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  • · Nachricht · § 9 EStG

    Arbeitsvertragliche Zuordnung zum Betriebssitz sowie allen Baustellen des Arbeitgebers

    | Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag den „Sitz des Betriebes sowie alle Baustellen des Arbeitgebers“ als Arbeitsort festlegt und der an 177 Arbeitstagen des Jahres auf derselben Baustelle tätig gewesen ist, vor dem Weitertransport zu dieser Baustelle aber jeweils den Betriebssitz aufgesucht hat, hat damit „dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufgesucht“. |

     

    Sachverhalt

    Streitig war im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2015 die Frage, ob 177 Fahrten des Steuerpflichtigen zum Arbeitssitz seines Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen oder mit der Entfernungspauschale zu bewerten sind.

     

    Der Steuerpflichtige ist als Elektroinstallateur bei dem Unternehmen A in B beschäftigt. Ausweislich seines Arbeitsvertrags ist sein Arbeitsort „der Sitz des Betriebs sowie alle Baustellen des Arbeitgebers“. Weitere Zuordnungen zu einer Tätigkeitsstätte enthält der Arbeitsvertrag nicht.

     

    Der Steuerpflichtige war im gesamten Streitjahr 2015 auf einer Fernbaustelle tätig (C). Unstreitig hat er an 177 Tagen mit seinem eigenen Pkw zunächst den Betrieb des Arbeitgebers aufgesucht, um von dort aus mit einem Firmenfahrzeug zu der auswärtigen Baustelle zu fahren. Er ist an weiteren 25 Tagen mit seinem privaten Pkw direkt zu der Baustelle gefahren.

     

    In seiner Einkommensteuererklärung 2015 erklärte er Fahrtkosten für 177 Fahrten zum Betriebssitz seines Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen nebst weiteren Fahrten mit seinem Privatfahrzeug. Dagegen berücksichtigte das FA die geltend gemachten 177 Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers nur mit der Entfernungspauschale.

     

    Entscheidung

    Das FG bestätigte die Entscheidung des FA und entschied, dass der Steuerpflichtige im Streitjahr am Betriebssitz seines Arbeitgebers aufgrund arbeitsvertraglicher Regelungen keine „erste Tätigkeitsstätte“ i. S. des § 9 Abs. 4 EStG hatte.

     

    Eine „erste Tätigkeitsstätte“ am Betriebssitz seines Arbeitgebers ergab sich jedoch auch nicht aufgrund gesetzlicher Fiktion gemäß § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG.

     

    Nach dieser Regelung ist in dem Falle, in dem eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte fehlt oder nicht eindeutig vorhanden ist, „erste Tätigkeitsstätte“ die betriebliche Einrichtung. An dieser betrieblichen Einrichtung soll der Arbeitnehmer dauerhaft, typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens 1/3 seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden (quantitative Zuordnungskriterien).

     

    Dieser gesetzlichen Formulierung ist eindeutig zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer an der ihm bestimmten Tätigkeitsstätte selbst tätig werden muss. Gemeint ist hier, dass er an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben muss. Im Streitfall stand jedoch fest, dass der Steuerpflichtige seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausnahmslos im gesamten Jahr auf einer auswärtigen Baustelle verrichtet hatte.

     

    Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige nach Auffassung des FG i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG durch 177 Fahrten an den Betriebssitz seines Arbeitgebers (mit Weitertransport an die eigentliche Arbeitsstätte) „dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufgesucht“.

     

    Fährt der Arbeitnehmer insoweit von seinem Wohnort zur Aufnahme seiner Arbeitstätigkeit an einen sogenannten Sammelpunkt, soll er ‒ in Anbetracht der gesetzlichen Verweisung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a auf Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG ‒ lediglich die Entfernungspauschale beanspruchen können. Wie in § 9 Abs. 4 EStG ist auch in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Entfernungspauschale die regelmäßige Fahrt vom Wohnort zum vom Arbeitgeber bestimmten Einsatzort bei Arbeitsbeginn.

     

    Das FG ist der Ansicht, dass die Fahrten des Steuerpflichtigen im Streitfall mit der Entfernungspauschale zu bewerten sind. Denn er ist an 177 Tagen ‒ und damit zu 88 % seiner Arbeitszeit ‒ zunächst zum Betriebssitz seines Arbeitgebers gefahren. Insoweit geht das FG davon aus, dass der Gesetzgeber in Fällen der vorliegenden Art gerade die Inanspruchnahme von Reisekosten ausschließen wollte. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob eine bestimmte Anweisung eines Arbeitgebers konkret nachgewiesen werden kann. Vielmehr ist entscheidend, dass der Steuerpflichtige den Betriebssitz seines Arbeitgebers zu einem ganz überwiegenden Teil seiner Arbeitstage angefahren hat, um seine Arbeit zu beginnen. In diesem Zusammenhang hält es das FG auch nicht für ausschlaggebend, ob der Arbeitgeber des Arbeitnehmers diesem die Arbeitszeit mit Abfahrt vom Betriebssitz an eine Außentätigkeit oder erst mit Eintreffen an einem auswärtigen Arbeitsort berechnet.

     

    In Anbetracht eines Anteils von 12 % der gesamten beruflichen Fahrten von der Wohnung direkt zum auswärtigen Arbeitsort hat der Steuerpflichtige nach Einschätzung des FG keine Schwelle überschritten, nach deren Überschreiten die Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen zu behandeln wären.

     

    Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 46216832

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