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  • · Fachbeitrag · § 9 EStG

    Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte

    | Nach § 9 Abs. 4 S. 8 EStG gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. |

     

    Sachverhalt

    Streitig war die Frage, ob die ab dem Veranlagungszeitraum 2014 geltende Regelung in § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG verfassungsgemäß ist. Nach dieser Vorschrift gilt „als erste Tätigkeitsstätte (…) auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird“.

     

    Durch das KroatienAnpG vom 25.07.2014 (BGBl I, 2014, 1266) wurde § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG um den 2. Halbsatz „die Regelungen für Arbeitnehmer nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und 5 sowie Absatz 4a sind entsprechend anzuwenden“ ergänzt, der ebenfalls ab dem Veranlagungszeitraum 2014 anwendbar ist (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i. d. F. KroatienAnpG).

     

    Das FG Sachsen hält die gesetzliche Regelung für verfassungskonform und teilt die im Klageverfahren vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken an der Regelung des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG aus folgenden Gründen nicht:

     

    • Die steuerlichen Bestimmungen zur Entfernungspauschale für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte wurden ab dem Veranlagungszeitraum 2014 umgestaltet. Sie entsprechen jedoch im Kern einer bereits jahrzehntelangen Regelung zur Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch einen nicht kostendeckenden Pauschbetrag. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese grundsätzliche Regelungskonzeption bestehen nicht.

     

    • Es liegt kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vor, da die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Bildungseinrichtung im Rahmen einer vollzeitigen Zweitausbildung wie eine erste Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers zu behandeln, nicht den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum überschreitet. Die sachliche Rechtfertigung für die Beschränkung der Abziehbarkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit der ersten Tätigkeitsstätte ist darin begründet, dass sich Arbeitnehmer bei einer im Grundfall auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegten Arbeitsstätte mit immer gleichen Arbeitswegen in unterschiedlicher Weise einstellen und auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken können. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder auch durch entsprechende Wohnsitznahme geschehen. Insoweit erweisen sich die Regelungen zur ersten Tätigkeitsstätte für Arbeitnehmer als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip. Dieselben Erwägungen greifen auch bei Bildungseinrichtungen zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme i. S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG ein.

     

    • Die Regelung verstößt auch nicht gegen die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen mindestens das belassen werden muss, was einem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt werden muss. Denn einen allgemeinen Grundsatz dahin, dass alle staatlichen Sozialleistungen für die davon nicht erfassten Personengruppen durch den Gesetzgeber im Rahmen der Ertragsteuern ergebnisangleichend umzusetzen sind, existiert nicht.

     

    • Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus § 3 Nr. 13, 16 EStG oder § 3 Nr. 2a EStG. Die Regelung zur Steuerfreiheit von Vergütungen für „Reise- und Umzugskosten“ aus öffentlichen Kassen (§ 3 Nr. 13 EStG) und durch private Arbeitgeber (§ 3 Nr. 16 EStG) hat im Wesentlichen Vereinfachungsfunktion, welche die Saldierung von Einnahmen und Werbungskosten im Veranlagungsverfahren überflüssig macht. Dadurch werden jedoch Steuerpflichtige, die ihre Fahrtkosten in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen können, in keiner Weise benachteiligt.

     

    • Letztlich ist auch eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Steuerfreiheit von übrigen Leistungen nach dem SGB III gemäß § 3 Nr. 2a EStG 2015 (§ 3 Nr. 2 EStG 2014) nicht erkennbar. Denn die Ungleichbehandlung zwischen geförderten Arbeitnehmern nach §§ 81ff SGB III mit steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 2a EStG und nicht geförderten Arbeitnehmern beruht allein auf den Regelungen des SGB III.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 45180274