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  • 05.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132102

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 19.03.2013 – 3 K 2285/10

    Zur Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG gehören auch Kosten, für die bei Leistungsbezug zu Unrecht ein Vorsteuerabzug gewährt wurde.


    In dem Finanzrechtsstreit
    der Grundstücksgemeinschaft Eheleute
    - Klägerin -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -
    wegen Umsatzsteuer 2004, 2005 und 2006
    hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 3. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. März 2013 durch
    den Präsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzender,den Richter am Finanzgericht die Richterin am Landgericht den ehrenamtlichen Richter den ehrenamtlichen Richter
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    I.

    Die Klage wird abgewiesen.
    II.

    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    III.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung einer Wohnung in einem dem Unternehmen zugeordneten Gebäude.

    Die Klägerin ist eine Ehegattengrundstücksgemeinschaft. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks S-Straße Hausnummer in B. Auf diesem Grundstück errichtete sie in den Jahren 2002 und 2003 ein Einfamilienhaus. In dem Haus befinden sich sowohl privat genutzte Wohnräume der Eheleute als auch Büroräume, die von der Klägerin an die Ehefrau für ihre Rechtsanwaltskanzlei steuerpflichtig vermietet werden. Die anteiligen Herstellungskosten für den privat genutzten Gebäudeteil belaufen sich auf insgesamt 316.537,41 € netto.

    Die Klägerin ordnete erstmals in ihrer beim Finanzamt am 30.07.2003 eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung für 2002 das Gebäude in vollem Umfang ihrem Unternehmensvermögen zu. Sie nahm in den Umsatzsteuerjahreserklärungen 2002 und 2003, eingegangen beim Finanzamt am 28.01.2004, bzw. in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das erste und zweite Quartal 2003 den gesamten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes in Anspruch.

    Die aus den Baumaßnahmen geltend gemachten Vorsteuerbeträge waren u. a. Gegenstand einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2003. Der Abzug der auf den privat genutzten Gebäudeteil entfallenden Vorsteuern wurde von der Umsatzsteuersonderprüfung zunächst versagt (vgl. Prüfungsbericht vom 08.09.2003, Band I der Umsatzsteuerakten, Bl.6 f), im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens dann jedoch gewährt. Die der Klägerin im Jahr 2003 in Rechnung gestellten anteiligen Herstellungskosten für den privat genutzten Wohnraum, für die der Vorsteuerabzug gewährt wurde, beliefen sich auf insgesamt 83.458,64 € netto.

    In ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Streitjahre 2004 bis 2006 erklärte die Klägerin für die Verwendung der privat genutzten Wohnung sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG in Höhe von jeweils 6.324,-€, die sie wie folgt ermittelte:
    Herstellungskosten privat genutzter Gebäudeteil 316.537,41 €
    2 v. H. Jahres-AfA 6.330,75 €
    monatliche Kosten 527,56 €
    abgerundet 527,00 €
    Jahreswert 6.324,00 €

    Abweichend davon setzte das Finanzamt als Bemessungsgrundlage der privaten Grundstücksverwendung im Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 17.06.2004 einen Betrag von 18.988,-€ sowie in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für 2005 und 2006 vom 08.02.2007 und 08.04.2008 einen Betrag von jeweils 31.653,-€ an. Diese Beträge errechnete das Finanzamt wie folgt:
    01.01. - 30.06.2004:
    01.07. - 31.12.2004: 6 x 527,00 € = 3.162,00 €
    6 x 2.637,81 € = 5.826,86 €
    18.988,00 €
    01.01. - 31.12.2005: 12 x 2.637,81 € = 31.653,00 €
    01.01. - 31.12.2006: 12 x 2.637,81 € = 31.653,00 €

    Insoweit berief sich das Finanzamt auf § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG in der Fassung des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 09.12.2004 - EURLUmsG - (BGBl I 2004, 3310) sowie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.04.2007 - V R 56/04 - (BStBl II 2007, 676) und das hierzu ergangene BMF-Schreiben vom 10.08.2007 (BStBl I 2007, 690), wonach für den Zeitraum ab dem 01.07.2004 die unentgeltliche Wertabgabe im Sinne von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG mit 10 v. H. der Herstellungskosten anzusetzen ist, mithin im Streitfall mit jährlich 31.653,74 € (= monatlich 2.637,81 €). Die Umsatzsteuer wurde zuletzt für das Jahr 2004 mit €, für das Jahr 2005 mit € und für das Jahr 2006 mit € festgesetzt.

