Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 07.08.2023
Tenor:
- Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Lörrach - vom 16. Februar 2023 - 9 Ca 147/22 - wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
- Die Revisionsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen und verlangt die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das am 16. Februar 2023 verkündete Urteil ist der Klägerin am 27. Februar 2023 zugestellt worden. Hiergegen hat sie am 20. März 2023 Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist aufgrund eines entsprechenden Antrags am 26. April 2023 bis 30. Mai 2023 verlängert worden.
Am 30. Mai 2023 ist beim Berufungsgericht zweifach eine Berufungsbegründung eingegangen. Bzgl. der früher eingegangenen Berufungsbegründung - nachfolgend: erste Übersendung - weist der in der gerichtlichen elektronischen Akte abrufbare Prüfvermerk vom 30. Mai 2023, 17:37:20 Uhr, aus, dass Frau D., eine der Prozessbevollmächtigten der Klägerin - nachfolgend: die Rechtsanwältin -, als Absenderin die Nachricht per EGVP übersandt hat. Die "Angaben zu den Dokumenten" im Prüfvermerk geben wieder, dass die Berufungsbegründung nicht qualifiziert signiert ist:
Der vertrauenswürdige Herkunftsnachweis - nachfolgend 1. VHN - verneint einen "sicheren Übermittlungsweg":
Der maßgebliche Inhalt zum sicheren Übermittlungsweg wird hier vergrößert wiedergegeben:
Die Berufungsbegründung ist ein zweites Mal am selben Tag eingegangen - nachfolgend: zweite Übersendung -. Der Prüfvermerk vom 30. Mai 2023, 17:54:33 Uhr, weist dieselben Ergebnisse wie bei der ersten Übersendung aus: Versendung über EGVP und Fehlen einer qualifizierten elektronischen Signatur. Auch hier ist im vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis - nachfolgend 2. VHN - "Sicherer Übermittlungsweg" verneint.
Die Klägerin wurde mit Verfügung vom 31. Mai 2023 vom Berufungsgericht darauf hingewiesen, die Berufungsbegründung sei beide Male nicht über das beA eingereicht worden und beide Male nicht qualifiziert elektronisch signiert. Die Berufung sei damit unzulässig und könne ohne mündliche Verhandlung verworfen werden.
Innerhalb der eingeräumten Stellungnahmefrist haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf einen beA-Sendebericht bzw. ein Übermittlungsprotokoll (Bl. 141 ff. der Berufungsakte) Bezug genommen (zur unterschiedlichen Terminologie siehe einerseits BRAK, beA-Newsletter 27/2019 ["Sendebericht"], andererseits beA-Newsletter 31/2019 ["Übermittlungsprotokoll"] Bezug genommen), woraus sich bzgl. der zweiten Übersendung die erfolgreiche Zustellung der Berufungsbegründung ergeben soll. Darin finden sich u.a. folgende Angaben:
Mit Verfügung vom 1. Juni 2023 wurde daraufhin gewiesen, dass im "Nachrichtenjournal" unter Benutzername "Mitarbeiter-KarteMitarbeiter-Karte3ui9" aufgeführt sei. Es sei davon auszugehen, dass die Berufungsbegründung von einer Mitarbeiterin versendet worden sei und die Voraussetzungen des §
46c Abs. 3 ArbGG nicht gewahrt seien.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben in Reaktion hierauf weitere Unterlagen vorgelegt. Das beA-Prüfprotokoll, das die Ergebnisse der Zertifikats- und Signaturprüfungen anzeigt, enthält für die zweite Übersendung folgende Informationen zum Übermittlungsweg (Anlage K 44, Bl. 226 ff. der Berufungsakte):
Darunter befinden sich folgende Informationen:
Mit Verfügung vom 26. Juni 2023 (Bl. 240 f. der Berufungsakte) sind weitere Hinweise erteilt worden. Insbesondere ist der Prüfvermerk vom 30. Mai 2023 übersandt und mitgeteilt worden, dass der in den Angaben zum "Autor" in der Anlage K 44 beinhaltete Text "VHN - besonderes elektronisches Anwaltspostfach" und "Signatur ist gültig. Alle notwendigen Prüfungen sind positiv verlaufen" nicht maßgeblich sei, da die Mitteilung "VHN - besonderes elektronisches Anwaltspostfach" nicht den Inhalt des VHN anzeige. Dessen Inhalt ist mit der Verfügung übersandt und es ist hervorgehoben worden, dass darin der sichere Übermittlungsweg verneint ist. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass dem Prüfprotokoll unter Signaturniveau nur "Fortgeschrittene qualifizierte Signatur" zu entnehmen sei.
