07.05.2015 · IWW-Abrufnummer 176713
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 13.03.2015 – 1 Sa 1534/14
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 24.09.2014 - 3 Ca 739/14 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine fristlose Kündigung der Beklagten vom 25.04.2015.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Gesundheits- und Altenpflegerin zu einem Bruttomonatsverdienst von 1.696,24 € beschäftigt. Mit Schreiben ohne Datum kündigte die Klägerin das Arbeitsverh ältnis zum 15.05.2014. Die Beklagte bestätigte diese Eigenkündigung mit Schreiben vom 15.04.2014 und teilte der Klägerin mit, unter Berücksichtigung offener Urlaubsansprüche und vorhandener Mehrarbeitsstunden müsse sie nicht mehr zur Arbeit erscheinen.
Die Klägerin legte für die Zeit vom 17.03.2014 bis zum 21.03.2014 und vom 02.04.2014 bis zum 17.04.2014 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, ausgestellt von der Fachärztin für Allgemeinmedizinerin Dr. N.
Während des zweiten Arbeitsunfähigkeitszeitraums befand sich die Klägerin für etwa eine Woche auf der Insel Sylt. Dort verbrachte sie die Zeit in einem Haus, in dem ihr Freund Renovierungsarbeiten verrichtete. Die Klägerin stellte auf der ihr zugehörigen Seite des Internet-Anbieters "Facebook" am Ende ihres Aufenthalts folgenden Satz ein: "(...) Wunderbaren urlaub auf sylt mit meinem liebsten verbracht...morgen geht's leider schon wieder nach hause (...)". Die Beklagte nahm den Eintrag zu Kenntnis und forderte die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin auf, die Klägerin zur vertrauensärztlichen Untersuchung einzubestellen. Zu einem Untersuchungstermin kam es aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, nicht mehr.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei psychisch erkrankt gewesen und habe unter einer Belastungsreaktion gelitten. Sie habe ihre Ärztin darüber in Kenntnis gesetzt, die Insel Sylt aufsuchen zu wollen. Der Aufenthalt sei angesichts ihres Erkrankungsbildes von der Ärztin empfohlen worden.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat bestritten, dass die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und behauptet, wäre sie erkrankt gewesen, so hätte sie sich angesichts des Urlaubs auf Sylt genesungswidrig verhalten. Die Klägerin habe die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Eine Fachärztin für Allgemeinmedizin sei nicht in der Lage, eine psychische Erkrankung festzustellen. Die Klägerin sei in der Lage gewesen, einen Urlaub auf Sylt zuzubringen. Die Eintragungen der Klägerin auf deren Facebook-Seite hätten eine frohgelaunte, glückliche und gesunde Frau gezeigt. Die Klägerin habe sich der vertrauensärztlichen Untersuchung nicht unterzogen. Die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei - so die von der Beklagten vertretene Auffassung - angesichts dieser Tatsachen jedenfalls erschüttert.
Mit Urteil vom 24.09.2014 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Beklagte könne das Arbeitsverhältnis nicht aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB beenden. Ihr sei es nicht gelungen, den hohen Beweiswert des vorgelegten ärztlichen Attestes zu erschüttern. Er erschließe sich nicht, warum ein Allgemeinmediziner nicht in der Lage sein solle, eine Belastungsreaktion festzustellen. Der Aufenthalt auf Sylt spreche nicht dagegen, dass eine Erkrankung vorliege. Die Beklagte habe nicht zu Aktivitäten der Klägerin während des Urlaubs auf Sylt vorgetragen, die mit der attestierten Belastungsreaktion nicht in Übereinstimmung zu bringen wären. Die Beklagte habe den in der Kammerverhandlung vorgebrachten Einwand der Klägerin nicht bestritten, dass die Krankenkasse der Klägerin auf deren Nachfrage mitgeteilt habe, sie müsse zur vertrauensärztlichen Untersuchung nicht mehr erscheinen, da der dafür vorgesehene Termin für einen Zeitpunkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anberaumt worden sei. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werde daher auch nicht dadurch erschüttert, dass die Klägerin sich nicht mehr zur Untersuchung vorgestellt habe. Letztlich stünde der Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung aber auch im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung entgegen, dass die Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 15.04.2015 ohnehin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt worden sei. Ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht zu erkennen.
