10.02.2020 · IWW-Abrufnummer 214018
Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 14.01.2020 – 5 Ta 7/20
Allein der Umstand, dass das Formular zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Antragstellung nicht vom Antragsteller unterzeichnet war, begründet keine spätere Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO .
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 24.12.2019 gegen den Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 04.12.2019 - 2 Ca 442/18 - wird der Beschluss aufgehoben.
Auf den Antrag des Klägers vom 04.10.2019 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 05.10.2018 dahingehend abgeändert, dass der Kläger derzeit und bezogen auf den Zeitraum ab Juni 2019 keine Raten aus seinem Einkommen zu zahlen hat.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen bei Erstbewilligung.
Dem Kläger war mit Beschluss vom 05.10.2018 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt worden, dass er monatliche Raten von 93,00 € zu zahlen hat. Diese Raten zahlte er, allerdings erst nachdem die beabsichtigte Aufhebung der Raten, wegen bestehender Rückstände angedroht worden war, jedenfalls zum Teil. So leistete er am 25.03.2019 vier und am 05.06.2019 zwei Raten. Damit waren laut der Aufstellung die Raten, die erstmalig am 03.12.2018 und sodann jeweils am Monatsanfang fällig waren, bis einschließlich 02.05.2019 getilgt.
Der Zahlungsplan war dem Kläger zuletzt, bedingt durch nicht angezeigte Umzüge, am 03.12.2018 übersandt worden.
Aufgrund der Mahnung des Arbeitsgerichtes vom 11.03.2019, zugestellt am 21.03.2019, sowie der angedrohten Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen bestehender Rückstände vom 09.09.2019 übersandte der Kläger persönlich unter Hinweis darauf, dass sein Rechtsanwalt an seinem Verfahren anscheinend nicht mehr interessiert wäre, aktuelle Unterlagen ohne die Formularerklärung zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wies darauf hin, dass er nunmehr arbeitslos sei und bat um Neubewertung seiner Zahlungspflicht. Unter dem 07.10.2019 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Kläger die Raten aufgrund bestehender Arbeitslosigkeit nicht bedienen könne. Mit Schreiben vom 10.10.2019 bat das Arbeitsgericht, nunmehr eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen.
Dies geschah am 29.11.2019 eingehend. Auf die Nachfrage des Arbeitsgerichtes, wonach Zweifel an der Urheberschaft der Unterschrift unter der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bestehe, erklärte der Prozessbevollmächtigte, dass die Unterschriften auf den Anträgen des Klägers durch ihn geleistet worden seien.
Mit Beschluss vom 04.12.2019, zugestellt am 09.12.2019, hob das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO mit der Begründung auf, dass auch der Bewilligungsantrag bereits durch den Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden war und daher kein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgelegen habe, da durch die fehlende Unterschrift der Partei nicht sichergestellt sei, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Bewilligungszeitpunkt vorgelegen hätten.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der am 20.12.2019 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der eine vom Kläger unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt war. Mit Vermerk vom 20.12.2019 erging eine Nichtabhilfe-Entscheidung mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Beantragung nicht vorgelegen hätten und dieses nach Beendigung der Instanz nicht mehr nachgeholt werden könne.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt.
Sie ist auch begründet. Die Aufhebungsgründe gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO liegen nicht vor.
1. Gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe dann aufgehoben werden, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben.
Diese Norm soll dazu dienen, eine objektiv zu Unrecht erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe korrigieren zu können und ist im Zusammenhang mit den weiteren Bestimmungen des § 124 Abs. 1 ZPO zu sehen. Diese sollen ebenfalls eine dahingehende Korrektur ermöglichen, wobei diese im Gegensatz zur Ziffer 3) Verschulden voraussetzen und sogar ein strafbares Verhalten darstellen können, während es bei Ziffer 3) lediglich auf den objektiven Sachverhalt ankommt.
Gemein ist allen Bestimmungen, dass eine Aufhebung dann erfolgt, wenn die Angaben der Partei zu einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Fällen geführt hat, bei denen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe objektiv nicht begründet war. Schon die Gesetzesbegründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum damaligen § 124 ZPO in der Fassung des Gesetzes vom 13.06.1980 (Im Gesetzentwurf noch unter § 121) spricht davon, "die Regelung solle insbesondere die Fälle regeln, die nicht bereits von den anderen Ziffern erfasst werden, insbesondere also solche Fälle, bei denen die Partei zur Zeit ihres Antrages auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht oder aus leichter Fahrlässigkeit nicht wusste, dass die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen nicht vorlagen....und regelt nur den Fall, dass die Bewilligungsvoraussetzungen wegfallen. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Voraussetzungen für die Bewilligung trotz geänderter persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse noch vorliegen" (Drucksache 8/3068 vom 17.07.1979, S. 31).