Zur Glaubhaftmachung dafür, dass die erste Übersendung durch die Rechtsanwältin erfolgt ist, hat sie einen beA-Sendebericht vorgelegt und auf die Informationen zum Absender und "letzte Änderung von" abgestellt, die jeweils ihren Namen beinhalten (Anlage K 45, Bl. 264 f. der Berufungsakte).
Am 31. Mai 2023 ist die Berufungsbegründung erneut per EGVP eingegangen. Sie ist von einer anderen Rechtsanwältin der Kanzlei qualifiziert elektronisch signiert. Mit am 14. Juni 2023 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Rechtsanwältin hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Schriftsatz ist nicht qualifiziert elektronisch signiert, jedoch auf einem sicheren Übermittlungsweg (beA) eingegangen.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben vorgetragen, die Assistentinnen hätten eine sogenannte "Mitarbeiterkarte", mit der sie Zugriff auf die alle Anwaltspostfächer hätten, Nachrichten abrufen und Nachrichtenentwürfe erstellen könnten. Der Prozess zum Versand einer "beA-Nachricht" aus dem Postfach der Rechtsanwältin sei standardisiert und gestalte sich wie folgt:
1. Erstellung des Schriftsatzes durch die Rechtsanwältin
2. Vorbereitung aller erforderlichen Anlagen zu dem Schriftsatz durch die Rechtsanwältin
3. Anweisung gegenüber der jeweils zuständigen Assistentin zur (i) Finalisierung der Anlagen (elektronisches Stempeln) und (ii) entwerfen der Nachricht im besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Rechtsanwältin unter Verwendung der Mitarbeiterkarte
4. Rückmeldung der Assistentin über Fertigstellung des Entwurfs an die Rechtsanwältin
5. Anmeldung der Rechtsanwältin in das besondere elektronische Anwaltspostfach mit der Anwaltskarte
6. Prüfung des Entwurfs durch die Rechtsanwältin
7. Signieren des Schriftsatzes unter Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur
8. Versand der Nachricht durch die Rechtsanwältin während Anmeldung mit der Anwaltskarte aus dem eigenen Postfach heraus
9. Prüfung der erfolgreichen Zustellung der "beA-Nachricht" bei Empfänger durch die Rechtsanwältin und die Assistentin (Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips).
Im Laufe des Nachmittags des 30. Mai 2023 habe die im konkreten Fall tätige Assistentin der Rechtsanwältin mitgeteilt, dass es ihr aufgrund des Umfangs der Berufungsbegründungsschrift nicht ohne weiteres möglich sei, die Anlagen selbständig zu sortieren. Die Rechtsanwältin habe die Assistentin daraufhin angewiesen, nur den fertig gestellten Schriftsatz im Entwurf-Postfach der Rechtsanwältin zu speichern. Nachdem die Assistentin um ca. 17:00 Uhr mitgeteilt habe, dass sie die entsprechende Nachricht im besonderen elektronischen Anwaltspostfach unter Verwendung ihrer Mitarbeiterkarte gespeichert habe, habe die Rechtsanwältin sich umgehend mit ihrer Anwaltskarte im Anwaltspostfach angemeldet, die Berufungsbegründung mittels elektronischer Signatur signiert und um 17.30 Uhr über das beA versendet. Die Versendung sei gescheitert. Beim Betätigen des Befehls "Senden" sei eine Fehlermeldung erschienen (Anlage K 46, Bl. 267 der Berufungsakte), weder der Monitor noch die Maus hätten für einige Minuten betätigt werden können, eine zeitnahe Benachrichtigung über die Zustellung der Berufungsbegründung sei weder bei der Assistentin noch bei der Rechtsanwältin eingegangen. Es müsse ein Übertragungsfehler aufgetreten sein, wie weitere Recherchen nahelegten (vgl. Anlagen K 47 und K 48, Bl. 268 ff. der Berufungsakte). Die Rechtsanwältin habe daher ihre Assistentin angewiesen, den Vorgang zu wiederholen. Diese habe erneut eine Nachricht mit der Berufungsbegründung in ihrem beA unter Verwendung ihrer Mitarbeiterkarte erstellt. Nachdem die Assistentin der Rechtsanwältin dies mitgeteilt gehabt habe, habe die Rechtsanwältin sich erneut im beA angemeldet, die Berufungsbegründungsschrift elektronisch signiert und um 17.53 Uhr erneut vom beA an das Gericht gesandt. Das beA sei beim Sendevorgang erneut abgestürzt - weder der Monitor noch die Maus hätten für einige Minuten betätigt werden können -, dieses Mal sei aber zeitnah eine Zustellungsbenachrichtigung eingegangen, weshalb der Schriftsatz nicht erneut übersandt worden sei. Nach den Angaben der Assistentin in den eidesstattlichen Versicherungen hat sie vergessen zu prüfen, ob die Sendung fehlerfrei erfolgt sei (Anlagen K 43 und K 48, Bl. 225 und 272 der Berufungsakte). Die Assistentin sei eine langjährige, sehr zuverlässige Mitarbeiterin der Kanzlei. In ihrer fast dreijährigen Zugehörigkeit zur Kanzlei sei ihr bei der Unterschrifts-, Fristen- und