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  • 30.07.2004 · IWW-Abrufnummer 042033

    Bundesarbeitsgericht: Beschluss vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03

    Die Einführung einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz unterfällt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Betriebsparteien haben dabei gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu beachten. Für die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Gesamtumstände maßgeblich. Mitentscheidend ist insbesondere die Intensität des Eingriffs.


    BUNDESARBEITSGERICHT

    Beschluß vom 29.6.2004, 1 ABR 21/03

    Tenor

    1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. März 2003 - 10 TaBV 2089/02 - aufgehoben.

    2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. August 2002 - 41 BV 4690/02 - abgeändert:

    Es wird festgestellt, dass die durch den Spruch der Einigungsstelle zur Einführung und Anwendung einer Videoüberwachung bei der Deutschen Post AG, Niederlassung Produktion BRIEF B. geschlossene Betriebsvereinbarung vom 26. November 2001 unwirksam ist.

    Gründe

    A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Einführung einer Videoüberwachung.

    Die Arbeitgeberin betreibt ua. das Briefzentrum Niederlassung Produktion BRIEF B. (Briefzentrum B.). Dort sind in einer ca. 17.000 qm großen Halle in mehreren Schichten insgesamt ca. 650 Mitarbeiter beschäftigt. Täglich werden ca. 2,5 bis 3 Mio. Briefsendungen umgeschlagen. Die Briefe werden weit überwiegend automatisch, zu einem kleinen Teil von Hand sortiert. Im Bereich der Handsortierung arbeiten täglich ca. 50 Kräfte.

    Wie auch im Bereich anderer Briefzentren kam und kommt es bei den über das Briefzentrum B. laufenden Briefsendungen ständig zu Verlusten. Neben den auf Grund entsprechender Meldungen der Postkunden festgestellten Verlusten vermutet die Arbeitgeberin eine erhebliche Dunkelziffer abhanden gekommener, aber nicht als verlustig gemeldeter Briefe. Im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 16. November 2001 sind nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin von den aus dem Briefzentrum B. abgehenden Sendungen 6.139, von den dort eingehenden Sendungen 12.310 als verlustig gemeldet worden; nach dem Vorbringen des Betriebsrats waren es monatlich durchschnittlich ca. 300 Sendungen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Verluste signifikant von denen anderer Verteilzentren abweichen. Ihre Ursachen sind nicht festgestellt. Insbesondere sind keine Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang die Verluste im Briefzentrum B. selbst, auf dem Weg dorthin oder auf dem weiteren Weg zum Empfänger eingetreten sind. Allerdings erhielt der für das Briefzentrum B. zuständige "Sicherheits-Spezialist" der Arbeitgeberin seit Januar 2001 wiederholt Sendungen, die im Briefzentrum aufgefunden worden waren und deren Inhalt fehlte. Nähere Feststellungen sind insoweit nicht getroffen. Nach einer im Sommer 2001 für das Briefzentrum B. geschlossenen Betriebsvereinbarung über Personenkontrollen dürfen die Taschen und die Oberbekleidung der Beschäftigten beim Verlassen der Halle durchsucht werden. Die Arbeitgeberin hat von dieser Möglichkeit im Jahr 2001 keinen Gebrauch gemacht.

    Die Arbeitgeberin, die bislang in 50 von 83 Briefverteilzentren Videoüberwachungen durchführt, ersuchte den für das Briefzentrum B. gebildeten Betriebsrat vergeblich um Zustimmung zur Einführung einer entsprechenden Überwachungsanlage. Die von der Arbeitgeberin angerufene Einigungsstelle beschloss am 26. November 2001 gegen die Stimmen der vom Betriebsrat entsandten Mitglieder einen Spruch zur Einführung einer Videoüberwachung. Nach § 2 Nr. 1 des Spruchs soll die Videoanlage Sendungsverluste sowie Inhaltsschmälerungen vermindern. Nach § 2 Nr. 2 wird sie ausschließlich zur Vorbeugung und Aufklärung von Straftaten betrieben. Darüber hinausgehende Leistungs- und Verhaltenskontrollen sind ausdrücklich untersagt. Nach § 6 Nr. 1 darf die Arbeitgeberin die Videoanlage in jeder Kalenderwoche bis zu 50 Stunden in Betrieb nehmen. Nach § 6 Nr. 2 wird die Videoanlage immer dann für bis zu 48 Stunden ohne Anrechnung auf das 50-Stundenkontingent in Betrieb gesetzt, wenn ein begründeter Anfangsverdacht vorliegt. Nach § 9 Nr. 2 werden Videoaufzeichnungen "sofort, spätestens 8 Wochen nach Herstellung gelöscht, wenn sie zur Beweissicherung nicht mehr benötigt werden". Durch § 9 Nr. 4 und § 11 werden dem Betriebsrat Kontrollrechte eingeräumt. Nach § 12 Nr. 3 ist auf den Einsatz von Videokameras durch gut sichtbare Schilder hinzuweisen. Die jeweilige Inbetriebnahme ist allerdings für die Arbeitnehmer nicht erkennbar.

    Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Einigungsstellenspruch sei unwirksam, da in unzulässiger Weise in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingegriffen werde. Die Videoüberwachung sei weder geeignet noch erforderlich zur Verhinderung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten. Es sei völlig unklar, ob und ggf. in welchem Umfang Briefsendungen gerade im Briefzentrum abhanden kämen oder geöffnet würden. Dies sei auch eher unwahrscheinlich, da die Arbeitnehmer in der Halle nicht unbeobachtet seien. Sehr viel wahrscheinlicher sei, dass die Verluste während des Transports aufträten. Eine verdachtsunabhängige Videoüberwachung, mit der unterschiedslos alle Arbeitnehmer überzogen würden, sei unverhältnismäßig. Es komme hinzu, dass die Arbeitgeberin von der seit Sommer 2001 bestehenden Möglichkeit zu Personenkontrollen keinen Gebrauch gemacht habe.

    Der Betriebsrat hat beantragt

    festzustellen, dass die durch Spruch der Einigungsstelle zur Einführung und Anwendung einer Videoüberwachung bei der Deutschen Post AG, Niederlassung Produktion BRIEF B. getroffene Betriebsvereinbarung vom 26. November 2001 unwirksam ist.

    Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei wirksam. Die Videoüberwachung sei geeignet und erforderlich zur Vermeidung von Straftaten und zur Überführung der Täter. Sie sei auch verhältnismäßig. Auf die Zahl der im Briefzentrum B. abhanden gekommenen Sendungen komme es nicht an. Maßgeblich sei allein, dass überhaupt Verluste eingetreten seien. Die Videoüberwachung sei ein wirksames Mittel zur Strafverfolgung. Dies zeige der Umstand, dass bis zum Jahr 2001 in den 50 Briefverteilzentren, die mit Videoüberwachung ausgestattet sind, 26 Täter hätten überführt werden können.

    Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. Die Arbeitgeberin bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

    B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Der zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtete (vgl. etwa BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 11/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 161 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I der Gründe mwN) und auch im Übrigen zulässige Antrag des Betriebsrats ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts begründet. Der Einigungsstellenspruch ist unwirksam. Er verstößt gegen § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, da er ohne hinreichende Rechtfertigung schwerwiegende Beeinträchtigungen des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer vorsieht.

    I. Einigungsstellensprüche, welche die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen, unterliegen ebenso wie Betriebsvereinbarungen insoweit uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle, als es um die Prüfung geht, ob ihr Inhalt gegen zwingendes höherrangiges Recht verstößt (vgl. etwa BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 159 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu III der Gründe; 21. Oktober 2003 - 1 AZR 407/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I der Gründe). Ein derartiger Verstoß liegt hier vor.

    1. Die Betriebsparteien und damit auch die Einigungsstelle sind allerdings grundsätzlich befugt, Regelungen über die Einführung einer Videoüberwachung zu treffen. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Eine Videoüberwachungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. schon BAG 14. Mai 1974 - 1 ABR 45/73 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kontrolleinrichtung Nr. 1; ferner BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe; Fitting BetrVG § 87 Rn. 244).

    2. Die Betriebsparteien und die Einigungsstelle haben höherrangiges Recht zu beachten. So haben sie nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und fördern. Diese Verpflichtung stellt eine Schranke für die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien und den Inhalt der von ihnen getroffenen Regelungen dar (vgl. BAG 21. August 1990 - 1 AZR 567/89 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 16, zu II 3 a der Gründe; 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316, 322 ff. = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe; 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - BAGE 101, 216, 325 f. = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 29, zu B I 3 b bb der Gründe; Fitting BetrVG § 75 Rn. 77; GK-Kreutz BetrVG § 75 Rn. 93).

    a) § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet die Betriebsparteien zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte (vgl. BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe mwN). Sie haben daher insbesondere auch das in Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht enthält nicht nur wie alle Freiheitsrechte ein subjektives Abwehrrecht gegenüber den Staatsorganen. Es fordert außerdem den Schutz der Bürger durch den Staat (vgl. ErfK/Dieterich Art. 2 GG Rn. 37, 67 ff.; Einl. GG Rn. 33 ff.). Diesen treffen gegenüber den privaten Grundrechtsträgern Schutzpflichten (vgl. BVerfG 25. Februar 1975 - 1 BvF 1/74 ua. - BVerfGE 39, 1, 42, zu C II 1 der Gründe; 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 ua. - BVerfGE 88, 203, 251 ff., zu D I der Gründe). Er muss die einzelnen Grundrechtsträger auch vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen bewahren (BAG 11. März 1998 - 7 AZR 700/96 - BAGE 88, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 12 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 8, zu III 2 b der Gründe; 31. Juli 2002 - 7 AZR 140/01 - BAGE 102, 65, 69 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 14 = EzA GG Art. 9 Nr. 78, zu B I 3 b der Gründe).

    b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort (vgl. dazu BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28, 39 ff. = AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15, zu C II 1 a der Gründe; vgl. auch bereits BVerfG 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71 - BVerfGE 34, 238, 246 f., zu B II 2 der Gründe; BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 508/96 - BAGE 87, 31, 34 f. = AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 27 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 12, zu I der Gründe) ua. auch das Recht am eigenen Bild (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - aaO, zu II 1 a der Gründe; BVerfG 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71 - aaO; BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 3 b aa der Gründe; vgl. auch BAG 7. Oktober 1987 - 5 AZR 116/86 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; BGH 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - LM BGB § 823 (Ah) Nr. 120, zu III 1 der Gründe; OLG Karlsruhe 8. November 2001 - 12 U 180/01 - NJW 2002, 2799, zu I 1 der Gründe). Ebenso wie beim gesprochenen Wort gehört es zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Dabei ist das Recht am eigenen Bild, ebenso wie das am gesprochenen Wort, nicht identisch mit dem Schutz der Privatsphäre (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - aaO, zu C II 1 b der Gründe) . Es ist deshalb nicht auf bestimmte Örtlichkeiten, wie insbesondere die eigene Wohnung, begrenzt. Auch ist es nicht nur - wie durch § 22 KunstUrhG ausdrücklich geregelt - gegen die unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung geschützt. Vielmehr unterfällt bereits die Herstellung von Abbildungen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (BGH 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - aaO, zu III 1 der Gründe).