Gegen das am 07.10.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.11.2014 eingelegte und am 07.01.2015 innerhalb der bis dahin verlängerten Frist begründete Berufung der Beklagten, die sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags erster Instanz ergänzend wie folgt begründet:
Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert. Sie habe bestritten, dass die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und die Ärztin empfohlen habe, den Urlaub auf Sylt anzutreten. Dem hätte das Gericht durch Erhebung der angebotenen Beweise nachgehen müssen. Das Gericht habe aus eigener Sachkunde nicht darüber befinden können, dass der Urlaub auf Sylt genesungskonform gewesen sei. Entweder wäre eine etwaige Belastungsreaktion der Klägerin so gering gewesen, dass sie nicht arbeitsunfähig gewesen sei, oder aber die Klägerin hätte sich bei angenommener Erkrankung genesungswidrig verhalten. Falsch sei es, nehme das Gericht an, sie habe nicht bestritten, dass die Klägerin den Termin zur vertrauensärztlichen Untersuchung deshalb nicht wahrgenommen habe, weil er bereits außerhalb des Bestandes des Arbeitsverhältnisses gelegen habe. Der Vortrag der Klägerin dazu sei nicht schlüssig. Unberücksichtigt gelassen habe das Arbeitsgericht auch, dass die Klägerin sich nicht in eine fachärztliche Behandlung begeben habe. Das Gericht übersehe ferner, dass sie, die Beklagte, auch bei angenommener Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Interesse daran habe, sich von der Klägerin zu trennen.
Die Beklagte beantragt,
Die Klägerin beantragt,
legte zweitinstanzlich die mit dem Diagnosekürzel 43 F. G versehene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 02.04.2014 bis zum 17.04.2014 vor und führte dazu aus, hinter diesem Kürzel verberge sich das Krankheitsbild "Reaktion auf eine schwere psychische Belastung". Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und weist in rechtlicher Hinsicht darauf hin, dass eine Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zu erkennen sei, weshalb auch eine Beweisaufnahme nicht durchzuführen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von den Parteien zu Protokoll abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 05.11.2014 gegen das am 07.10.2014 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Abs. 1 S. 1, S. 5 ArbGG verlängerten Frist am 07.01.2015 begründet worden. Sie ist damit zulässig.
II. Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.04.2014 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 15.05.2014 - dem durch die Eigenkündigung der Klägerin ausgelösten Ende des Vertragsverhältnisses - fortbestanden hat.
Auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgenden, ergänzenden Ausführungen:
Der Beklagten stand kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Seite, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund kündigen, ohne eine Kündigungsfrist einhalten zu müssen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder dessen Beendigung nicht zugemutet werden kann.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht eine zweitstufige Prüfung durchgeführt und festgestellt, dass bereits auf der ersten Prüfungsstufe keine Tatsachen vorliegen, die eine solche Kündigung rechtfertigen könnten. Auch für die Berufungskammer war nicht erkennbar, dass die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht oder sich genesungswidrig verhalten haben könnte.
a) Dabei obliegt es dem Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess, den Beweis für den erhobenen Kündigungsvorwurf zu führen (BAG 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - [...]; Hessisches Landesarbeitsgericht 20.03.2012 - 19 Sa 1020/11 - [...]; LAG Rheinland-Pfalz 08.10.2013 - 6 Sa 188/13 - [...]; 12.02.2010 - 9 Sa 275/09 - [...]). Einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu (BAG 21.03.1993 - 2 AZR 543/95 - [...]; 11.08.1976 - 5 AZR 422/75 - [...]). Sie hat die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit für sich (BAG 21.03.1993 - 2 AZR 543/95 - [...]; 15.07.1992 - 5 AZR 312/91 - [...]). Erhebt der Arbeitgeber trotz vorgelegter ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Vorwurf, die Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht, muss er einerseits vortragen, dass der Arbeitnehmer ihn vorsätzlich über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit getäuscht hat (LAG Hamm 18.12.2003 - 8 Sa 1401/03 - [...]; LAG Mecklenburg-Vorpommern 05.08.2004 - 1 Sa 19/04 - [...]) und darüber hinaus ausreichende Tatsachen darlegen und beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeit Anlass geben und den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit erschüttern (BAG 21.03.1993 - 2 AZR 543/95 - [...]). Ist ihm dies gelungen, so ist es unter Berücksichtigung der im Kündigungsschutzprozess greifenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast Aufgabe des Arbeitnehmers darzulegen, welche Erkrankungen zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen diese mit sich gebracht haben und welche Verhaltensweisen ihm ärztlicherseits auferlegt worden sind. Bei ausreichender Substantiiertung ist es sodann Sache des Arbeitgebers, den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers, dem es obliegt, die ihn behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, zu widerlegen (vgl. BAG 07.12.1995 - 2 AZR 849/94 - [...]; 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - [...]; LAG Hamm 09.04.2008 - 18 Sa 1938/07 - [...]; Hessisches Landesarbeitsgericht 20.03.2012 - 19 Sa 1020/11- [...]; LAG Rheinland-Pfalz 08.10.2013 - 6 Sa 188/13 - [...]; 12.02.2010 - 9 Sa 275/09 - [...]).
