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  • · Fachbeitrag · § 3 UStG

    Überlassung gefährlicher Abfälle zur Entsorgung kein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe

    Übernimmt ein Unternehmer gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung nach einem Verwertungsverfahren zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen, liegt lediglich eine vom Unternehmer erbrachte Entsorgungsdienstleistung vor. Die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes kommt mangels Lieferung des gefährlichen Abfalls an den Unternehmer nicht in Betracht. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Unternehmer einen möglichen Verkaufspreis von Stoffen, die er durch die spätere Verwertung des gefährlichen Abfalls gewinnen und wieder verkaufen kann, kalkulatorisch als Preisnachlass zugunsten der Kunden berücksichtigt.

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige, eine GmbH, war als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert. Die Kunden der Steuerpflichtigen setzten in ihren Betrieben Chemikalien ein, die nach dem betrieblichen Einsatz gefährliche Abfälle i. S. d. KrWG darstellten und deren ordnungsgemäße Entsorgung nachzuweisen war. Die Steuerpflichtige nahm den Kunden die verunreinigten Chemikalien zum Zwecke der Entsorgung nach dem in Anlage 2 KrWG aufgeführten Verwertungsverfahren ab. Dazu verpflichtete sie sich gegenüber den Kunden und gab dies auch im Rahmen des Entsorgungsnachweises an.

     

    Die Steuerpflichtige bewahrte die verunreinigten Chemikalien zunächst in speziellen, nach den gesetzlichen Vorschriften ausgestatteten Lagern auf. In diesen Lagern wurden die einzelnen verunreinigten Chemikalien ihrer Art nach getrennt gesammelt und ‒ sobald eine Mindestmenge vorhanden war ‒ der Aufbereitung im Rahmen eines chemischen Prozesses zugeführt. Dabei löste die Steuerpflichtige die Verunreinigungen aus den Chemikalien in ihren Aufbereitungsanlagen heraus und entsorgte diese. Die gereinigten Chemikalien veräußerte die Steuerpflichtige als „Regenerat“, falls sie in marktgängiger Qualität aufbereitet werden konnten. Es war jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen des Reinigungsprozesses kein ausreichend reines Regenerat gewonnen werden konnte. In diesem Fall musste die Steuerpflichtige die weiterhin verunreinigten Chemikalien auf eigene Kosten thermisch entsorgen lassen.

     

    Den Preis für die Entsorgung der gefährlichen Abfälle bestimmte die Steuerpflichtige anhand des Grades der Verunreinigung, der in ihrem Betrieb erst nach dem Erhalt der verunreinigten Chemikalien durch eine Analyse festgestellt wurde. Der Entsorgungspreis variierte außerdem nach der Verwendungsart der Chemikalien im jeweiligen Betrieb des Kunden, die ebenfalls auf den Umfang der Verunreinigung schließen ließ.

     

    Nach Auffassung des Finanzamts stellte die Entsorgung der verunreinigten Chemikalien einen tauschähnlichen Umsatz dar. Die Steuerpflichtige erhalte für ihre Entsorgungsleistung neben dem vereinbarten Entsorgungspreis als Gegenleistung eine Lieferung. Liefergegenstand seien die verunreinigten Chemikalien, die die Steuerpflichtige von ihren Kunden erhalte. Daher erhöhe der Wert der verunreinigten Chemikalien die Bemessungsgrundlage für die von der Steuerpflichtigen erbrachten Entsorgungsleistung. Dementsprechend setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer höher fest.

     

    Das FG wies die Klage ab. Der Wert der verunreinigten Chemikalien zum Zeitpunkt der Übernahme erhöhe im Rahmen tauschähnlicher Umsätze mit Baraufgabe die Bemessungsgrundlage für die Entsorgungsleistungen der Steuerpflichtigen. Im Streitfall erbringe die Steuerpflichtige im Bereich der Abfallentsorgung gegenüber ihren Kunden entgeltliche sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG. Die Kunden führten zudem mit der Übergabe der verunreinigten Chemikalien Lieferungen an die Steuerpflichtige aus, da es sich bei diesen Chemikalien um werthaltige Abfälle handele.