Schon aus dieser Begründung ergibt sich, dass der gesetzliche Grund für die Aufhebung darin bestehen sollte, dass die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, nicht gegeben waren und auch zum Aufhebungszeitpunkt nicht vorliegen, also eine nicht bedürftige Partei Prozesskostenhilfe erhält. Dieses war auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die gesetzliche Regelung aus dem Jahr 1980 bewusst auf ein erst seit dem 01.01.1987 zunächst in § 120 Abs. 4 ZPO und jetzt in § 120a ZPO geregeltes Nachprüfungsverfahren verzichtet hatte.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe waren aber zum Bewilligungszeitpunkt ebenso gegeben wie derzeit. Die Einkommensverhältnisse des Klägers haben einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründet. Sie haben sich im Verhältnis zum Bewilligungszeitpunkt sogar verschlechtert, so dass der Sachverhalt, dass eine Bewilligung aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Klägers nicht hätte erfolgen dürfen, nicht vorliegt.
2. Allein der Umstand, dass die Unterschrift des Klägers unter dem Erstantrag - für das Gericht zunächst nicht erkennbar - nicht von ihm sondern seinem Prozessbevollmächtigten stammte, steht dem nicht entgegen.
Bei der Unterschrift unter dem Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse handelt es sich weder um einen Bestandteil der persönlichen (z.B. Familienverhältnisse, Unterhaltspflichten) noch der wirtschaftlichen Verhältnisse i.S. des § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO, sondern um eine Formvorschrift, die sicherstellen soll, dass die im Formular getroffenen Angaben wahrheitsgemäß und vollständig erfolgt sind und die Partei insbesondere auch von den in Abschnitt K aufgeführten Mitteilungspflichten Kenntnis genommen hat. Ein Aufhebungstatbestand allein aufgrund der anfänglichen Verletzung formaler Pflichten ist in § 124 Abs. 1 ZPO nicht enthalten. Dies würde auch dem Sinn und Zweck des § 124 Abs. 1 ZPO, der verhindern soll, dass keine nicht bedürftige Partei Prozesskostenhilfeleistungen erhält, nicht gerecht. Eine analoge Anwendung von § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO bei Fehlern der PKH-Bewilligung, die nicht die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse betreffen, kommt nicht in Betracht (so auch Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 124 ZPO, Rn. 16).
Es ist zwar für die Kammer nicht nachvollziehbar, wieso der Klägervertreter, der die Umstände für eine Beantragung von Prozesskostenhilfe als Rechtsanwalt kennen müsste, eine Unterschrift geleistet hat, die er, da es sich um eine höchstpersönliche Erklärung handelt, unter keinem denkbaren Aspekt leisten konnte, zumal hierfür aufgrund des Wohnortes des Klägers auch keinerlei Veranlassung nachvollziehen lässt, die Unterschrift anstelle des Klägers geleistet hat. Ein Aufhebungstatbestand im Sinne des § 124 Abs. 1 ZPO ist dadurch für sich genommen nicht gegeben, so dass die Frage der Zurechenbarkeit gem. § 85 Abs. 2 ZPO für diese Entscheidung dahinstehen konnte.
3. Auf den Änderungsantrag des Klägers mit Schreiben vom 30.09.2019 war der Beschluss vom 05.10.2018 abzuändern, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mittlerweile erheblich verschlechtert haben.
Der Kläger bezog zuletzt Arbeitslosengeld in Höhe von 675,90 € (Bl. 95 d.A.), wovon er die nachgewiesenen Mietkosten von jedenfalls anteilig 335,00 € zu bestreiten hat. Bei Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Ziff. 2 a) ZPO verbleibt kein anrechenbares Einkommen.
Da das Arbeitslosengeld ab dem 06.07.2019 gezahlt wird, entfällt ab Juli 2019 die Pflicht, Raten zu zahlen.
4. Ein Aufhebungstatbestand gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO besteht nicht. Zwar hat der Kläger rein formal betrachtet noch einen Ratenrückstand von einer Rate für den 01.06.2019, da er zu diesem Zeitpunkt noch zahlungsfähig war. Allerdings wird die Pflicht der Partei, angeordnete Raten auch tatsächlich zu begleichen, erst ab dem Zeitpunkt, ab dem ihr das Konto benannt, also der Zahlungsplan übersandt worden ist , begründet (ständige Rechtsprechung siehe nur zuletzt LAG Hamm, 14 Ta 172/19, 14. Mai 2019, juris). Dieses war vorliegend erst am 03.12.2018 der Fall (Vermerk Bl.74 d.A.), wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Umstand aufgrund einer nicht erfolgten Anzeige der Adressänderung durch den Kläger eingetreten ist. Dieses ändert nichts daran, dass der Kläger den Termin für die erste Rate am 03.12.2018 objektiv nicht einhalten konnte.
Damit waren die Raten ab Januar 2019 zu zahlen, so dass bei entsprechender Verrechnung anhand der Zahl der Raten diese bis zum 01.07.2019 getilgt sind.
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.