· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Berücksichtigung von Zahlungen zur Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft
von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen
Zahlungen zur Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft, die durch einen Versorgungsausgleich gemindert wurde, sind vorweggenommene Werbungskosten, wenn dadurch höhere künftige Alterseinkünfte erzielt werden sollen. Die Zahlung kann jedoch nur als Sonderausgabe abgezogen werden, wenn sie ein Beitrag i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist. Unabhängig vom Beitragsbegriff des jeweiligen Versorgungssystems ist bei der Frage, ob eine Zahlung i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vorliegt, stets die steuerrechtliche Qualifizierung entscheidend. Bei späteren Leibrenten einer Einrichtung der Basisversorgung unterscheidet das EStG ausschließlich zwischen der Ebene der Beiträge und der Ebene der Leistungen. Daher stellt jeder an eine Einrichtung i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für Zwecke der Basisversorgung gezahlter Beitrag ein Beitrag im Sinne dieser Vorschrift dar. |
Sachverhalt
Der Kläger erzielte Einkünfte als angestellter Rechtsanwalt. Die bei seinem Versorgungswerk der Rechtsanwälte erworbenen Rentenanwartschaften wurden im Rahmen der Scheidung im Jahr 2014 zur Hälfte auf seine Ehefrau übertragen. Der Kläger zahlte im gleichen Jahr 75.000 EUR an das Versorgungswerk, um seine gekürzte Rentenanwartschaft wieder aufzufüllen. Das FA erkannte 88 % dieses Betrags nicht als Werbungskosten an, sondern setzte nur einen Betrag von 5.000 EUR im Rahmen des Höchstbetrags nach § 10 Abs. 3 EStG als Sonderausgaben an. Einspruch und Klage blieben erfolglos, da auch Wiederauffüllungszahlungen Sonderausgaben i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG seien und damit der Abzug als Sonderausgaben vorrangig sei.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.
Wiederauffüllungszahlungen sind eigentlich vorweggenommene Werbungskosten
Die vom Kläger an das Versorgungswerk geleistete Zahlung zählt ihrer Rechtsnatur nach zu den vorweggenommenen Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften. Sie vermeidet Kürzungen der nach § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG zu versteuernden Altersrente und dient damit der Sicherung der künftigen steuerpflichtigen Einkünfte in ungeschmälerter Höhe, im Falle eines Versorgungsausgleichs der Vermeidung einer ansonsten eintretenden Kürzung der Einkünfte des Ausgleichsverpflichteten.
Zahlung an ein Versorgungswerk als Beitrag i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Die zur Vermeidung einer Kürzung der Rentenanwartschaft an das Versorgungswerk geleistete Zahlung fällt allerdings in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, sodass sie nur im Rahmen des in § 10 Abs. 3 EStG bestimmten Höchstbetrags steuerlich berücksichtigt werden kann.
Hiernach sind alle laufenden und einmaligen Beiträge u. a. an berufsständische Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen, Sonderausgaben.
Ob eine Geldleistung ein Beitrag i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist, hängt nicht von der formalen Bezeichnung im Recht des jeweiligen Versorgungssystems ab, sondern von der steuerrechtlichen Qualifizierung. Verwendet ein Versorgungssystem den Begriff „Beitrag“, liegt auch steuerrechtlich ein Beitrag vor. So regelt z. B. § 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, dass im Rahmen des Versorgungsausgleichs gezahlte „Beiträge“ zur Wiederauffüllung von Rentenanwartschaften gezahlt werden können.
Wird in einem Versorgungssystem eine andere Bezeichnung für eine Zahlung gewählt, ist eine steuerrechtliche Qualifizierung notwendig, die nicht von der bloßen Satzungsformulierung bestimmt wird. Eine Satzung kann nicht über die steuerrechtliche Einordnung der Zahlung als SA oder WK disponieren.
Ebene der Beiträge ‒ Ebene der Leistungen
Im Hinblick auf (spätere) Leibrenten, die von einer Einrichtung der Basisversorgung erbracht werden, unterscheidet das EStG ausschließlich zwischen der Ebene der Beiträge (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und der Ebene der Leistungen (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a aa EStG). Hiernach stellt jede an ein Versorgungssystem i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für Zwecke der Basisversorgung erbrachte Zahlung einen Beitrag im Sinne dieser Vorschrift dar. Somit ist die Wiederauffüllungszahlung des Klägers an sein Versorgungswerk als Beitrag i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu qualifizieren, da dieses als berufsständisches Versorgungswerk u. a. Alterseinkünfte der Basisversorgung gewährt. Im Fall des Versorgungsausgleichs kann das Mitglied Kürzung seiner Anwartschaft durch eine Auffüllungszahlung verhindern, sodass diese nach dem Recht des hier betroffenen Versorgungssystems einen Beitragsbezug aufweist. Hinzu kommt, dass das Versorgungswerk des Klägers den Erstattungsbetrag beitragsbezogen berechnet, sodass die Wiederauffüllungszahlung auch nach der inneren Systematik der Satzung einen Beitrag darstellt.
Keine doppelte Besteuerung
Diese Auslegung verstößt nicht gegen das Verbot der doppelten Besteuerung. Eine grundsätzlich unzulässige doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kann nicht bereits in der Beitrags- bzw. Ansparphase gerügt werden, sondern erst bei Zufluss der Altersbezüge.
Auffüllungszahlungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten
Zu den nur als Sonderausgaben abzugsfähigen Zahlungen gehören nach der Rechtsprechung des BFH nicht sonstige Aufwendungen, die nicht den Beitragsbegriff erfüllen. Diese können daher WK sein, wenn z. B. die Abfindungszahlung an den jeweiligen Ausgleichsberechtigten zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs geleistet wird, da dieser kein Versorgungssystem und damit kein Beitragsempfänger i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist.
FAZIT | Obwohl gem. § 10 Abs. 1 S. 1 EStG nur solche Aufwendungen Sonderausgaben sind, die nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, betrachtet der BFH die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG als speziellere Norm. Wenn bei einer Scheidung erst einmal der Versorgungsausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften vollzogen worden ist, können Zahlungen zur Erhöhung der Rentenanwartschaft, um später ungekürzte Altersrenten zu erhalten, nur noch als Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG geltend gemacht werden. Um den Abzug als vorweggenommene Werbungskosten zu erreichen, muss ein familiengerichtlicher Versorgungsausgleich vermieden werden, indem die Ausgleichszahlung direkt an den Ausgleichsberechtigten geleistet wird, der den Betrag wiederum in eine Rentenversicherung investieren kann. |
Fundstelle
- BFH 19.8.21, X R 4/19, iww.de/astw, Abruf-Nr. 227819