     

    Entscheidung

    Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und der Klage stattgegeben.

     

    Das FG ist vorliegend rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die verunreinigten Chemikalien allein deshalb geliefert worden seien, weil sie werthaltige Abfälle darstellten und ihr Wert nach dem Inhalt der Vereinbarungen zwischen den Beteiligten die Höhe des Entgelts der Entsorgung bestimmt hätte. Vielmehr kam der Übergabe der gefährlichen Abfälle an die Steuerpflichtige zur Entsorgung keine eigenständige Bedeutung zu.

     

    Eine Lieferung sollte mit der Übergabe der gefährlichen Abfälle nach dem zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Kunden zugrunde liegenden Rechtsverhältnis gerade nicht erfolgen. Das FG hat verkannt, dass die Übergabe der verunreinigten Chemikalien nur zum Zweck der Entsorgung nach dem Verwertungsverfahren entsprechend der Anlage 2 KrWG erfolgte und erfolgen musste. Das der Leistungserbringung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger war ausschließlich auf die Erbringung einer Entsorgungsleistung, nicht aber auch auf eine Lieferung an die Steuerpflichtige gerichtet.

     

    Die Übergabe der gefährlichen Abfälle ausschließlich zum Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung nach einem in Anlage 2 KrWG genannten Verwertungsverfahren zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen stellte lediglich eine untergeordnete Handlung zum Erhalt der Entsorgungsleistung dar, da sie notwendig war, um die Entsorgungsleistung durchführen zu können. Eine eigenständige Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG (Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) ist in der Übergabe des gefährlichen Abfalls nach Maßgabe des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nicht zu sehen.

     

    Die Kunden konnten die gefährlichen Abfälle in ihrem Betrieb nicht mehr nutzen und waren deshalb als Erzeuger und Besitzer der Abfälle verpflichtet, sich ihrer zu entledigen sowie sie ordnungsgemäß zu verwerten. Mit der Verwertung durften die Kunden nach dem KrWG Dritte beauftragen. Ihre Verantwortung für die ordnungsgemäße Verwertung blieb ‒ entgegen der auch insoweit unzutreffenden Annahme des FG ‒ jedoch von der Beauftragung unberührt und solange bestehen, bis die Entsorgung endgültig und ordnungsgemäß abgeschlossen war.

     

    Die Steuerpflichtige als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb

    • schuldete somit einen Leistungserfolg im Sinne eines Werkvertrags (§ 631 Abs. 2 BGB) und
    • erhielt die gefährlichen Abfälle gerade nicht zur freien Verfügung.

     

    Denn solange die Entsorgung nicht ordnungsgemäß durchgeführt war, blieben die Kunden zur ordnungsgemäßen Entsorgung der gefährlichen Abfälle verpflichtet. Ausschließlich von dieser Verpflichtung wollten sich die Kunden befreien und ausschließlich zur Erreichung dieses Zweckes übergaben sie die gefährlichen Abfälle der Steuerpflichtigen. Ohne die Übergabe der gefährlichen Abfälle hätte die Steuerpflichtige den geschuldeten Leistungserfolg nicht herbeiführen können, sodass der Übergabe nach dem Willen der Beteiligten keine eigenständige Bedeutung zukam.


    PRAXISTIPP | Die Annahme des FG, die Steuerpflichtige habe den verunreinigten Chemikalien einen „gewissen Wert“ beigemessen, weil sie daraus ‒ nach einer Bearbeitung ‒ verkaufsfähige, gereinigte Chemikalien hergestellt und die verunreinigten Chemikalienreste als Rohstoff für die weitere Verarbeitung benötigt habe, rechtfertigt es nicht, eine Lieferung der gefährlichen Abfälle anzunehmen. Der für eine steuerbare Lieferung erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung Entgelt kann nur durch ein auf eine Lieferung gerichtetes Rechtsverhältnis begründet werden, das im Streitfall gerade nicht vorlag. Die Steuerpflichtige hatte den möglichen Verkaufspreis der gereinigten Chemikalien lediglich im Rahmen ihrer eigenen Kalkulation als Preisnachlass zugunsten der Kunden berücksichtigt.


    Fundstelle

    Quelle: ID 50195125