    c) Außerhalb des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. dazu zuletzt insbesondere BVerfG 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 - und - 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279, 311 ff., zu C I 3 b aa und bb der Gründe) wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht allerdings nur in den Schranken der verfassungsgemäßen Ordnung garantiert. Diese wird bestimmt durch die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28, 48 = AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15, zu C II 4 a der Gründe; BAG 21. August 1990 - 1 AZR 567/89 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 16, zu II 3 a der Gründe; 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe). In das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann daher insbesondere durch verfassungsgemäße Gesetze eingegriffen werden. Auch kann es Beschränkungen erfahren durch die rechtlich geschützten Belange anderer Grundrechtsträger (vgl. BGH 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - LM BGB § 823 (Ah) Nr. 120, zu III 2 d der Gründe). Zu den Normen, die Einschränkungen des Persönlichkeitsrechts rechtfertigen können, gehören auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen (vgl. BAG 21. August 1990 - 1 AZR 567/89 - aaO, zu II 3 a der Gründe; 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - aaO, zu A II 3 der Gründe).

    d) Die den Betriebsparteien durch § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auferlegte Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen, verbietet nicht jede Betriebsvereinbarung, die zu einer Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt (vgl. BAG 21. August 1990 - 1 AZR 567/89 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 16, zu II 3 a der Gründe; 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316, 323 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe). Der Eingriff muss aber, sofern er nicht durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gestattet ist, durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger, beispielsweise des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers ist eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 3 b bb der Gründe mwN). Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz konkretisiert auch die den Betriebsparteien gem. § 75 Abs. 2 BetrVG auferlegte Verpflichtung (BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - aaO, zu A II 3 der Gründe). Danach muss die von ihnen getroffene Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen.

    aa) Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316, 324 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe; BVerfG 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 - und - 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279, 336, zu C II 3 b bb der Gründe). Dabei steht den Betriebsparteien und der Einigungsstelle - ebenso wie in einer vergleichbaren Situation dem Gesetzgeber (vgl. dazu BVerfG 3. März 2004 aaO) - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.

    bb) Erforderlich ist die Regelung, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht (vgl. BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316, 324 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe; BVerfG 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 - und - 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279, 340, zu C II 3 b cc der Gründe). Auch insoweit haben Betriebsparteien und Einigungsstelle einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. zum Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers BVerfG 3. März 2004 aaO, zu C II 3 b cc (1) der Gründe).

    cc) Angemessen ist die Regelung, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316, 324 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 24, zu A II 3 der Gründe mwN; vgl. auch 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 3 b bb der Gründe mwN). Die erforderliche Rechtsgüterabwägung kann nicht abstrakt vorgenommen werden. Weder geht das Eigentum (Art. 14 GG) oder das Briefgeheimnis (Art. 10 GG) stets dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor noch ist dieses stets vorrangig. Vielmehr sind jeweils die Gesamtumstände maßgeblich. Dabei ist für die Angemessenheit einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme die Eingriffsintensität mitentscheidend (vgl. BVerfG 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 - und - 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279, zu C II 3 b ee (3) (a) der Gründe). Daher ist bedeutsam, wie viele Personen wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind und ob diese Personen hierfür einen Anlass gegeben haben (BVerfG 3. März 2004 aaO). Das Gewicht der Beeinträchtigung hängt auch davon ab, ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben, welche Umstände und Inhalte der Kommunikation erfasst werden können und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aus der Überwachungsmaßnahme drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden (BVerfG 3. März 2004 aaO). Auch macht es einen Unterschied, ob die Überwachungsmaßnahmen in einer Privatwohnung oder in Betriebs- und Geschäftsräumen stattfinden und ob und in welcher Zahl unverdächtige Dritte mitbetroffen sind (BVerfG 3. März 2004 aaO).

    Die Intensität der Beeinträchtigung hängt ferner maßgeblich von der Dauer und der Art der Überwachungsmaßnahme ab. Wie das Bundesverfassungsgericht im sog. Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 (- 1 BvR 209/83 ua. - BVerfGE 65, 1, 42, zu C II 1 a der Gründe) ausgeführt hat, bedarf das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes. Es ist vor allem deshalb besonders gefährdet, weil mit dieser Technik Informationen über bestimmte Personen grundsätzlich unbegrenzt speicherbar und jederzeit abrufbar sind und mit anderen Datensammlungen zu einem Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden können, ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren kann (BVerfG 15. Dezember 1983 aaO, zu C II 1 a der Gründe). Diese technischen Möglichkeiten sind geeignet, bei den betroffenen Personen einen psychischen Anpassungsdruck zu erzeugen, durch den sie in ihrer Freiheit, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, wesentlich gehemmt werden. "Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert oder als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen" (BVerfG 15. Dezember 1983 aaO). Die damit verbundene Einschränkung der individuellen Entwicklungschancen des Einzelnen beeinträchtigt zugleich auch das Gemeinwohl, "weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist" (BVerfG 15. Dezember 1983 aaO).