Prüfungsprotokollkontrolle noch nie ein Fehler unterlaufen. Es handele sich um einen einmaligen Fehler. Inwiefern erneut ein technischer Fehler aufgetreten sei, können noch nicht beurteilt werden. Aus dem Prüfprotokoll ergebe sich, dass die Rechtsanwältin selbst, nicht jedoch die Assistentin, die Berufungsbegründung aus ihrem Postfach versandt habe, da gemäß der Anlage K 45 als Absender die Rechtsanwältin genannt und unter "letzte Änderung" ebenfalls ihr Name aufgeführt sei. Sollte aus dem Prüfungsprotokoll wider Erwarten nicht hervorgehen, dass die Berufungsbegründung vom beA der Rechtsanwältin versendet und von dieser signiert worden sei, könne dies allenfalls an einem technischen Fehler liegen, der aus dem Absturz des besonderen elektronischen Postfachs beim Sendevorgang resultieren müsse. Die veranlassten technischen Prüfungen durch externen IT-Anbieter, KLEOS-Anwendersupport und beA-Kundensupport hätten ergeben, dass die Daten der Rechtsanwältin nicht in der erforderlichen Form hätten übermittelt werden können, die beA-Karte habe beim Sendevorgang offensichtlich nicht identifiziert werden können. Das Fehlen einer qualifizierten Signatur sei ohnehin unschädlich, da ein sicherer Übermittlungsweg eingehalten sei. Zudem sei bereits um 17.35 Uhr eine den Voraussetzungen des §
46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 ArbGG entsprechende Übermittlung erfolgt, da der Schriftsatz von der Rechtsanwältin mit ihrer beA-Karte signiert und versendet worden sei. Für die fehlerhafte Übermittlung bzw. das fehlerhafte Protokoll treffe die Prozessbevollmächtigten kein Verschulden. Dieses beruhe ausschließlich auf einem technischem Defekt. Hilfsweise werde wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist aufgrund der angeführten Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der entsprechende Schriftsatz ist am 14. Juni 2023 beim Berufungsgericht eingegangen.
Die Beklagte hat zur Frage der formwirksamen Einreichung der Berufungsbegründungsschrift am 30. Mai 2023 vorgetragen, aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Berufungsbegründung nicht qualifiziert elektronisch signiert und nicht über das beA der Rechtsanwältin versandt worden sei. Zuletzt habe die Rechtsanwältin die Versendung mit qualifizierter Signatur auch nicht mehr behauptet. Die Behauptung der Rechtsanwältin, sie habe die Berufungsbegründung unter Verwendung ihrer eigenen Anwaltskarte signiert und aus ihrem eigenen elektronischen Anwaltspostfach auf sicherem Übermittlungsweg eingereicht, lasse sich mit dem Zustellnachweis nicht in Einklang bringen. Ein Verschulden der Assistentin liege nicht vor. Es existierten wohl keine konkreten Anordnungen, wie der Versandvorgang kontrolliert werde. Eine Differenzierung zwischen einfacher Signatur und qualifizierter Signatur werde bei der Überprüfung des Versandvorgangs offenbar nicht vorgenommen. Eine technische Störung scheide aus, die Berufungsbegründung sei beim Berufungsgericht tatsächlich angekommen. Damit scheide auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien zur Frage des wirksamen Eingangs der Berufungsbegründung bereits am 30. Mai 2023 wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die nach §
64 Abs. 2 Buchstabe c) ArbGG statthafte Berufung ist unzulässig. Die Berufungsbegründung ist erstmals am 31. Mai 2023 formwirksam gemäß §
46c Abs. 3 und 4 ArbGG beim Berufungsgericht eingegangen und damit nach der bis 30. Mai 2023 verlängerten Berufungsbegründungsfrist (nachfolgend I.). Der Klägerin ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten lässt nicht erkennen, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert waren (nachfolgend II.).
I. Die Berufungsbegründung ist nicht formwirksam bis 30. Mai 2023 beim Berufungsgericht eingegangen.
1. Nach §
66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist die Berufung binnen einer Frist von einem Monat einzulegen und binnen zwei Monaten zu begründen. Die Frist beginnt nach §
66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts vom 16. Februar 2023 ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27. Februar 2023 zugegangen. Hiergegen haben sie am 20. März 2023 Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist aufgrund eines entsprechenden Antrags am 26. April 2023 bis 30. Mai 2023 verlängert worden. Die Berufungsfrist ist durch einen fristgerechten, formwirksamen Schriftsatz gewahrt. Die Berufungsbegründung ist zwar am letzten Tag der verlängerten Frist eingegangen, sie ist jedoch nicht formwirksam eingereicht worden.
