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  • · Fachbeitrag · Vermeidung von teuren Fehlern

    Fristberechnung bei der Veräußerung von Kryptowährungen

    von Dipl.-Finw. Daniel Denker, M.A. (Taxation), Partner Steuerberater der Denker, Erbs & Rolles Steuerkanzlei PartG mbB, Oldenburg, www.steuerkanzlei-ol.de sowie von Dipl.-Finw. Jan Steffgen, Oldenburg

    Nachdem der BFH die Auffassung des BMF bestätigt hat, dass es sich bei Kryptowährungen um „andere“ Wirtschaftsgüter für Zwecke des § 23 EStG handelt, rückt vermehrt die Frage nach der zutreffenden Fristberechnung im Rahmen der privaten Veräußerungsgeschäfte in den Fokus. Häufig wird in diesem Zusammenhang von einer (Spekulations-)Frist gesprochen, jedoch handelt es sich vielmehr um einen Zeitraum, der bestimmt, ob ein Veräußerungsgewinn steuerbar ist oder nicht. Hier werden in der Praxis gern mal teure Fehler gemacht. In diesem Beitrag werden die Grundlagen verdeutlicht.

     

    Hintergrund

    Der BFH hatte mit Urteil vom 14.2.2023 (IX R 3/22) zur Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von verschiedenen Kryptowährungen (Bitcoin, Ether, Monero) entschieden. Zu den (anderen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein können, gehören auch virtuelle Währungen in der Gestalt von Currency Token. Diese werden i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie im Tausch gegen EUR, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden. Sie werden veräußert im Sinne der Vorschrift, wenn sie in EUR oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in andere Currency Token umgetauscht werden.

     

    Gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte von Kryptowährungen steuerbar, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

     

    Wurden Kryptowährungen als weitere Einkunftsquelle genutzt und zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt (z. B. durch Lending; laut Auffassung des BMF handelt es sich insoweit um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG), erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre. Zumindest tritt diese Rechtsfolge nach dem Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG ein. Eine Verlängerung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre sieht die Finanzverwaltung jedoch nicht vor (BMF 10.5.22, Rn. 63).

     

    MERKE | Bei einem Verlustveräußerungsvorgang innerhalb des zehnjährigen Zeitraums sollte man sich also auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut beziehen und das BMF-Schreiben insoweit nicht anwenden.

     

    Anmerkung: Ob es sich beim Lending tatsächlich um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG oder um Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt, hat in Kürze das FG Köln (5 K 194/23) zu entscheiden.

     

    Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang im Privatvermögen

    Erforderlich sind ein Anschaffungs- und ein Veräußerungsvorgang. Unter einer Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb von Dritten zu verstehen. Dies umfasst laut BMF insbesondere die im Zusammenhang mit der Blockerstellung und ggf. die durch einen ICO oder Airdrop erlangten Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token. Entgeltlich erworben sind zudem alle Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token, die Steuerpflichtige im Tausch gegen Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. EUR), Waren oder Dienstleistungen sowie gegen Einheiten einer anderen virtuellen Währung und sonstige Token erworben haben, sowie die durch Lending und Staking erlangten Einheiten einer virtuellen Währung und ggf. sonstigen Token. Spiegelbildlich zur Anschaffung stellt die entgeltliche Übertragung des angeschafften Wirtschaftsguts auf Dritte eine Veräußerung dar. Der Tausch von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token in Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. EUR), Waren oder Dienstleistungen sowie in Einheiten einer anderen virtuellen Währung und sonstige Token führt demgemäß zu einer Veräußerung.

     

    Beachten Sie | Die Veräußerungsfristen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG beginnen nach jedem Tausch neu. Für die Ermittlung der Jahresfrist ist bei einer Anschaffung oder Veräußerung über eine Handelsplattform auf die dort aufgezeichneten Zeitpunkte abzustellen. Bei einem Direkterwerb oder einer Direktveräußerung ohne Zwischenschaltung von Intermediären ist laut BMF aus Vereinfachungsgründen in der Regel auf die Zeitpunkte abzustellen, die sich aus der Wallet ergeben. Soll für die Frage, ob die Jahresfrist überschritten ist, das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend sein, müssen die Steuerpflichtigen den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch geeignete Unterlagen nachweisen.

