· Fachbeitrag · Abgabenordnung
Anwendung des § 129 AO bei Abgabe elektronischer Steuererklärungen
von Dr. iur. Dennis Franke, LL.M., Düsseldorf
| Bei elektronisch übermittelten Steuererklärungen und Gewinnermittlungen, die nicht durch das Finanzamt erfasst werden, macht sich das Finanzamt die Sachverhaltsermittlung und etwaige Fehler im Sinne von § 129 AO zu eigen, wenn anhand der vorliegenden Unterlagen erkennbar ist, dass Angaben zu einer Zeile in der Steuererklärung hätten gemacht werden müssen und diese nur versehentlich nicht erfolgt sind. Die in der Rechtsprechung des BFH zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gelten auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen. Ein Körperschaftsteuerbescheid ist offenbar unrichtig, wenn die Steuerpflichtige die Zeile 44a der Körperschaftsteuererklärung nicht ausgefüllt hat, obwohl sich aus den dem FA vorliegenden Steuerbescheinigungen und der Anlage WA zur Körperschaftsteuererklärung ergibt, dass die Steuerpflichtige eine Gewinnausschüttung einer GmbH erhalten und das FA in der Anrechnungsverfügung zum Körperschaftsteuerbescheid die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet hat. |
Sachverhalt
Im Besprechungsfall reichte die Klägerin durch ihren Steuerberater am 16.12.2014 die Körperschaftsteuererklärung 2013 in elektronischer Form ein. Hierin erklärte sie einen Steuerbilanzgewinn. In den Zeilen 44 ff. des Mantelbogens zu inländischen Sachverhalten im Sinne von § 8b KStG waren keine Angaben enthalten. Am 29.12.2014 reichte die Klägerin zwei Steuerbescheinigungen ein, aus denen sich ergab, dass an sie von einer GmbH Kapitalerträge i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG ausgeschüttet und Kapitalertragsteuer gem. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG einbehalten worden war. In der Anlage WA wurde auf den anrechenbaren Betrag der ausgewiesenen Kapitalertragsteuer hingewiesen. In der GuV des Streitjahres hat die Klägerin die Erträge als „Erträge aus Beteiligungen nach Rechtsform nicht zuordenbar“ erfasst. Das FA veranlagte im Februar 2015 erklärungsgemäß und setzte die Körperschaftsteuer unter Anrechnung der Kapitalertragsteuer mit 0 EUR fest. Hierneben erließ das FA einen Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer. Gegen die Bescheide wurden keine Einsprüche eingelegt.
Im November 2015 beantragte die Klägerin, den Verlustfeststellungsbescheid für das Streitjahr insoweit zu ändern, dass ein Verlust festgestellt werde. Die ausgeschütteten Erträge seien versehentlich als steuerpflichtig behandelt worden, sodass eine offenbare Unrichtigkeit vorliege, die eine Änderung zulasse. Später ergänzte die Klägerin, dass ebenfalls eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich sei, da dem FA nachträglich bekannt geworden sei, dass die Beteiligung an der Gesellschaft mehr als 15 % betrage. Das FA lehnte eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ab, da der Steuerpflichtige durch die Nichtbeantwortung von ausdrücklich gestellten Fragen, insbesondere die Nichtausfüllung der Zeilen 44a ff., grob schuldhaft gehandelt habe. Auf eine mögliche Änderung gem. § 129 AO ist das FA nicht eingegangen. Das FG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Eine Änderung gem. § 129 AO komme nicht in Betracht, da der Fehler des Steuerberaters für das FA nicht offenbar gewesen sei. Eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide aus, da den Steuerberater ein grobes Verschulden treffe. Die hiergegen eingelegte Revision hatte Erfolg.
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