2. Seit dem 1. Januar 2022 sind Berufung und Berufungsbegründung als elektronische Dokumente einzureichen (vgl. §
46g Satz 1 ArbGG i.V.m. §
64 Abs. 7 ArbGG: Danach sind u.a. vorbereitende Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronische Dokumente zu übermitteln, worunter auch die Berufungsschrift und Berufungsbegründung als sogenannte bestimmende Schriftsätze gehören, vgl. BAG 23. Mai 2023 -
10 AZB 18/22 - Rn. 10 f.; ErfK/Koch 23. Aufl. §
46c ArbGG Rn. 2; BeckOK ArbR/Hamacher 68. Ed. 1. Juni 2023 §
46g ArbGG Rn. 3 f. m.w.N.). Die Anforderungen an die Signatur und den Übermittlungsweg eines elektronischen Dokuments ergeben sich aus §
64 Abs. 7 ArbGG i.V.m. §
46c Abs. 3 und 4 ArbGG. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form nach §
46g ArbGG betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH 24. November 2022 -
IX ZB 11/22 - Rn. 7 m.w.N.; BAG 5. Juni 2020 -
10 AZN 53/20 - Rn. 25). Wird die vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die Prozesserklärung unwirksam und führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels ( BAG 23. Mai 2023 -
10 AZB 18/22 - Rn. 11).
3. Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Person entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen sein (§
46c Abs 3 Satz 1 Alt. 1 ArbGG) oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§
46a Abs 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG). Ein elektronisches Dokument, das mit einer qeS der verantwortenden Person versehen ist, darf gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ERVV außer auf einem sicheren Übermittlungsweg auch an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete EGVP übermittelt werden (vgl. nur BGH 30. März 2022 - XII ZR 311/21 - Rn. 8; BAG 5. Juni 2020 -
10 AZN 53/20 - Rn. 11).
4. Die Berufungsbegründung ist am 30. Mai 2023 auf keinem dieser Wege beim Berufungsgericht eingegangen.
a) Die Berufungsbegründung ist am 30. Mai 2023 nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingegangen.
aa) Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet (st. Rspr., BAG 5. Juni 2020 -
10 AZN 53/20 - Rn. 17; vgl. nur BGH 20. September 2022 -
XI ZR 118/22 - Rn. 7 m.w.N.). Die erforderliche eigenhändige Versendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (VHN) dokumentiert ( BAG 5. Juni 2020 -
10 AZN 53/20 - Rn. 27). Fehlt ein solcher Eintrag, ohne dass dies allein auf einen technischen Fehler zurückzuführen wäre, lässt dies darauf schließen, dass das (einfach signierte) Dokument ohne persönliche Anmeldung des Postfachinhabers oder durch eine andere Person versandt wurde. Beides erfüllt nicht die Anforderungen an einen sicheren Übermittlungsweg, weil Identität des Urhebers und Authentizität des Schriftstücks in diesen Fällen nicht gewährleistet sind. Die Absenderangabe und die auch in solchen Fällen mit versandte "Nutzer-ID" können den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis nicht ersetzen. Sie identifizieren nur das besondere elektronische Anwaltspostfach, von dem aus das elektronische Dokument versandt wurde, nicht aber die das Dokument versendende Person (BGH 20. September 2022 -
XI ZR 118/22 - Rn. 8 m.w.N.). Denn unabhängig davon, ob die Rechtsanwältin oder eine Assistentin gesendet hat, wird immer die SAFE-ID der Rechtsanwältin im Prüfprotokoll oder Prüfvermerk angezeigt.
bb) Aufgrund der angestellten Überprüfung steht sowohl anhand Prüfvermerk und Prüfprotokoll, die den VHN visualisieren (H. Müller in Ory/Weth jurisPK-ERV 2. Aufl §
130a ZPO Rn. 197), aber insbesondere aufgrund des VHN fest, dass die Berufungsbegründung weder um 17.35 Uhr noch um 17.53 Uhr nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. §
46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG übersandt worden ist. Der VHN weist aus: <Sicherer_Uebermittlungsweg>nein</Sicherer_Uebermittlungsweg>. Dem entsprechen die Inhalte in Prüfvermerk und Prüfprotokoll, die jeweils beinhalten "Diese Nachricht wurde per EGVP" übersandt. Es bleibt damit die Möglichkeit, dass die Rechtsanwältin sich entweder nicht persönlich angemeldet oder doch eine andere Person die Versendung vorgenommen hat ( BGH 20. September 2022 -
IX ZR 118/22 - Rn. 8).
cc) Auch die von der Bundesrechtanwaltskammer vorgehaltenen Informationen unter "Erläuterungen zum Prüfprotokoll" (vgl. https://handbuch.bea-brak.de/arbeiten-mit-ihrem-bea/nachrichten/oeffnen- und-anzeigen/pruefen-einer-qualifizierten-elektronischen-signatur-qes-/erlaeuterungen-zum-pruefprotokoll) machen deutlich, dass das zuvor gefundene Ergebnis durchaus Normalität ist. Die BRAK stellt die seit der Weiterentwicklung des VHN, dem sogenannten VHN2, möglichen Informationen zum Übermittlungsweg im Einzelnen tabellarisch dar.
