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  • · Nachricht · § 32 EStG

    Nachweisanforderungen an eine mehraktige Ausbildung

    | Der Kindergeldanspruch ist nicht davon abhängig, dass im Fall einer mehraktigen Ausbildung gegenüber der Familienkasse eine Absichtserklärung zur Fortsetzung der Erstausbildung abgegeben wird. |

     

    Sachverhalt

    Streitig war, ob der Sohn der Steuerpflichtigen mit dem Beginn eines Lehrgangs als „Geprüfter Technischer Betriebswirt“ noch seine Erstausbildung anstrebt und welche Nachweise dazu erforderlich sind.

     

    Der junge Mann beendete im Jahr 2009 seine Schulausbildung. Nach eigenen Angaben strebt er seitdem als Berufsziel den Abschluss „Geprüfter Technischer Betriebswirt“ an. Er absolvierte zunächst in den Jahren 2009 bis 2012 eine Ausbildung als Industriemechaniker und schloss unmittelbar seine Meisterausbildung mit dem Abschluss „Geprüfter Industriemeister ‒ Fachrichtung Metall“. Diese beendete er im Juni 2015.

     

    Der Sohn informierte sich im Anschluss an die Meisterausbildung bei dem Bildungsträger zu der Aufstiegsfortbildung „Geprüfter Technischer Betriebswirt“. Ein entsprechender Lehrgang, der im Übrigen die vorgenannte abgeschlossene Ausbildung voraussetzte, wurde aber unmittelbar anschließend nicht angeboten. An der nächsten erreichbaren Informationsveranstaltung nahm der Sohn teil und meldete sich bereits am nächsten Tag an. Der Lehrgang begann aber erst im April 2016, d. h. erst 9 Monate nach der Meisterprüfung.

     

    Die Steuerpflichtige beantragte u. a. Kindergeld für diesen Lehrgang ab April 2016. Die Familienkasse lehnte dies ab, da der Sohn seine Erstausbildung bereits in 2015 mit der Meisterausbildung abgeschlossen und auch nicht in einem engen und zeitlichen Zusammenhang weiterverfolgt habe.

     

    Entscheidung

    Das FG entschied jedoch zugunsten der Steuerpflichtigen. Nach Auffassung der Richter absolviere der Sohn eine mehraktige Ausbildung. Der junge Mann habe mit Abschluss seiner Meisterausbildung seine erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grund hatte die Steuerpflichtige auch weiterhin Anspruch auf Kindergeld.

     

    Begründung

    Die entscheidende Frage ist, ob bereits der erste berufsqualifizierende Abschluss zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Es muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.

     

    Beginnt das Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient, weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte beginnen können, fehlt es an dem notwendigen engen Zusammenhang. Wird somit eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten aufgenommen, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die einzelnen Ausbildungsabschnitte regelmäßig nicht mehr integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein.

     

    Im Streitfall stehen jedoch die Ausbildungsabschnitte in der Berufsausbildung des Sohnes in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander. Der Ausbildung zum Industriemechaniker (Geselle) schloss sich unmittelbar seine Meisterausbildung in derselben Berufssparte mit dem Abschluss „Geprüfter Industriemeister ‒ Fachrichtung Metall“ an. Die Weiterbildung „Geprüfter Technischer Betriebswirt“ baut darauf auf und ergänzt die Ausbildung neben technischen Aspekten um kaufmännische und Managementelemente. Zu den Zulassungsvoraussetzungen gehören u. a. eine mit Erfolg abgelegte Prüfung zum Industriemeister.

     

    Das FG hat keinen Zweifel, dass der Sohn sein geplantes Berufsziel erst mit dem Abschluss des aktuell absolvierten Lehrgangs erreichen wird.

     

    Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hat auch in einem entsprechenden Fall Kindergeld gewährt, in dem das Kind nach Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann zum nächstmöglichen Termin ein Studium begonnen hatte. In diesem Fall wurde die Ausbildungszeit als Berufserfahrung berücksichtigt. Das Studium bildet den zweiten Teil einer mehraktigen Berufsausbildung, für den Kindergeld zu gewähren ist.

     

    Fundstellen

    Quelle: ID 45441204