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  • 17.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192563

    Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 14.02.2017 – 12 Ta 17/17

    1. Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist bei erhobenemErfüllungseinwand hinsichtlich der titulierten Verpflichtung zur Zeugniserteilung (nur) zu prüfen, ob den formellen und inhaltlichen Mindestanforderungen an ein Arbeitszeugnis genügt ist.

    2. Eine polemische und ironisch formulierte Leistungsbeurteilung genügt diesen Mindestanforderungen nicht. Ein derartiges "Zeugnis" erfüllt den titulierten Anspruch zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses nicht.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.11.2016, 7 Ca 3337/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Der Beschwerdewert wird auf1.146.- Eurofestgesetzt.



    Gründe



    I.



    Die Gläubigerin hat am 21.09.2015 Kündigungsschutzklage gegen den Schuldner erhoben. Im Gütetermin am 19.10.2015 haben die Parteien einen Beendigungsvergleich geschlossen, welcher die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 15.10.2016 sowie eine Abfindungszahlung vorsah. Ziffer 5) des Vergleichs lautet:"Der Beklagte wird der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis erteilen". Der Vergleich ist nach Ablauf der Widerrufsfrist rechtskräftig geworden.



    Ein Zeugnis ist in der Folgezeit durch den Schuldner nicht erteilt worden.



    Am 17.08.2016 hat die Gläubigerin deswegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, beim Arbeitsgericht beantragt.



    Auf die erfolgte Anhörung hat der Schuldner unter dem 01.09.2016 über seine Prozessbevollmächtigte mitteilen lassen, Zahlung werde erfolgen, wenn die Gläubigerin Kleidung herausgebe. Eine Stellungnahme zum titulierten Zeugnis erfolgte nicht.



    Das Arbeitsgericht hat unter dem 28.09.2016 darauf hingewiesen, dass der Zwangsvollstreckungsantrag begründet erscheint und eine Zwangsgeldfestsetzung angedroht. Der Schuldner hat hierauf unter dem 28.10.2016 mitteilen lassen, unter gleichem Datum sei nunmehr ein Zeugnis an die Gläubigerin übermittelt worden.Ein Zeugnistext wurde zunächst nicht beigefügt.



    Die Gläubigerin hat unter dem 17.11.2016 mitteilen lassen, es sei kein Zeugnis eingegangen.



    Daraufhin hat das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.11.2016 gegen den Schuldner ein Zwangsgeld in Höhe von 500.- Euro - im Fall der Uneinbringlichkeit ersatzweise für jeweils 100.- Euro Zwangsgeld einen Tag Zwangshaft - zur Erzwingung der titulierten Verpflichtung zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Schuldner die titulierte Verpflichtung nicht erfüllt habe.



    Gegen den ihm am 05.12.2016 zugestellten Beschluss hat der Schuldner am 06.12.2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe versucht, der Gläubigerin auf dem Postweg ein Zeugnis zuzuleiten, dieses sei jedoch unter der bekannten Anschrift der Gläubigerin nicht zustellbar gewesen.



    Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner der Gläubigerin alsdann ein auf den 27.10.2016 datiertes, mit "Zeugnis" überschriebenes Schreiben mit nachfolgendem Inhalt übermittelt (Bl. 67 d. A.):



    II.



    Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.



    1.) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß 793 ZPO i. V. m. § 78 ArbGG statthaft. Sie wurde darüber hinaus form- und fristgerecht eingelegt.



    2.) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat gegen den Schuldner zu Recht wegen der Nichterfüllung der titulierten Verpflichtung, ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft in nicht zu beanstandender Höhe festgesetzt.



    a) Bei der titulierten Verpflichtung zur Zeugniserteilung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Bei Nichterfüllung ist Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft durch das Prozessgericht festzusetzen.



    b) Der Schuldner hat die titulierte Verpflichtung zur Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses nicht erfüllt. Das Schreiben vom 27.10.2016 stellt keine Erfüllung des Zeugnisanspruchs dar.



    Zwar ist im Rahmen der Zwangsvollstreckung hinsichtlich der titulierten Verpflichtung zur Zeugniserteilung bei erhobenem Erfüllungseinwand regelmäßig (nur) zu überprüfen, ob überhaupt ein Zeugnis erteilt wurde, welches formalen und inhaltlichen Mindestanforderungen genügt. Einen bestimmten Inhalt eines Arbeitszeugnisses kann demgegenüber der Arbeitnehmer regelmäßig nicht im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens erzwingen. Vielmehr ist hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit und eines etwaigen Zeugnisberichtigungsanspruchs des Arbeitnehmers insofern regelmäßig erneut ein Erkenntnisverfahren zu führen (u. a. Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.08.2012, 4 Ta 170/12, [...]; LAG Köln, Beschluss vom 17.06.2010, 7 Ta 352/09, [...]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.12.2003, 1 Ta 232/03, [...]). Dies gilt auch dann, wenn ein Vergleichstext ausdrücklich verlangt, dass das Zeugnis "wohlwollend" zu formulieren ist. Auch insofern sind keine konkreten inhaltlichen Vorgaben im Zwangsvollstreckungsverfahren durchsetzbar, da mit der Vergleichsformulierung lediglich deklaratorisch die ohnehin bestehenden gesetzlichen Anforderungen an eine Zeugniserteilung wiedergegeben werden (Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.08.2012, 4 Ta 170/12).



