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  • · Nachricht · Einkommensteuer

    Keine Anrechnung von steuerpflichtigem Sterbegeld auf Beerdigungskosten als agB

    von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

    | Sterbegeld ist als steuerpflichtiger Bezug nicht auf die als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Beerdigungskosten anzurechnen. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin erhielt als Tochter ihrer verstorbenen Mutter vom Land X, dem früheren Arbeitgeber ihrer Mutter, gem. dem Ländertarifvertrag ein Sterbegeld i. H. v. 6.5000 EUR, das dem LSt- und Sozialabgaben-Abzug unterworfen wurde.

     

    Das FA erfasste im ESt-Bescheid für 2017 das Sterbegeld als Arbeitnehmereinkünfte der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihrer Mutter nach Abzug des Pauschbetrages gem. § 9a Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i. H. v. 102 EUR und des Freibetrags für Versorgungsbezüge i. H. v. 153 EUR. Die geltend gemachten Beerdigungskosten von 3.879 EUR (einschließlich 390 EUR für Kränze, Bewirtung und Trauergesteck) erkannte das FA wegen des erhaltenen Sterbegelds nicht als außergewöhnliche Belastung (agB) an.

     

    Mit erfolglosem Einspruch machte die Klägerin die Steuerfreiheit des Sterbegeldes geltend und begehrte hilfsweise die Anerkennung der Beerdigungskosten als agB.

    Entscheidungsgründe

    Das FG weist die Klage ab im Hinblick auf die begehrte Steuerfreiheit des Sterbegeldes, erkennt aber die Beerdigungskosten i. H. v. 3.336 EUR vor Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als agB an.

     

    Sterbegeld ist steuerpflichtiger Arbeitslohn der Erblasserin

    Das FG verneint die Steuerbefreiung des Sterbegelds nach § 3 Nr. 11 EStG. Es handelt sich um gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge aus nichtselbstständiger Arbeit aus früheren Dienstleistungen, die der Klägerin als Rechtsnachfolgerin zugeflossen sind.

     

    Gem. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind nur solche Bezüge u. a. aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zur Förderung der Erziehung oder Ausbildung, der Wissenschaft oder Kunst gezahlt werden. Das Sterbegeld ist hier zweifellos aus öffentlichen Mitteln des Landes X nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften gezahlt worden.

     

    Keine Zahlung wegen „Hilfsbedürftigkeit“ der Klägerin

    „Hilfsbedürftigkeit“ liegt bei bedürftigen Personen i. S. d. § 53 Nr. 1 und 2 AO vor, die also infolge ihrer körperlichen oder geistigen Beschaffenheit oder ihrer wirtschaftlichen Lage Hilfe benötigen. Darüber hinaus bejaht die Rechtsprechung Hilfsbedürftigkeit typisiert auch dann an, wenn im Einzelfall in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Hilfen aus öffentlichen Mitteln fließen (z. B. BFH 18.5.04, VI R 128/99, BFH/NV 05, 22). Hiernach ließe sich auch der Todesfall der Mutter als ein Fall von Hilfsbedürftigkeit der Klägerin einordnen.

     

    Die Zahlung ist aber nur steuerfrei, wenn der Empfänger diese aufgrund seiner eigenen Hilfsbedürftigkeit erhält und sie sich der Höhe nach an dieser orientiert. Dies ist nicht gegeben, da sich die Höhe des Sterbegelds nach anderen Umständen richtet, nämlich nicht nach dem konkreten finanziellen Bedarf der Klägerin, sondern nach der Lohnhöhe der verstorbenen Mutter. Es soll vor allem einen Kostenbeitrag zur Bestattung ohne Nachweis der Aufwendungen leisten und dient zur Überbrückung der Zeit, bis Renten- oder Versorgungsleistungen anlaufen, und zwar ohne Prüfung, ob tatsächlich ein Bedarf für eine solche Überbrückung besteht. § 3 Nr. 11 EStG ist daher nicht auf das Sterbegeld anzuwenden.

     

    Da das an Hinterbliebene ausgezahlte Sterbegeld für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ein Versorgungsbezug ist, der nur i. H. d. Versorgungsfreibetrags nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 3 EStG steuerfrei ist, ergäbe der Versorgungsfreibetrag keinen Sinn, wenn das Sterbegeld insgesamt über § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfrei wäre.

     

    Auch spricht § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der die Steuerpflicht von Bezügen aus früheren Dienstleistungen auch beim Rechtsnachfolger begründet, dagegen, das so erfasste Sterbegeld über § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG von der ESt zu befreien. Hinzu kommt, dass Sterbegelder aus der Sozialversicherung oder den Versorgungswerken gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ebenfalls steuerpflichtig sind, da es sich hierbei nicht um zweckgebundene Zuwendungen zum Ersatz notwendiger Auslagen handelt (BFH 23.11.16, X R 13/14, BFH/NV 17, 445).