Danach kann auch bei Verwendung einer "VHN-Signatur-CA" "beA" das "Prüfergebnis (Meldungstext)" mit "Diese Nachricht wurde per EGVP erstellt" lauten, nämlich dann wenn kein sicherer Übermittlungsweg vorliegt:
Auch das bestätigt, dass kein sicherer Übermittlungsweg i.S.d. §
46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG gewählt worden ist.
dd) Ein technischer Defekt, der begründen könnte, dass die Angaben im VHN falsch sind, ist weder glaubhaft (§
236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. §
294 ZPO) gemacht noch im Übrigen ersichtlich. Der Vortrag der Rechtsanwältin zu ihren Bemühungen, über den externen IT-Anbieter, den KLEOS-Anwendersupport sowie den beA-Kundensupport nähere Informationen einzuholen, erhellen nicht, welcher technische Fehler aufgetreten sein soll, der dazu geführt haben könnte, dass der VHN einen fehlerhaften Inhalt aufweist. Die vom externen Anbieter erteilten Informationen haben zu der Erkenntnis geführt, dass es ein Problem mit dem "beA-Service" in Verbindung mit der Kanzleisoftware "KLEOS" gegeben habe, die Daten hätten nicht in der erforderlichen Form übermittelt werden können. Die weiteren Informationen durch den KLEOS-Anwendersupport sollen bestätigt haben, dass es einen Übertragungsfehler im Zusammenhang mit dem beA gegeben habe, die beA-Karte der Rechtsanwältin habe während des Sendevorgangs nicht identifiziert werden können. Dieser Vortrag begründet nicht, dass die Angaben im VHN falsch sind. Hinzukommt, dass sich dieser Vortrag allein auf die erste Übersendung der Berufungsbegründung um 17.35 Uhr bezieht. Zur zweiten Übersendung ist nichts weiter vorgetragen.
b) Die Berufungsbegründung, die am 30. Mai 2023 zweifach eingegangen ist, ist auch nicht qualifiziert elektronisch signiert gewesen. Die Rechtsanwältin hat zwar behauptet, sie habe die Berufungsbegründung sowohl vor der ersten Übersendung um 17.35 Uhr als auch vor der zweiten Übersendung um 17.53 Uhr mit ihrer beA-Karte signiert. Damit bringt sie schon nicht zum Ausdruck, dass sie eine qualifizierte elektronische Signatur angebracht hat. Das von ihr vorgelegte Prüfprotokoll belegt auch das Gegenteil: Danach ist unter "Signaturniveau" nur "fortgeschrittene elektronische Signatur" festgehalten. Selbst wenn sie eine qualifizierte elektronische Signatur angestoßen hätte, ist ihr nicht der Nachweis gelungen, dass die Signatur erfolgreich zu Ende geführt werden konnte. Die Prüfvermerke vom 30. Mai 2023, die Bestandteile der Akte nach §
298 Abs. 2 ZPO sind ( BAG 5. Juni 2020 -
10 AZN 53/20 - Rn. 31),
ergeben vielmehr ein anderes Bild: Zum Eingangszeitpunkt der Berufungsbegründung um 17:35:06 Uhr (erste Übersendung) und um 17:53:12 Uhr (zweite Übersendung) war die Berufungsbegründung nicht qualifiziert elektronisch signiert. Die Rechtsanwältin hat bereits nicht vorgetragen, wie sie überprüft hat, dass die qualifizierte elektronische Signatur erfolgreich erstellt werden konnte. Sie hat ihre Behauptungen auch nicht unter Beweis gestellt oder jedenfalls glaubhaft gemacht (§
236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. §
294 ZPO). Sie hat aufgrund der angestellten Recherchen (vgl. dazu auch vorstehend B. I. 4. a) cc) der Gründe) im Gegenteil zuletzt vorgetragen, die Übertragung sei wohl durch die BRAK (Bundesrechtsanwaltskammer) blockiert worden und weitergehend:
Aufgrund dieses Übertragungsfehlers und der Tatsache, dass von "der Übertragungsverbindung keine Daten gelesen werden" konnten, konnte die beA-Karte der Klägerin im Sendevorgang offensichtlich nicht identifiziert werden.