b) Der Beklagten ist es nicht gelungen, ausreichende Tatsachen vorzutragen, die den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 02.04.2014 bis zum 17.04.2014 ersch üttern und damit ausreichende Zweifel an der Vermutung auslösen, dass die Bescheinigung inhaltlich zutrifft.
aa) Dabei geht die Kammer in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der attestierten Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 02.04.2014 bis zum 17.04.2014 eine ärztliche Diagnose mit der Kurzbezeichnung 43 F. G zugrundeliegt, hinter der sich eine "Reaktion auf eine schwere psychische Belastung" verbirgt. Die Klägerin hat im Laufe des Berufungsverfahrens eine für die Vorlage bei der gesetzlichen Krankenkasse bestimmte und von ihrer Ärztin ausgefüllte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit dem Diagnosekürze 43 F. G eingebracht, die mit der an die Arbeitgeberin übergebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung korrespondiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin ausgeführt, hinter dem Diagnosekürzel verberge sich das Krankheitsbild "Reaktion auf eine schwere psychische Belastung". Die Beklagte, die erstinstanzlich nicht nur bestritten hat, dass die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt war, sondern auch, dass die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit wegen einer Belastungsreaktion erfolgt sei, hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht bestritten, dass die zuvor schriftsätzlich vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von der die Klägerin behandelnden Ärztin mit dem Diagnosekürzel des näher bezeichneten Inhalts versehen worden ist. Da die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen der Diagnose 43 F.G ausgestellt worden ist, von der Beklagten nicht mehr ausdrücklich bestritten worden ist, gilt sie als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
bb) Die von der Beklagten vorgetragenen Hilfs-Tatsachen sind nicht geeignet, den hohen Beweiswert eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit wegen einer Reaktion auf eine schwere psychische Belastung und die damit einhergehende Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit zu erschüttern.
(1) Dies gilt zunächst für die Tatsache, dass sich die Klägerin während des attestierten Arbeitsunfähigkeitszeitraums für etwa eine Woche auf Sylt aufgehalten und dies in einem Facebook-Eintrag als "Urlaub" bezeichnet hat. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht bedeutet, der Arbeitnehmer müsse sich ausschließlich zu Hause, möglicherweise auch zu Bett aufhalten. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nach § 3 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG, wenn ein Arbeitnehmer infolge Erkrankung an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Damit muss ein Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankung und Arbeitsverhinderung bestehen. Dieser Ursachenzusammenhang kann vielfältiger Art sein und auch, aber nicht notwendig, dazu führen, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, sein häusliches Umfeld zu verlassen. Liegt der attestierten Arbeitsunfähigkeit eine "Reaktion auf eine schwere psychische Belastung" zugrunde und soll dies den nötigen Ursachenzusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit begründen, ist nichts dafür ersichtlich, dass ein einwöchiger Aufenthalt auf einer Nordseeinsel damit nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Um dies festzustellen, bedarf es keines ärztlichen Sachverstands. Es ist nicht die - therapeutische - Frage zu beantworten, ob ein einwöchiger Aufenthalt auf Sylt - sei es nun Urlaub oder nicht - den Heilungsprozess fördert. Das Gericht muss nach den zuvor dargestellten Rechtsgrundsätzen alleine entscheiden, ob das Verhalten der Klägerin zu ernsthaften Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeit Anlass gibt, weil die Aktivitäten der Klägerin sich mit dem Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Dieser Inhalt besteht darin, dass die Klägerin aufgrund einer Reaktion auf eine schwere psychische Belastung nicht in der Lage war, ihrer Arbeit bei der Beklagten nachzukommen. Auch das Berufungsgericht kann an einem einwöchigen Aufenthalt auf einer Nordseeinsel, den die Kl ägerin gemeinsam mit ihrem Freund verbracht hat, nichts erkennen, was geeignet wäre, die vermutete Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ernsthaft in Zweifel zu stellen.