    II. Die im Einigungsstellenspruch vorgesehene Videoüberwachung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht aller in der Bearbeitungshalle im Briefzentrum B. beschäftigten Arbeitnehmer dar. Dieser Eingriff ist weder durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen noch durch schützenswerte Interessen der Arbeitgeberin oder der Postkunden, die im Rahmen einer Gesamtabwägung die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer überwiegen würden, gerechtfertigt.

    1. Durch die Videoüberwachung wird, wie auch das Landesarbeitsgericht nicht verkennt, in schwerwiegender Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen. Diese werden einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Sie müssen stets damit rechnen, gerade gefilmt zu werden. Zwar sind die Videokameras sichtbar angebracht; wann sie in Betrieb sind, ist aber für die Arbeitnehmer nicht erkennbar. Da der Einigungsstellenspruch Videoaufzeichnungen von 50 Stunden pro Woche auch ohne Vorliegen eines Verdachts gestattet, haben die Arbeitnehmer während ihrer gesamten Arbeitszeit davon auszugehen, dass ihre Verhaltensweisen möglicherweise gerade aufgezeichnet werden und später anhand der Aufzeichnungen rekonstruiert und kontrolliert werden können. Dementsprechend müssen sie sich bei jeder ihrer Bewegungen kontrolliert fühlen. Ihre Gestik und Mimik, bewusste oder unbewusste Gebärden, der Gesichtsausdruck bei der Arbeit oder bei der Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen unterliegen stets der Möglichkeit dokumentierender Beobachtung. Damit entsteht ein Druck, sich möglichst unauffällig zu benehmen, setzen sich doch die Arbeitnehmer andernfalls der Gefahr aus, später wegen etwa abweichender Verhaltensweisen Gegenstand von Kritik, Spott oder gar Sanktionen zu werden. Dieser Anpassungsdruck wird auch nicht dadurch entscheidend gemildert, dass die Videoanlage nach § 2 Nr. 2 des Einigungsstellenspruchs "ausschließlich zur Vorbeugung und Aufklärung von Straftaten betrieben" werden darf. Der eingeschränkte Verwendungszweck führt nicht dazu, dass lediglich Straftaten gefilmt würden; im Gegenteil werden diese allenfalls einen quantitativ unbedeutenden Bruchteil der Aufnahmen ausmachen. Aufgezeichnet und späterer Beobachtung durch Dritte zugänglich gemacht werden nach dem System der vorgesehenen Überwachung fast ausschließlich Verhaltensweisen und Lebensäußerungen ohne strafrechtliche Relevanz, wie die Verrichtung der Arbeit, mögliche Unterbrechungen und jegliche Form der Kommunikation mit anderen Arbeitnehmern in der Halle. Dabei sind regelmäßig - auch dies ist im Überwachungssystem so angelegt - weit überwiegend, wenn nicht ausschließlich Personen betroffen, denen gegenüber kein Verdacht einer strafbaren Handlung besteht.

    2. Für diesen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der in der Bearbeitungshalle im Briefzentrum B. beschäftigten Arbeitnehmer gibt es keine hinreichende Rechtfertigung.

    a) Eine Einwilligung der Arbeitnehmer in die zeitlich unbegrenzte Videoüberwachung liegt ersichtlich nicht vor. Im übrigen wären Betriebsparteien und Einigungsstelle selbst bei Einwilligung der Arbeitnehmer nicht von ihrer Verpflichtung zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte entbunden. Durch die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG soll gerade auch der Gefahr begegnet werden, dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik wird und sein Wissen darum zu erhöhter Abhängigkeit und zur Behinderung der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit führt (BAG 18. Februar 1986 - 1 ABR 21/84 - BAGE 51, 143, 149 = AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kontrolleinrichtung Nr. 14, zu B II 3 b der Gründe; 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kontrolleinrichtung Nr. 20, zu B I 1 der Gründe).

    b) Die Videoüberwachung ist nicht ausdrücklich vom Gesetz gestattet. Eine Rechtfertigung folgt insbesondere nicht aus § 6b Abs. 1 BDSG. Die Vorschrift regelt nur die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume und findet auf Videoüberwachungen am Arbeitsplatz jedenfalls dann keine Anwendung, wenn dieser nicht öffentlich zugänglich ist (Simitis ua. BDSG/Bizer § 6b Rn. 43; Gola/Schomerus BDSG § 6b Rn. 9; Gola/Klug RDV 2004, 65, 72). Öffentlich zugänglich sind nur solche Räume, die ihrem Zweck nach dazu bestimmt sind, von einer unbestimmten Zahl oder nach nur allgemeinen Merkmalen bestimmten Personen betreten und genützt zu werden (Simitis ua. BDSG/Bizer § 6b Rn. 40; vgl. auch Gola/Schomerus BDSG § 6b Rn. 8). Die Gesetzesbegründung nennt beispielhaft Bahnsteige, Ausstellungsräume eines Museums, Verkaufsräume und Schalterhallen (BT-Drucks. 14/4329 S. 38). Nicht öffentlich zugänglich sind demgegenüber Räume, die nur von einem bestimmten Personenkreis betreten werden dürfen. Hiernach ist die Bearbeitungshalle im Briefzentrum B. kein öffentlich zugänglicher Raum iSv. § 6b Abs. 1 BDSG.