Wenn die beA-Karte im Sendevorgang nicht identifiziert werden konnte und die Übersendung durch die BRAK blockiert worden ist, dann ist erst recht nicht glaubhaft gemacht, wie die Rechtsanwältin eine qualifizierte elektronische Signatur mit einer nicht identifizierbaren beA-Karte erstellt haben will.
II. Der Klägerin war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu versagen, §
233 i.V.m. §
85 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht (§
236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. §
294 ZPO), sie sei ohne ihr Verschulden bzw. ohne ein ihr nach §
85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden der Rechtsanwältin an der fristgemäßen Einreichung der Berufungsbegründung verhindert gewesen.
1. Nach §
233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§
85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den seitens der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Fristversäumnis von der Partei beziehungsweise ihren Prozessbevollmächtigten verschuldet war ( BGH 11. Mai 2021 -
VIII ZB 9/20 - Rn. 42). Ist das Fristversäumnis allerdings infolge eines Fehlverhaltens von Büropersonal der Prozessbevollmächtigten eingetreten, liegt kein der Partei zuzurechnendes Verschulden vor, wenn die Prozessbevollmächtigten ihre Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht haben (vgl. BAG 7. August 2019 -
5 AZB 16/19 - Rn. 9 m.w.N.).
2. Danach war die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet i.S.d. §
233 ZPO.
a) Die Prozessbevollmächtigte einer Partei muss alles ihr Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. In ihrer eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg persönlich vorzunehmen, damit die Echtheit und die Integrität des Dokuments wie bei einer persönlichen Unterschrift gewährleistet sind (vgl. BGH 30. März 2022 -
XII ZB 311/21 - Rn. 15 m.w.N.). Aufgrund dessen muss die Prozessbevollmächtigte überprüfen, ob einer dieser beiden Wege eingehalten ist.
b) Dieser Prüfpflicht ist die Rechtsanwältin nicht ausreichend nachgekommen.
aa) Nach dem Vortrag der Rechtsanwältin ist organisatorisch nicht sichergestellt, dass die erstellten Signaturen darauf überprüft werden, ob sie technisch gültig mit dem angegebenen Niveau sind. Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich, weshalb die Rechtsanwältin das von ihr behauptete "Vier-Augen-Prinzip" nicht gewahrt hat.
(1) Die Prüfung kann leicht dadurch erfolgen, dass im Prüfprotokoll kontrolliert wird, ob unter "Signaturniveau" angegeben ist "qualifizierte elektronische Signatur". So stellt die Bundesrechtsanwaltskammer im beA-Anwenderhandbuch unter https://handbuch.bea-brak.de/arbeiten-mit-ihrem-bea/nachrichten/oeffnen- und-anzeigen/pruefen-einer-qualifizierten-elektronischen-signatur-qes dar, wie Signaturen geprüft werden können und stellt Erläuterungen zum Prüfprotokoll unter https://handbuch.bea-brak.de/arbeiten-mit-ihrem-bea/nachrichten/oeffnen- und-anzeigen/pruefen-einer-qualifizierten-elektronischen-signatur-qes/erlaeuterungen-zum-pruefprotokoll zur Verfügung. Bei einer qualifizierten elektronischen Signatur erscheint unter "Signaturniveau" der Text "Qualifizierte elektronische Signatur":
Unzumutbare Überprüfungspflichten gehen mit der Durchsicht des Prüfprotokolls also nicht einher (vgl. hierzu auch BGH 21. März 2023 -
VIII ZB 80/22 - Rn. 27 m.w.N.).
(2) Im von der Rechtsanwältin vorgelegten Prüfprotokoll ist unter Signaturniveau nur "Fortgeschrittene elektronische Signatur" angegeben. Hierbei handelt es sich allenfalls um eine Signatur i.S.d. Art. 3 Nr. 11 eIDAS-VO (Verordnung (EU) Nr. 910/2014 vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG), nicht jedoch um die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur gemäß Art. 3 Nr. 12 eIDAS, also eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht (vgl. hierzu BGH 30. März 2022 -
XII ZB 311/21 - Rn. 12; Schwab/Weth/Herberger ArbGG 6. Aufl. § 46c Rn. 24; H. Müller in Ory/Weth jurisPK-ERV 2. Aufl. §
130a ZPO Rn. 174). Wäre eine Kontrolle durchgeführt worden, hätte dies ohne Weiteres auffallen müssen. Werden dagegen nur die Prüfergebnisse unter "Zusammenfassung und Struktur" geprüft, fällt nicht auf, dass das Signaturniveau einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht entspricht.