     

    Wenn Steuerpflichtige Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token veräußern, deren Bestand nach dem UTXO-Modell ermittelt wird, und bei denen für einen nicht veräußerten Teilbetrag „Wechselgeld“ (oder „Change Output“) in die eigene Wallet zurückfließt, werden für diesen Teilbetrag für steuerliche Zwecke die ursprünglichen Anschaffungsdaten des veräußerten Coins fortgeführt.

     

    Beachten Sie | Es sind für die Fristberechnung die entsprechenden Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkte zu bestimmen!

     

    Bezüglich der Zeitpunkte zur Bemessung des Spekulationszeitraums sind die schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte als obligatorische Rechtsgeschäfte maßgebend (vgl. BFH 15.12.93, BStBl II, 942).

     

    MERKE | Dass der „Spekulationszeitraum“ überschritten wurde, ist ein steuerminderndes Ereignis, für welches der Steuerpflichtige die Beweislast trägt. Man ist also gut beraten auch bei steuerfreien Transaktionen die Transaktionsdaten aufzubewahren. Sollte das Finanzamt durch eine Übermittlung von Veräußerungsdaten der Plattformbetreiber auf den Steuerpflichtigen zugehen, kann so rechtssicher nachgewiesen werden, dass kein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vorliegt.

     

    Verwendungsreihenfolge beachten

    Zu beachten ist in dem Zusammenhang auch, dass das BMF eine entsprechende Verwendungsreihenfolge vorsieht.

     

    Für die Bestimmung der Verwendungsreihenfolge der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Ist eine Einzelbetrachtung nicht möglich, gelten für die Zwecke der Haltefrist die zuerst angeschafften Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token als veräußert. Für die Wertermittlung ist dann die Durchschnittsmethode anzuwenden (vgl. 24.11.93, X R 49/90, BStBl II 94, 591).

     

    Aus Vereinfachungsgründen kann für die Zwecke der Wertermittlung unterstellt werden, dass die zuerst angeschafften Token zuerst veräußert wurden (First in First out, FiFo). Es gilt eine walletbezogene Betrachtung.

     

    Die gewählte Methode ist bis zur vollständigen Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung oder einer bestimmten Art sonstiger Token in dieser Wallet beizubehalten. Nach einer vollständigen Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung oder einer bestimmten Art sonstiger Token in dieser Wallet und anschließendem Neuerwerb kann die Methode gewechselt werden. Beim Halten von Einheiten mehrerer virtueller Währungen oder mehrerer Arten sonstiger Token besteht für jede virtuelle Währung und jede Art sonstiger Token in einer Wallet ein gesondertes Wahlrecht.

     

    MERKE | Laut BMF gilt die walletbezogene Betrachtungsweise.

     

    Fristberechnung

    Um die Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz zu vermeiden, ist es wichtig, dass der Jahreszeitraum zweifelsfrei bestimmt wird. Die Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge als maßgebende Zeitpunkte sind Ereignisse, weshalb bei der Bestimmung des Spekulationszeitraums die Regelungen zur sog. Ereignisfrist Anwendung finden. Für die Berechnung einer Ereignisfrist gelten gemäß § 108 Abs. 1 AO grundsätzlich die §§ 187 bis 193 BGB.

     

    • Beispielsfall 1 ‒ Grundfall

    Steuerpflichtiger A erwirbt am 25.7.2023 einen „Steuer-Coin“ zu 100 EUR. Bereits am 1.2.2024 hat sich der Wert des Coins erfreulicherweise auf 5.000 EUR gesteigert. A überlegt daher den Coin zu veräußern, möchte aber in keinem Fall den Veräußerungsgewinn versteuern.

