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  • · Fachbeitrag · § 70 EStG

    Vereinbarkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG mit höherrangigem Recht

    Auch für inländische Saisonarbeitnehmer gilt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil Chief Appeals Officer u. a. vom 29.9.22, C-3/21, EU:C:2022:737), wonach ein im Heimatland (z. B. gleich nach der Geburt des Kindes) gestellter Kindergeldantrag nur dann als ein auch für die inländische Familienkasse relevanter Antrag zu verstehen ist, wenn die antragstellende Person ihr Recht auf Freizügigkeit im Zeitpunkt ihres im Heimatland gestellten Antrags bereits ausgeübt hat.

     

    Nach der vom BFH als verfassungsgemäß angesehenen Norm des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld bei der Familienkasse eingegangen ist. Im Gegensatz zur vorherigen Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG i. d. F. Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.6.2017, BStBl. I 2017, 865 betrifft § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht mehr das Festsetzungsverfahren, sondern das Erhebungsverfahren.

     

    § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG normiert ein spezialgesetzliches Auszahlungshindernis. Im Streitfall reichte die Antragstellerin den Kindergeldantrag am 15.11.2019 bei der Familienkasse ein. Die rückwirkende Auszahlung des im Anschluss daran auch für den Streitzeitraum festgesetzten Kindergelds war deshalb auf die Monate Mai 2019 bis Oktober 2019 beschränkt. Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG bestand kein Auszahlungsanspruch für April 2019, da dieser Monat bereits außerhalb des 6-Monats-Zeitraums lag.