grundsätzlich von vier typisierten Komplexen auszugehen ist (11.8.16, I-10 W 106/16, 10, Abruf-Nr. 189547).

     

    Jeder dieser vier Komplexe kann für sich eine „Angelegenheit“ darstellen. Das sind im Einzelnen:

     

    • die Scheidung als solche,
    • das Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
    • Fragen im Zusammenhang mit Ehewohnung und Hausrat sowie
    • die finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung).

     

    Die Beratungstätigkeiten des Anwalts sind diesen vier Bereichen zuzuordnen. Es können also maximal vier Angelegenheiten vorliegen.

    5. Aufhebung von Beratungshilfe

    Seit der Reform 2014 kann eine einmal gewährte Beratungshilfe nun binnen eines Jahres vom Gericht aufgehoben werden. Der Anwalt kann in diesen Fällen die gesetzliche Vergütung verlangen (§ 6a BerHG).

     

    PRAXISHINWEIS | Sie können auch auf Nummer sicher gehen und für den Fall, dass die Beratungshilfe aufgehoben wird, eine Vergütungsvereinbarung treffen.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 6 | ID 44425539