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  • · Fachbeitrag · § 32 EStG

    Feststellung der seelischen Behinderung eines Kindes

    Der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt i. S. d. § 32 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kann auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen.

     

    Sachverhalt

    Streitig war, ob die Tochter der Steuerpflichtigen als behindertes Kind, das wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, kindergeldrechtlich zu berücksichtigen ist.

     

    Nach den §§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG, 63 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 EStG, 32 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für volljährige leibliche Kinder ‒ wie im Streitfall die Tochter der Steuerpflichtigen ‒ ein Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das Gesetz und die Gesetzesmaterialien enthalten keine Begriffsbestimmung der Behinderung, insbesondere keine Beschränkung auf einen bestimmten Grad der Behinderung bzw. das Vorliegen einer „Schwer“behinderung, sondern verlangen allein zusätzlich die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt.

     

    Die Rechtsprechung bezieht sich für die Definition der Behinderung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG regelmäßig auf diejenige (im jeweiligen Streitzeitraum gültige) in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

     

    Seelisch behindert ist, wer infolge seelischer Störung in der Funktionsfähigkeit entsprechend gemindert ist. Als solche seelischen Störungen kommen körperlich nicht begründbare Psychosen, seelische Störungen als Folge von Krankheit oder Verletzung des Gehirns, Anfallsleiden oder körperliche Beeinträchtigungen, Suchtkrankheiten, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen in Betracht. Eine seelische Störung allein genügt aber nicht für die Annahme einer seelischen Behinderung. Hinzukommen muss vielmehr die Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft.

     

    Für die Frage, ob infolge des altersuntypischen gesundheitlichen Zustands die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, kommt es auf das Ausmaß und den Grad der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsbeeinträchtigung an. Entscheidend ist, ob die Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft einschränkt.

     

    Beachten Sie | Der Nachweis der Behinderung kann dabei nicht nur durch Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder Feststellungsbescheids gemäß § 69 SGB IX sowie eines Rentenbescheids erfolgen, sondern auch in anderer Form erbracht werden. In Betracht kommt z. B. die Vorlage einer Bescheinigung bzw. eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder auch eines ärztlichen Gutachtens.

     

    Entscheidung

    Nach dem im Streitfall vorgelegten Gutachten eines Sachverständigen betrug die prognostisch zu erwartende Dauer der Funktionsbeeinträchtigung der seelischen Erkrankung mehr als sechs Monate. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls in erheblichem Umfang mitursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt des Kindes war. Dies ergibt sich aus den konkreten Auswirkungen der Behinderung, wie sie im Gutachten beschrieben sind. Insbesondere die herabgesetzte Entscheidungsfähigkeit, die erheblich herabgesetzte Fähigkeit zu Konversation und Kontaktfähigkeit, die erhebliche Beeinträchtigung der Anpassung an Regeln und Routinen, die erhebliche Einschränkung von Widerstands- und Durchhaltefähigkeit sowie Proaktivität angesichts der Lethargie wie auch die mäßig ausgeprägte Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben haben die Fähigkeit, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, ganz erheblich eingeschränkt, sodass der Kindergeldanspruch zu Recht bestand.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 49531803

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