(2) Weil es auf ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ankommt, ist es für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Bedeutung, ob der Aufenthalt auf Sylt dem Heilungsprozess nicht nur nicht geschadet, sondern ihn sogar gefördert hat und von der die Klägerin behandelnden Ärztin empfohlen worden ist, was von der Klägerin behauptet und von der Beklagten bestritten worden ist.
(3) Auch der Eintrag über einen einwöchigen Urlaub auf Sylt auf der Facebook-Seite sowie die dort eingestellten Fotos, die nach den Behauptungen der Beklagten eine frohgelaunte, glückliche und gesunde Frau zeigen, sind keine Tatsachen, die zu ernsthaften Zweifeln an der attestierten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben. Fotoanlagen geben lediglich eine Momentaufnahme wieder. Das gilt auch für einen Eintrag über ein im Moment des Eintragens empfundenes Wohlbefinden. Bei einer attestierten Belastungsreaktion sprechen solche Eintragungen aber vor allem dafür, dass sich der erkrankte Arbeitnehmer auf dem Weg der Besserung befindet und im Übrigen für die - nicht streitentscheidende - Behauptung der Klägerin, der Aufenthalt auf Sylt sei mit ihrer Ärztin besprochen und von dieser aus Gründen eines positiven Heilungsverlaufs empfohlen worden.
(4) Ernsthafte Zweifel ergeben sich nicht daraus, dass die Ärztin, die die Klägerin behandelt und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt hat, eine Fachärztin für Allgemeinmedizin ist und keine für psychische oder psychiatrische Erkrankungen einschlägige Facharztausbildung aufzuweisen hat. Für das Berufungsgericht ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar, warum eine Fachärztin für Allgemeinmedizin keine Reaktion auf eine schwere psychische Belastung diagnostizieren können sollte. Daran ändert auch die zweitinstanzliche Annahme der Beklagten nichts, die Klägerin habe verabsäumt, sich bei einem Facharzt vorzustellen.
(5) Die Klägerin hat sich nicht einer vertrauensärztlichen Untersuchung unterzogen, zu der sie von ihrer gesetzlichen Krankenkasse auf Veranlassung der Beklagten einbestellt worden ist. Zwar mag dies dem Grunde nach geeignet sein, Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit zu bieten. Hier vermochte das Gericht dem jedoch keine Bedeutung beizumessen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausgeführt, die Krankenkasse der Klägerin aufgefordert zu haben, die Klägerin zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung einzubestellen, nachdem sie die Facebook-Eintragungen der Klägerin zur Kenntnis genommen hat. Eine vertrauensärztliche Untersuchung kommt dann in Betracht, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit beseitigt werden sollen. Da hier weder durch die Facebook-Eintragungen noch durch den Aufenthalt der Klägerin auf Sylt Zweifel an der attestierten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin begründet sind, können solche Zweifel auch nicht dadurch begründet werden, dass die Klägerin zu einer vertrauensärztliche Untersuchung nicht einfindet, die der Aufklärung der - nicht vorhandenen - Zweifel dienen soll. Außerdem hat die Klägerin behauptet, ihr sei von der Krankenkasse ein Termin zur Durchführung der Untersuchung angeboten worden, der nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gelegen hätte, weshalb die Krankenkasse vom Untersuchungstermin wieder Abstand genommen. Wenn auch die Beklagte diese Behauptung der Klägerin bestritten haben mag und als nicht schlüssig bezeichnet hat, fehlt es gleichwohl an eigenem Sachvortrag der Beklagten zu den zeitlichen Umständen und näheren Vorgaben der Krankenkasse zum Untersuchungstermin. Es ist aber nach den oben näher dargelegten Grundsätzen zunächst Aufgabe der Beklagten, die Tatsachen konkret darzulegen und unter Beweis zu stellen, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufwerfen. Es oblag mithin der Beklagten, zur Anberaumung des Untersuchungstermins nach Ort, Zeit und näheren Umständen konkret vorzutragen.
3. Da bereits auf der ersten Stufe der Prüfung einer außerordentlichen Kündigung keine Tatsachen ersichtlich sind, die einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, kommt es nicht mehr darauf an, ob die ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.04.2014 auch unter Abwägung der wechselseitigen Interessen auf der zweiten Prüfungsstufe unverhältnismäßig wäre, wie es das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die erfolgte Freistellung der Klägerin nach deren Eigenkündigung angenommen hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 66 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1, 92 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.