    c) Eine analoge Anwendung des § 6b Abs. 1 BDSG scheidet aus. Der Gesetzgeber hat nicht öffentlich zugängliche Arbeitsplätze der Bestimmung bewusst nicht unterworfen. In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich, für nicht öffentlich zugängliche Räume seien "besondere Regelungen, beispielsweise im Rahmen eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes erforderlich" (BT-Drucks. 14/4329 S. 38). Außerdem sind die Umstände der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Plätze grundlegend andere. Typischerweise ist die Eingriffsintensität bei den nach § 6b BDSG zulässigen Videoüberwachungen sehr viel geringer als bei Videoüberwachungen am Arbeitsplatz. Bei öffentlich zugänglichen Räumen ist der Personenkreis der beobachteten Personen der verantwortlichen Stelle in der Regel zunächst unbekannt (vgl. Gola/Klug RDV 2004, 65, 66). Dagegen ist bei der Videoüberwachung am nicht öffentlich zugänglichen Arbeitsplatz der Personenkreis nicht anonym, sondern überschaubar und dem Arbeitgeber bekannt. Der Überwachungs- und Anpassungsdruck ist daher für die beobachteten Personen sehr viel größer (vgl. zur Bedeutung der Anonymität für die Eingriffsintensität auch BVerfG 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 - und - 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279, 353, zu C II 3 b ee (3) (a) der Gründe). Außerdem erfasst die Überwachung am Arbeitsplatz - anders als etwa in Bahnhöfen, Tankstellen, Kaufhäusern - die betroffenen Personen nicht nur kurzfristig und vorübergehend. Sie wiederholt sich vielmehr potenziell an jedem Arbeitstag und dauert jeweils mehrere Stunden. Der Arbeitnehmer kann den Besuch des überwachten Raums weder vermeiden noch sich der Überwachung durch ein Verlassen seines Arbeitsplatzes entziehen.

    Soweit danach bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Überwachung am Arbeitsplatz überhaupt auf die § 6b BDSG zugrunde liegenden Wertungen zurückgegriffen werden kann, rechtfertigt die regelmäßig stärkere Eingriffsintensität eher den Schluss, dass für die Überwachung am Arbeitsplatz strengere Voraussetzungen gelten müssen (vgl. auch Däubler NZA 2001, 874, 878; Gola/Klug RDV 2004, 65, 72).

    d) Die im Einigungsstellenspruch vorgesehene Videoüberwachung lässt sich nicht mit § 28 BDSG rechtfertigen. Es spricht bereits manches dafür, dass diese Vorschrift zur Rechtfertigung von Videoaufzeichnungen durch nicht öffentliche Stellen nicht genügt. Immerhin hat der Gesetzgeber auch für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume § 13 und § 14 BDSG nicht als ausreichend erachtet, sondern mit § 6b BDSG eine spezielle Ermächtigungsnorm für erforderlich gehalten. Die Frage kann jedoch dahin stehen. Denn selbst wenn § 28 BDSG grundsätzlich geeignet sein sollte, Videoaufzeichnungen von Personen zu rechtfertigen, sind jedenfalls die nach § 28 Abs. 1 BDSG erforderlichen Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Auch wenn zu Gunsten der Arbeitgeberin angenommen wird, die - jedenfalls bei digitaler Kameratechnik vorliegende - automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der Arbeitnehmer sei iSv. § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zur Wahrung berechtigter Interessen der Arbeitgeberin erforderlich, so überwiegt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen das schutzwürdige Interesse der betroffenen Arbeitnehmer an dem Ausschluss der Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten (vgl. hierzu näher unter B II 2 g dd der Gründe).

    e) Die Videoüberwachung ist nicht durch eine Notwehrsituation oder eine notwehrähnliche Lage gerechtfertigt (vgl. dazu BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28, 50 = AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15, zu C II 4 a bb der Gründe mwN; vgl. auch BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 3 b cc der Gründe). Allerdings folgt schon aus § 227 Abs. 1 BGB, dass eine durch Notwehr gebotene Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht widerrechtlich wäre. Zulässig ist nach § 227 Abs. 2 BGB diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Selbst wenn hier eine derartige Notwehrsituation unterstellt würde, wäre die Verteidigung aber nur gegenüber dem Angreifer und nicht gegenüber der ganz überwiegend "unschuldigen" Belegschaft zulässig. So handelte es sich denn auch in den Fällen, in denen die Rechtsprechung bei heimlichen Tonbandaufnahmen zugunsten des Beweisführers eine Notwehrsituation anerkannt hat, um solche, in denen sich die Verteidigung gegen einen konkreten Angreifer richtete (vgl. etwa BGH 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57 - BGHZ 27, 284; 24. November 1981 - VI ZR 164/79 - NJW 1982, 277). Dementsprechend hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers dann für zulässig angesehen, "wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist" (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - aaO, zu B I 3 b cc der Gründe).

    f) Die Videoüberwachung ist der Arbeitgeberin nicht allein auf Grund ihres Hausrechts gestattet.