(3) Es ist kein Vortrag der Rechtsanwältin erfolgt, dass generell organisatorische Vorkehrungen dahin getroffen sind, dass die Prüfung der erfolgreichen Versendung von fristgebundenen Schriftsätzen die Kontrolle beinhaltet, dass eine qualifizierte elektronische Signatur erfolgreich erstellt worden ist. Vorgetragen ist nur, dass die erfolgreiche Zustellung der "beA-Nachricht" beim Empfänger nach dem Vier-Augen-Prinzip durch die Rechtsanwältin und ihre Assistentin erfolgt. Dazu gehört nicht zwingend die Kontrolle der erfolgreichen Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur. In einer der eidesstattlichen Versicherungen (Anlage K 43) hat die Assistentin zwar ausgeführt, die Rechtsanwältin habe sie angewiesen, jedes Mal nach Versenden einer Nachricht die Eingangsbestätigung, das Prüfungsprotokoll und das Signierprotokoll auf Fehler zu prüfen. Insbesondere nach technischen Problemen mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach habe sie die Eingangsbestätigungen und Prüfungsprotokolle eingehend prüfen sollen, worauf die Rechtsanwältin regelmäßig hingewiesen habe. Ob dazu auch die Kontrolle der technisch wirksam erstellten qualifizierten elektronischen Signatur gehört, ist nicht vorgetragen. Dagegen spricht, dass bei der Übersendung per beA eine solche Signatur gemäß §
46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG nicht erforderlich ist.
(4) Selbst wenn die o.g. Prüfung in der allgemeinen Anweisung beinhaltet wäre, ist jedenfalls nicht ersichtlich und ist insbesondere nicht vorgetragen, dass - nachdem die Assistentin versagt haben soll - zumindest die Rechtsanwältin im konkreten Fall geprüft hat, ob eine qualifizierte elektronische Signatur wirksam erstellt worden ist und damit dem von ihr vorgetragenen "Vier-Augen-Prinzip" Rechnung getragen hat. Angesichts des zweimaligen Absturzes des Systems wäre dies dringlich angezeigt gewesen.
bb) Es ist auch nicht schlüssig vorgetragen, dass organisatorische Vorkehrungen dazu getroffen worden sind, dass zu der "Prüfung der erfolgreichen Zustellung einer beA-Nachricht" nicht nur gehört, den Eingang beim Empfänger an sich zu prüfen, indem z.B. die Eingangsbestätigung kontrolliert wird (vgl. dazu BGH 11. Mai 2021 -
VIII ZB 9/20 - Rn. 47 f.; 18. April 2023 -
VI ZB 36/22 - Rn. 14), sondern auch, dass der Eingang beim Empfänger auf einem sicheren Übermittlungsweg, hier nach §
46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG, erfolgt ist. Ebenso wenig sind Umstände ersichtlich, dass zumindest die Rechtsanwältin ihrer Prüfpflicht genügt hat.
(1) Ebenso wenig wie die in einem Prüfprotokoll vorhandenen Angaben über einen ordnungsgemäß erfolgten Signaturvorgang (§
130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) etwas über den Eingang der Berufungsschrift auf dem Justizserver sagen (vgl. BGH 18. April 2023 -
VI ZB 36/22 - Rn. 16), sagt die Eingangsbestätigung des Justizservers, die im Übermittlungsprotokoll enthalten ist, etwas darüber aus, ob der Schriftsatz formwirksam, das heißt mit einfacher Signatur des Postfachinhabers auf einem sicheren Übermittlungsweg oder mittels qualifizierter Signatur bei Gericht eingereicht worden ist (vgl. ebenso BRAK beA-Newsletter 31/2019). Es ist deshalb unerlässlich, dass z.B. im Prüfprotokoll unter "Informationen zum Übermittlungsweg" geprüft wird, ob hier erscheint "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach" oder wie im vorliegenden Rechtsstreit "Diese Nachricht wurde über EGVP versandt". Auch hierzu hält die Bundesrechtanwaltskammer entsprechende Informationen unter "Erläuterungen zum Prüfprotokoll" (vgl. https://handbuch.bea-brak.de/arbeiten-mit-ihrem-bea/nachrichten/oeffnen- und-anzeigen/pruefen-einer-qualifizierten-elektronischen-signatur-qes-/erlaeuterungen-zum-pruefprotokoll) vor, die mit einer bildlichen Darstellung des Prüfprotokolls beginnen, das gleich zu Beginn wie folgt aussieht:
Und weiter unter "1. Information zum Übermittlungsweg":
Damit wird für den Anwender deutlich dargestellt, was im Text des Prüfprotokolls erscheinen muss, damit er von der Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg - hier: beA - ausgehen kann. Erscheint stattdessen wie im vorliegenden Rechtsstreit der Text: "Diese Nachricht wurde per EGVP versandt" ist auf den ersten Blick erkennbar, dass etwa "schief gelaufen" ist.