     

    Lösung: Gemäß § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB beginnt der Spekulationszeitraum am 26.7.2023, da dieser Tag auf den Anschaffungsvorgang folgt. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist der Vorgang nur steuerbar, sofern zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mindestens ein Jahr liegt.

     

    Im Sinne des § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 188 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative BGB endet der Spekulationszeitraum wegen des Schaltjahrs, somit nach 366 Tagen (!) mit Ablauf des 25.7.2024. Ein Veräußerungsvorgang ist für A deshalb ab dem 26.7.2024 nicht mehr steuerbar.

     
    • Beispielsfall 2 ‒ Erwerb in einem Schaltjahr

    A erwirbt den Steuer-Coin am 29.2.2024 zu 100 EUR. Auch in diesem Fall beträgt sein Wert zum 1.2.2025 erfreuliche 5.000 EUR. A ist sich unsicher bezüglich des Ablaufs des Spekulationszeitraumes, da der 29.2.2025 als infrage kommendes Datum nicht existiert.

     

    Lösung: Nach § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB beginnt der Zeitraum am 1.3.2024, da dieser Tag auf den Tag der Anschaffung folgt. Der Zeitraum beträgt wiederum ein Jahr. Der Zeitraum endet nach § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 188 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative BGB grundsätzlich am 29.2.2025. Da es dieses Datum nicht gibt, endet er gemäß § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 188 Abs. 3 BGB bereits am 28.2.2025, da dies der letzte Tag des Monats ist. Eine nicht steuerbare Veräußerung ist für A ab dem 1.3.2025 möglich.

     
    • Beispielsfall 3 ‒ Veräußerung in einem Schaltjahr

    Nun hat A den Steuer-Coin am 28.2.2023 gekauft. Analog zu Beispielsfall 1 und 2 beginnt der Spekulationszeitraum am 1.3.2023 und beträgt weiterhin ein Jahr. Gemäß § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 188 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative BGB endet der Zeitraum mit Ablauf des 28.2.2024. In § 188 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative BGB heißt es wörtlich, dass der Zeitraum an dem Tag endet, der dem Erwerbsereignis in seiner Zahl entspricht. Hier also der 28.2.2024, auch wenn an diesem Tag im Schaltjahr der Monat Februar nicht endet. Somit ist eine nicht steuerbare Veräußerung ab dem 29.2.2024 möglich.

     

    FAZIT | Häufig wird im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kryptowährungen von einer (Spekulations-)Frist gesprochen, es handelt sich jedoch „eigentlich“ um einen Zeitraum, der bestimmt, ob ein Veräußerungsgewinn steuerbar ist oder nicht. Deshalb ist es unbeachtlich, ob das Ende des Zeitraums auf einen Sonn- oder Feiertag fällt oder nicht. Zu einer Verlängerung des Jahreszeitraums kommt es in keinem Fall. Es gilt das Prinzip First in First out (FiFO): Das zuerst gekaufte Asset wird zuerst verkauft. Diese Methode gilt für alle Kryptowährungen im Privatvermögen. Jede Wallet oder Exchange ist ein Depot. Verschiedene Depots werden unabhängig betrachtet. Wenn Assets verschoben werden zwischen den verschiedenen Depots, dann nehmen sie die Anschaffungskosten und Zeitpunkte mit. Die Fristen beginnen nicht von vorn an zu laufen. Diese Prinzipien sind entscheidend, um die Steuerlast zu optimieren. Beim Short-Term-Trading sind Gewinne oft kleiner und daher häufig steuerbar. Beim Long-Term-Holding sind Gewinne größer und nach einem Jahr steuerfrei. Daher lohnt es sich, langfristige Assets in einem separaten Wallet zu halten.

     

    Fundstelle

    Quelle: Ausgabe 04 / 2025 | Seite 246 | ID 50344880

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