    aa) Dabei kann zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt werden, dass das Hausrecht (vgl. zu Inhalt und Umfang des Begriffs Ziegler DuD 2003, 337) dem Inhaber eines befriedeten Besitztums im nicht öffentlich zugänglichen Bereich grundsätzlich die Möglichkeit einer offenen Videoüberwachung eröffnet (vgl. Weichert DuD 2000, 662, 666; Wohlfahrth RDV 2000, 101, 103). In öffentlich zugänglichen Räumen sieht § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG die Videoüberwachung "zur Wahrnehmung des Hausrechts" sogar ausdrücklich vor (vgl. dazu Ziegler DuD 2003, 337). Wird von dem Inhaber eines nicht öffentlich zugänglichen befriedeten Besitztums eine Videoüberwachung in diesem Bereich nicht heimlich, sondern offen durchgeführt, so hat der Besucher grundsätzlich die freie Entscheidung, sich der Überwachung und Aufzeichnung zu unterwerfen oder dies durch Fernbleiben von dem überwachten Raum zu vermeiden. Verbleibt er gleichwohl freiwillig in den Räumen, wird darin regelmäßig seine Einwilligung liegen.

    bb) In einem Arbeitsverhältnis gilt dies nicht. Hier hat einerseits der Arbeitnehmer die vertragliche Pflicht, sich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten, um dort seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Es besteht für ihn gerade nicht die Möglichkeit, sich der Überwachung durch Verlassen der überwachten Räumlichkeiten zu entziehen. Schon deshalb kann in seinem Verbleiben keine Einwilligung gesehen werden. Andererseits ist aber auch der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen. Sein Hausrecht - im Sinne der freien Verfügungsmöglichkeit über die von ihm besessenen Räumlichkeiten - unterliegt insoweit Einschränkungen. Er muss im Rahmen des Arbeitsverhältnisses das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer beachten und kann - solange sich Arbeitnehmer zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung in den Betriebsräumen aufhalten - die Videoüberwachung nicht allein damit rechtfertigen, es handele sich um "seine" Räumlichkeiten.

    g) Die in dem Einigungsstellenspruch vorgesehenen dauerhaften Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer sind nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Arbeitgeberin und der Postkunden gerechtfertigt. Allerdings haben beide ein rechtlich geschütztes Interesse an der Sicherheit des Postverkehrs und damit daran, dass - auch - im Briefzentrum B. keine Briefsendungen abhanden kommen oder Inhaltsverluste auftreten (aa). Auch erscheint die vorgesehene Videoüberwachung grundsätzlich geeignet, Mitarbeiter des Briefzentrums davon abzuhalten, dort Diebstähle zu begehen, sowie etwaige Straftäter zu überführen (bb). Zugunsten der Arbeitgeberin mag auch von der Erforderlichkeit der Maßnahme ausgegangen werden (cc). Der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung hält die Regelung jedoch nicht stand (dd).

    aa) Das rechtlich geschützte Interesse der Arbeitgeberin daran, dass die von ihr beförderten Briefsendungen möglichst nicht abhanden kommen, beschädigt werden oder Inhaltsverluste erleiden, ergibt sich schon aus § 39 Abs. 2 Satz 1 PostG, der sie zur Wahrung des durch Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Postgeheimnisses verpflichtet. Diesem unterliegt nach § 39 Abs. 1 PostG ua. der Inhalt von Postsendungen. Die von diesen Vorschriften geschützten Belange der Postkunden, denen gegenüber die Arbeitgeberin zur sicheren Beförderung der Sendungen verpflichtet ist, sind bei der Prüfung ebenfalls zu berücksichtigen. Den Schwerpunkt der schützenswerten Interessen der Arbeitgeberin bildet dabei die Verhinderung von Diebstählen. Sie hat darüber hinaus aber auch unabhängig von präventiven Zwecken ein berechtigtes Interesse an der Ergreifung und Überführung etwaiger Täter.

    bb) Die in dem Einigungsstellenspruch vorgesehene Videoüberwachung erscheint sowohl zur Prävention von Diebstählen als auch zur Ergreifung und Überführung etwaiger Täter grundsätzlich geeignet. Diese Ziele können mit der Videoüberwachung jedenfalls gefördert werden. Eine den Arbeitnehmern bekannte Videoüberwachungsanlage kann dazu beitragen, sie von Übergriffen abzuhalten. Auch kann sie bei gleichwohl vorkommenden Diebstählen die Feststellung und Überführung der Täter erleichtern. Die generelle Eignung wird auch daran deutlich, dass bis zum Jahr 2001 die in 50 Briefzentren bereits installierten Videoüberwachungsanlagen zur Überführung von 26 Tätern zumindest beigetragen haben.

    cc) Zugunsten der Arbeitgeberin mag unterstellt werden, dass die Überwachung auch erforderlich ist. Es erscheint allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass auch andere, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkende Mittel allein oder auch kombiniert in zumindest ähnlicher Weise zur Vermeidung und Verfolgung von Diebstählen geeignet sind. Dabei wäre etwa zu denken an intensivere Beobachtungen durch - ggf. auch eigens hiermit befasste - Mitarbeiter, an Veränderungen der nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin unübersichtlichen Bearbeitungshalle sowie an Ausgangskontrollen. So erscheint schwer verständlich, dass die Arbeitgeberin vor Einführung der Videoüberwachung kein einziges Mal von der durch die Betriebsvereinbarung im Sommer 2001 eigens geschaffenen Möglichkeit der Personenkontrolle Gebrauch gemacht hat. Als milderes Mittel zur Prävention käme statt der Aufzeichnungen auf Videobändern auch ein reines Fernseh-Monitoring in Betracht (vgl. zu gegenüber der Videoüberwachung alternativen Maßnahmen auch Tammen RDV 2000, 15). Zwar läge darin ebenfalls ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Ohne die spätere Wiederholungen und Verarbeitungen ermöglichenden Aufzeichnungen wäre die Intensität des Eingriffs aber deutlich geringer. Schließlich wäre auch daran zu denken, die Videoüberwachung auf einen besonders gefährdeten Bereich, wie etwa den der Handsortierung zu beschränken. Hier dürfte am ehesten die Gefahr einer gezielten Entwendung bestehen. Dagegen wird in der automatisierten Briefsortierung, wo die Sendungen mit großer Geschwindigkeit durchlaufen, ein gezielter Zugriff deutlich schwieriger und weniger erfolgversprechend sein. Mangels näherer Feststellungen dazu, wo tatsächlich Verluste eintreten, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die vorgesehene Videoüberwachung trotz der Möglichkeit anderer Maßnahmen wegen deren geringerer Wirksamkeit erforderlich ist. Die Frage kann aber letztlich dahin stehen.