(2) Die eidesstattliche Versicherung der Assistentin (Anlage K 43) genügt nicht, um glaubhaft zu machen (§
236 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 i.V.m. §
294 ZPO), dass es unabhängig davon, ob das zu versendende Dokument qualifiziert elektronisch signiert gewesen ist oder nicht, auch zu ihren Prüfpflichten gehört, auf die Information beim Übermittlungsweg insbesondere dahin zu achten, ob der sichere Übermittlungsweg eingehalten ist und bei dem Vermerk "Diese Nachricht wurde über EGVP versandt" aufzumerken und die Rechtsanwältin darauf aufmerksam zu machen. Diese Prüfpflicht ist schon deshalb nicht selbstverständlich, weil die Rechtsanwältin vorgetragen hat, sie signiere die Schriftätze qualifiziert elektronisch, so dass die Versendung über das EGVP formwirksam i.S.d. §
46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ArbGG wäre, sofern die qES ordnungsgemäß zustande gekommen wäre.
(3) Des Weiteren ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Rechtsanwältin selbst der von ihr vorgetragenen Organisation ("Vier-Augen-Prinzip"), zu der gehört hat, dass auch sie die "erfolgreiche Zustellung der beA-Nachricht beim Empfänger" prüft, gerecht geworden ist. Wie bereits ausgeführt, wäre dies im vorliegenden Fall angesichts des geschilderten zweimaligen Absturzes des Systems zwingend notwendig gewesen. Wenn die Assistentin dies vergessen hat, ändert dies nichts daran, dass die Rechtsanwältin selbst hätte prüfen müssen.
cc) Gibt der Vortrag der Rechtsanwältin gemäß der unter vorstehend aa) und bb) ersichtlichen Ausführungen Anlass zu Zweifeln, ob die allgemeinen organisatorischen Anweisungen ausreichend für eine formwirksame Fristwahrung gewesen sind, so kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsanwältin durch eine Einzelanweisung an die Assistentin sichergestellt hat, dass eine Überprüfung der Formwirksamkeit der Einreichung der Berufungsbegründung am 30. Mai 2023 erfolgt und sie selbst deshalb auch vom Vier-Augen-Prinzip abweichen durfte.
(1) Der Prozessbevollmächtigten einer Partei ist ein - ihr zuzurechnendes - Verschulden an der Fristversäumung dann nicht anzulasten, wenn zwar die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen oder Anweisungen für eine Fristwahrung unzureichend sind, sie aber einer Kanzleikraft, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (st. Rspr., vgl. nur BGH 4. September 2022 -
VIII ZB 70/17 - Rn. 22 m.w.N.).
(2) Anlass zur Prüfung gibt insofern zwar nicht das schriftsätzliche Vorbringen der Rechtsanwältin, jedoch der Inhalt der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Assistentin (Anlage K 48). Danach soll die Rechtsanwältin sie angewiesen haben, aufgrund der Fehlermeldung sämtliche Protokolle auf etwaige Fehler zu prüfen, was sie aber zum ersten Mal vergessen habe. Der Inhalt der eidesstattlichen Verfügung passt nicht zu dem schriftsätzlichen Vorbringen, wonach aufgrund des Eingangs einer Zustellungsbenachrichtigung im Zusammenhang mit der zweiten Übersendung der Berufungsbegründung die erneute Versendung des Schriftsatzes unterblieben ist. Von einer Einzelanweisung ist hier nicht die Rede.
Vielmehr wäre die Prüfung bewusst unterblieben.
Es ist insbesondere aber auch nicht erkennbar, weshalb sich die Rechtsanwältin nicht an ihre eigenen organisatorischen Vorkehrungen gehalten hat, wonach auch sie nach dem Vier-Augen-Prinzip die erfolgreiche Übersendung einer "beA-Nachricht" prüft. Es wäre ihre Pflicht gewesen, die aussagekräftigen Prüfdokumente aufzurufen und zu kontrollieren, wenn sie ihr nicht von der Assistentin vorgelegt werden. Aus dem Prüfprotokoll vom 31. Mai 2023 (Anlage K 44) hätte sie auf den ersten Blick erkennen können, dass die Berufungsbegründung am 30. Mai 2023 über EGVP versendet worden ist und nicht über das besondere Anwaltspostfach. Ein weiterer Blick hätte gezeigt, dass das Signaturniveau nur dem einer "fortgeschrittenen elektronischen Signatur" entsprochen hat, nicht jedoch einer qualifizierten elektronischen Signatur. Deshalb genügt die eidesstattliche Versicherung nicht, um ein Verschulden nach §
85 Abs. 2 ZPO auszuschließen. Ein Fehler der Assistentin hat nicht entscheidend zur formunwirksamen Einreichung der Berufungsbegründung geführt.
3. Es kann daher dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrags gewahrt sind (vgl. hierzu nur BAG 7. August 2019 -
5 AZB 16/19 - Rn. 10 f. m.w.N.).
C.
1. Die Klägerin trägt als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens (§
97 Abs. 1 ZPO).
2. Die Revisionsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§
77 Satz 2,
72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.