     

    Der Senat widerspricht dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 16.1.19 (11 K 11160/18, EFG 2019, 535), nach dem das Sterbegeld für Hinterbliebene von Landesbeamten wie die Beihilfe in Krankheitsfällen gem. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfrei ist.

     

    Folgerichtig sind Beerdigungskosten dem Grundsatz nach agB

    Bestattungskosten im engeren Sinne erwachsen zwangsläufig gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 EStG und sind daher als agB abzugsfähig. Nicht abzugsfähig sind jedoch nur mittelbar durch die Bestattung veranlasste Kosten. Deshalb stellen die Ausgaben für Blumen, Kränze und Bewirtung (hier 390 EUR) keine agB dar, sodass dem Grunde nach 3.489 EUR (3.879 EUR ./. 390 EUR) als agB zu berücksichtigen sind.

     

    Keine Anrechnung des Pauschbetrags für Versorgungsbezüge auf die agB

    Die agB sind trotz § 33 Abs. 2 Satz 2 Halb. 1 EStG nicht um den Pauschbetrag von 102 EUR gem. § 9a Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zu kürzen, da Beerdigungskosten dem Grunde nach keine Werbungskosten sind. Die mit diesem Pauschbetrag typisierten Werbungskosten bleiben abzugsfähig. Sie stellen gegenüber den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen ein aliud dar.

     

    Steuerfreier Versorgungsbetrag ist auf die agB anzurechnen

    § 33 Abs. 1 EStG setzt eine (außergewöhnliche) „Belastung“ des Einkommens voraus. Diese kann im Wege der Vorteilsanrechnung entfallen, soweit anlässlich der Aufwendungen anderweitige Vorteile zufließen, die die wirtschaftliche Belastung entfallen lassen. Folglich erfolgt eine Vorteilsanrechnung i. H. d. des steuerfreien Versorgungsfreibetrags von 153 EUR.

     

    Keine Anrechnung des steuerpflichtigen Teils des Sterbegelds

    Anderes gilt für den steuerpflichtigen Teil des Sterbegeldes, da dieser das Einkommen der Klägerin erhöht hat und die Klägerin insoweit durch die Beerdigungskosten wirtschaftlich endgültig belastet war. Eine weitergehende Vorteilsanrechnung scheidet zur Vermeidung einer steuerlichen Doppelentlastung aus. Eine Anrechnung erfolgt nur, soweit steuerfreie Ersatzleistungen zufließen, aus denen dann Aufwendungen i. S. v. § 33 Abs. 1 EStG getätigt werden, z. B. bei Zahlungen der Sterbegeldversicherung. Ebenso führt die Zahlung von Beerdigungskosten aus dem Nachlass nicht zu agB, da der Zufluss des Nachlassvermögens nicht der ESt unterliegt. Ein Abzug bleibt danach möglich, wenn der Sterbegeldbezug seinerseits steuerpflichtig ist (s. a. BFH 23.11.16, X R 13/14, BFH/NV 17, 445). Somit sind letztlich Beerdigungskosten i. H. v. 3.336 EUR (3.489 EUR ./. 153 EUR steuerfreier Teil des Sterbegelds) als agB vor Abzug der zumutbaren Eigenbelastung anzusetzen.

     

    FAZIT | Auf Grund dieses Urteils werden nun verschiedene Rechtsansichten zur Steuerpflicht von Sterbegeld vertreten. Während das FG Berlin-Brandenburg das von der öffentlichen Hand an die Hinterbliebenen von Beamten bzw. Angestellten gezahlte Sterbegeld wie eine steuerfreie Beihilfe in Krankheitsfällen behandelt, betrachtet das Besprechungsurteil das Sterbegeld als steuerpflichtigen Versorgungsbezug, auch aus Gründen der Gleichstellung mit Sterbegeldern aus den Sozialversicherungskassen. Hinsichtlich des ersten Urteils ist ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (VI R 8/19), dessen Ausgang abzuwarten bleibt. In der Praxis sollte aber wohl davon ausgegangen, dass sich der BFH der Rechtsansicht des FG Düsseldorf anschließt. Bei Bejahung der Steuerpflicht des Sterbegelds muss dann aber folgerichtig auch auf der Anerkennung der Beerdigungskosten als agB durch das FA bestanden werden, soweit dieses nicht infolge des Versorgungsfreibetrags steuerfrei ist.

     

    Fundstelle

    • FG Düsseldorf 15.6.20, 11 K 2024/18, Rev. zugelassen, iww.de/astw, Abruf-Nr. 216861
    Quelle: ID 46834497

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