    dd) Der in dem Einigungsstellenspruch vorgesehene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer hält jedenfalls einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

    (1) Das Gewicht der Gründe für einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ist allerdings durchaus beachtlich. Die Arbeitgeberin hat ein erhebliches Interesse daran, dass die ihr anvertrauten Briefsendungen nicht abhanden kommen oder Inhaltsschädigungen erleiden. Auch stellt das von ihr zu schützende Postgeheimnis ihrer Kunden ein hohes Rechtsgut dar. Diese Interessen können unter engen Voraussetzungen - insbesondere im Rahmen eines konkreten Verdachts oder einer konkreten Bedrohung - für einen überschaubaren Zeitraum die Interessen der Arbeitnehmer an der Beachtung ihres Rechts am eigenen Bild und der informationellen Selbstbestimmung überwiegen.

    (2) Unter den konkreten Umständen des Streitfalls reichen die Interessen der Arbeitgeberin aber nicht aus, um den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu rechtfertigen.

    (a) Das Vorliegen einer besonderen Gefährdungslage im Briefzentrum B. hat die Arbeitgeberin nicht dargetan. Sie hat auch nicht konkret dargelegt, in welchem Umfang, wann und wie dort Sendungen abhanden gekommen sind. Der Umstand, dass es bei Briefsendungen, die über das Briefzentrum gelaufen sind, in der Vergangenheit Verluste gegeben hat, bedeutet nicht, dass diese dort eingetreten sein müssen. Auch aus dem nicht näher präzisierten Vorbringen der Arbeitgeberin, der für das Briefzentrum B. zuständige Sicherheits-Spezialist habe seit Januar 2001 wiederholt Sendungen erhalten, die im Briefzentrum aufgefunden worden seien und deren Inhalt vollständig gefehlt habe, lassen sich keine zuverlässigen Schlüsse ziehen. Gleiches gilt für den Vortrag, bei den über die Briefzentren G., H. und B. -S. laufenden Briefsendungen seien nach Einführung der Videoüberwachung die Verluste um 6 %, bzw. 7 % und 15 % zurückgegangen. Auch dies erlaubt nicht den zuverlässigen Schluss, in all den nicht mit Videoüberwachungsanlagen ausgestatteten Briefverteilzentren sei die Gefahr von Diebstählen signifikant höher. Schon statistisch erscheint es wenig aussagekräftig, wenn die Arbeitgeberin insofern lediglich drei von 50 Briefverteilzentren herausgreift.

    Da die Beschäftigten in der Bearbeitungshalle - auch ohne Videoüberwachung - ständig mit der Beobachtung durch Kollegen und Vorgesetzte rechnen müssen, erscheint die Gefahr von Diebstählen dort sogar eher geringer als auf dem Weg zum Briefzentrum oder auf dem weiteren Weg zum Empfänger. Zugriffsmöglichkeiten bestehen dabei insbesondere in der nicht unerheblichen Zeit, während derer die Zusteller die Sendungen ohne Aufsicht und Beobachtung in ihrer Obhut haben. Dabei können Gefahren nicht nur von - auch fahrlässigem - Fehlverhalten von Zustellern ausgehen, sondern es ist auch die Möglichkeit eines Diebstahls durch Dritte aus den beim Zustellgang verwendeten ungesicherten Behältnissen zu berücksichtigen. Schließlich liegt die Annahme nicht fern, dass ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der Verluste deshalb eintritt, weil Briefe vom Zusteller versehentlich in falsche Briefkästen geworfen und von deren Besitzern nicht in den Postverkehr zurückgeleitet werden.

    (b) Die vorgesehene Videoüberwachung greift tief in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ein.

    (aa) Die Überwachungsmöglichkeit besteht während der gesamten Arbeitszeit. Der Umstand, dass die Möglichkeit verdachtsunabhängiger Aufzeichnung auf 50 Stunden pro Woche "beschränkt" ist, ändert hieran nichts. Da die Arbeitnehmer nicht wissen, wann die Kameras eingeschaltet sind, entsteht ein ständiger Überwachungsdruck. Dies ist - aus Gründen der Prävention - auch das erklärte Ziel.