    Ein Zeugnis, welches polemisch und in grob unsachlichem und ironischen Stil verfasst ist und bei dessen Vorlage sich der Arbeitnehmer der Lächerlichkeit preisgeben würde, erfüllt jedoch nicht die Mindestanforderungen an die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses (so ausdrücklich bereits LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.12.2003, 1 Ta 232/03, [...]). Ein solches "Zeugnis" stellt bereits keine Erfüllung des titulierten Anspruchs auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses dar, was bereits im Zwangsvollstreckungsverfahren und nicht erst in einem gesonderten Erkenntnisverfahren auf Zeugnisberichtigung zu berücksichtigen ist. Ebenso wie ein "Zeugnis", das keine Leistungsbeurteilung enthält, den auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigenden formellen und inhaltlichen Mindestanforderungen an ein qualifiziertes Arbeitszeugnis nicht genügt (so bereits LAG Köln, Beschluss vom 17.06.2010, 7 Ta 352/09, [...]), genügt auch ein Zeugnis mit einer polemisch und ironisch formulierten Leistungsbeurteilung diesen Mindestanforderungen nicht. Denn in der Bewerbungssituation ist ein solches "Zeugnis" mit einer polemisch und ironisch formulierten Leistungsbeurteilung für den Arbeitnehmer mindestens ebenso wertlos wie ein Zeugnis, das auf eine Leistungsbeurteilung ganz verzichtet.



    Hiervon ausgehend hat der Schuldner mit seinem Schreiben vom 27.10.2016 den titulierten Zeugnisanspruch nicht erfüllt. Das Schreiben vom 27.10.2016 erfüllt nicht die formalen und inhaltlichen Mindestanforderungen an ein Arbeitszeugnis. Es ist vielmehr polemisch und ironisch formuliert und geeignet. Die Gläubigerin würde sich mit der Vorlage dieses Schreibens in einem Bewerbungsprozess der Lächerlichkeit preisgeben.



    Das einzige, was in dem Schreiben vom 27.10.2016 den Bezug zu einemArbeitszeugnis herstellt, ist die Überschrift "Zeugnis" sowie die Benennung des Namens und einer Tätigkeitsbeschreibung der Gläubigerin. Im Übrigen besteht das vermeintliche Zeugnis lediglich aus diskreditierenden Äußerungen über die Gläubigerin, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzen. So gehört selbstredend kein gerichtliches Aktenzeichen in ein Arbeitszeugnis. Vorliegend wurde der Hinweis auf einen geführten Rechtsstreit sogar im Fettdruck noch besonders herausgestellt. Die weiteren Ausführungen zu einer "geschlechterbezogenen" Beliebtheit der Klägerin sowie angeblichen "Schöpferpausen" und angeblichen Arbeitszeiteinteilungen nach eigenen Anforderungen der Gläubigern diskreditieren die Gläubigerin unangemessen und polemisch und gehören offensichtlich nicht in ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis, ebenso wenig wie die zahlreichen Orthographiefehler.



    Das Arbeitsgericht hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung das Schreiben vom 27.10.2016 rechtsfehlerfrei als "Provokation" bezeichnet.



    c) Auch die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) liegen unstreitig und unzweifelhaft vor.



    d) Unschädlich war, dass das Arbeitsgericht eine gesetzlich an sich nicht vorgesehene Androhung des Zwangsgeldes vorgenommen hat. Zwar bestimmt § 888 Abs. 2 ZPO, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO wegen nicht vertretbarer Handlungen die Androhung der Zwangsmittel nicht stattfindet. Hieraus ergibt sich jedoch lediglich, dass die vorherige Androhung der Zwangsmittel nicht erforderlich ist. Eine dennoch vorgenommen Androhung ist hinsichtlich der Rechtswirksamkeit des späteren Zwangsgeldbeschlusses unschädlich, da sie auf diesen keine Auswirkungen hat (OLG München, Beschluss vom 11.06.2002, 21 W 1082/02, [...], Rn 4).



    e) Letztlich war auch die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes sowie der ersatzweisen Zwangshaft unter Berücksichtigung des dem Prozessgericht insoweit eingeräumten Ermessens nicht zu beanstanden. Insofern wird mit der Beschwerde auch keine Rüge erhoben.



    f) Der Schuldner hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 ZPO.



    Der Beschwerdewert entspricht einem Bruttomonatsgehalt anhand der Gehaltsangabe der Klageschrift.



    Gründe zur Zulassung der Rechtsbeschwerde waren nicht gegeben.

    Vorschriften§ 78 ArbGG, § 888 ZPO, § 888 Abs. 2 ZPO, § 888 Abs. 1 ZPO, § 97 ZPO