    (bb) Diese Überwachung ist nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, sondern auf unbegrenzte Zeit vorgesehen. Damit geht der Einigungsstellenspruch um ein Vielfaches über das Maß hinaus, das für eine "längerfristige Observation" durch Strafverfolgungsbehörden zulässig wäre. Die Anforderungen an die Zulässigkeit und Dauer von Bildaufzeichnungen sind bei staatlichen Organen weit strenger. So ist eine solche, der Staatsanwaltschaft vorbehaltene Maßnahme nach § 163f StPO auch bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat von erheblicher Bedeutung auf einen Monat befristet und bedarf zu einer darüber hinausgehenden Verlängerung der Anordnung durch einen Richter. Auch der in § 23 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BKAG vorgesehene, der Verhütung bestimmter schwerer Straftaten dienende Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen - in einer für den Betroffenen nicht erkennbaren Weise - ist nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BKAG auf höchstens einen Monat zu befristen und bedarf zur Verlängerung einer neuen Anordnung.

    Zwar können die den Staat in seinen Überwachungsmöglichkeiten begrenzenden Bestimmungen nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis zwischen Privaten übertragen werden. Gleichwohl wird in ihnen zum einen deutlich, welche Bedeutung gerade auch die Dauer der Überwachung für die Intensität des Eingriffs hat. Zum andern können dem Arbeitgeber zumindest nicht viel weitergehende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zugestanden werden, als sie bei Inanspruchnahme staatlicher Organe zulässig wären. Dies gilt auch dann, wenn die Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers, wie vorliegend, mit Kontrollbefugnissen des Betriebsrats verbunden sind.

    (cc) Die Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer ist vor allem deshalb besonders groß, weil nach § 6 Nr. 1 des Einigungsstellenspruchs die Videoanlage in jeder Kalenderwoche bis zu 50 Stunden in Betrieb genommen werden kann, ohne dass auch nur ein begründeter Anfangsverdacht vorliegen müsste. Damit wird eine Vielzahl von Arbeitnehmern der dauerhaften Überwachung unterzogen, ohne hierfür einen konkreten Anlass gegeben zu haben (vgl. dazu, dass eine hohe Anzahl unverdächtiger Betroffener für die Intensität des Eingriffs von besonderer Bedeutung ist, insbesondere auch BVerfG 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 - und - 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279, 353, zu C II 3 b ee (3) (a) der Gründe). Die Arbeitnehmer sind der Überwachung selbst dann ausgesetzt, wenn sich kein einziger von ihnen etwas hat zuschulden kommen lassen. Die Vielzahl oder gar Gesamtheit "Unschuldiger" muss schwerwiegende Eingriffe in ihr Persönlichkeitsrecht hinnehmen, um einige wenige potenzielle Diebe abzuschrecken. Auch damit gehen die Überwachungsmöglichkeiten der Arbeitgeberin nach dem Einigungsstellenspruch deutlich über die Befugnisse hinaus, die staatliche Organe zur Verhütung schwerer Straftaten haben. Diese dürfen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BKAG andere Personen als diejenigen, bei denen die begründete Gefahr einer künftigen Straftat besteht, nur dann observieren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie, insbesondere als Kontakt- oder Begleitpersonen, mit den verdächtigen Personen in einer Weise in Verbindung stehen oder treten werden, die erwarten lässt, dass die Maßnahme zur Verhütung von Straftaten beitragen wird.

    (dd) Die Gefahr besonders intensiver Persönlichkeitsverletzungen wird schließlich noch dadurch erhöht, dass der Einigungsstellenspruch keine Begrenzung der zu verwendenden Technik enthält. Dabei bestehen insbesondere zwischen digitaler und analoger Aufzeichnungstechnik hinsichtlich der Eingriffsintensität erhebliche qualitative Unterschiede. Dies macht die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BT-Drucks. 14/5793 S. 62) deutlich. Dort heißt es: "Insbesondere bei Anwendung digitaler Videoüberwachungssysteme kommt der Abwägungsklausel herausragende Bedeutung zu. Für jeden Schritt der Verarbeitung und Nutzung von Videomaterial ist eine gesonderte Bewertung der Zulässigkeit geboten. Schutzwürdige Interessen der Betroffenen sind in besonderer Weise berührt, wenn automatisierte Verfahren beispielsweise zum Vergrößern und Herausfiltern einzelner Personen, zur biometrischen Erkennung, zum Bildabgleich oder zur Profilerstellung eingesetzt werden oder in dem zur Videoüberwachung eingesetzten System verfügbar und einsatzbereit sind. Denn derartige Maßnahmen greifen in besonders gravierender Weise in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ein. Regelmäßig überwiegt insofern das Interesse der Betroffenen, nicht zum Objekt automatisierter Verarbeitung sie betreffender Videoaufnahmen zu werden. ... Je leistungsfähiger die Möglichkeiten automatisierter Auswertung von Videoaufnahmen von Personen im Zuge technologischer Fortentwicklung werden, desto gewichtiger ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht im Rahmen der Abwägung zu Gunsten der Betroffenen zu berücksichtigen." Dem angefochtenen Einigungsstellenspruch lässt sich nicht zuverlässig entnehmen, ob lediglich die analoge oder - auch - digitale Aufzeichnungen zulässig sein sollen. Er hat die technische Seite der Videoaufzeichnungen lediglich insoweit angesprochen, als er in § 4 Nr. 5 bestimmt, dass eine Verknüpfung mit anderen IT-Systemen nicht stattfinde. Damit ist jedoch nicht geregelt, ob bei den Aufzeichnungen selbst die analoge oder die digitale Technik zur Anwendung kommen soll.

    (ee) Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände erweist sich der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer als unzulässig. Der Spruch der Einigungsstelle ist daher unwirksam.

    RechtsgebietVideoüberwachung am Arbeitsplatz