    Mit ihren gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 eingelegten Einsprüchen begehrte die Klägerin eine Berechnung der unentgeltlichen Wertabgabe mit 2 v. H. der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten. Sie war der Ansicht, dass eine Anwendung von § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG i. d. F. des EURLUmsG mit Wirkung vom 01.07.2004 im Streitfall nicht möglich sei, weil die Vorschrift gegen Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. EG-Richtlinie und darüber hinaus - insbesondere im Streitjahr 2004 - auch gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Für die Jahre ab 2005 folge die Verfassungswidrigkeit der Norm daraus, dass die Klägerin ihre Investitions- und Finanzierungsentscheidung im schutzwürdigen Vertrauen auf das Fortbestehen der seinerzeit geltenden Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe in Abschn. 155 Abs. 2 Satz 2 UStR 2000 getroffen habe und die Änderung der Bemessungsgrundlage ab dem 01.07.2004 nachträglich ihr Vertrauen in die zuvor erworbene Rechtsposition entwerte. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG i. d. F. des EURLUmsG sei ohne Übergangsregelung, z.B. eine Anwendung auf nach dem 01.07.2004 abgeschlossene Investitionen, verfassungswidrig.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Anwendung der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG EURLUmsG auf den 01.07.2004 verstoße weder gegen Gemeinschaftsrecht noch gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Zur Begründung berief sich der Beklagte auf Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 14.09.2006 C-72/05 "Wollny", BFH/NV Beilage 2007, 66), des BFH (Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04, BStBl II 2007, 676), auf finanzgerichtliche Rechtsprechung (Finanzgericht Münster, Urteil vom 04.03.2010 5 K 3484/08 U, EFG 2010, 994) sowie auf die Anmerkungen von Widmann zum BFH-Urteil vom 19.04.2007 - V R 56/04 - (Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 653).

    Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Bei der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG i. d. F. des EURLUmsG vom 19.12.2004 handle es sich um eine echte Rückwirkung, die verfassungswidrig sei, soweit sie auf vor den 01.07.2004 abgeschlossene Investitionen angewendet werde. Das Urteil des Finanzgerichts Münster, das eine verfassungswidrige Rückwirkung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG i.d.F. des EURLUmsG verneine und auf das sich der Beklagte beziehe, lasse sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Einklang bringen. Hierbei könne offen bleiben, ob sich die Neuregelung der Bemessungsgrundlage für die Klägerin als echte oder unechte Rückwirkung darstelle. Der verfassungswidrige Eingriff in ihre geschützte Rechtsposition folge bereits daraus, dass ihr Vertrauen in die Rechtsfolgen der Zuordnung des gesamten streitgegenständlichen Objekts zum Unternehmensvermögen enttäuscht worden sei. Der Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen überwiege das Änderungsinteresse des Gesetzgebers an der Bemessungsgrundlage in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG.

    Bei der Zuordnungsentscheidung habe die gesicherte und von dem EuGH und dem BFH bestätigte Rechtslage vorgelegen, dass die Klägerin den gesamten Vorsteuerabzug aus sämtlichen Herstellungskosten in Anspruch habe nehmen können und dass langfristig die ertragsteuerlichen Abschreibungen die Bemessungsgrundlage bei der Umsatzbesteuerung der privaten Nutzung der Immobilie bildeten. Im Ergebnis hätten die auf den privat genutzten Gebäudeteil entfallenden steuerlichen Abschreibungen gleichmäßig über einen Zeitraum von in der Regel 50 Jahren umsatzversteuert werden müssen. Dieser Effekt, die vollständige Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs einerseits und die langfristige Umsatzversteuerung der privaten Nutzung andererseits, bewirke einen sehr großen Finanzierungsvorteil, der mit einem unverzinslichen Darlehen über einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren vergleichbar sei. Diesen Vorteil hätte die Klägerin in ihre Investitionsentscheidung, die nicht nur mit Blick auf das Gebäude, sondern auch auf die Einrichtung der Kanzleiräume in dem Anwesen getroffen worden sei, und in ihre Finanzierungsüberlegungen einbezogen. Dieser Vorteil habe auch die Höhe der Investitionssumme beeinflusst, denn ohne den Finanzierungsvorteil aus dem Zusammenspiel zwischen Vorsteuerabzug und langfristiger Umsatzversteuerung der privaten Nutzung bei geringer Bemessungsgrundlage hätte die Klägerin die Investition nicht in diesem Umfang vorgenommen.

    Die Strukturänderung des Gesetzgebers bewirke planmäßig eine Verfünffachung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage in einem Zeitraum von 10 Jahren. Eine solche Änderung sei derart gravierend, dass sie, soweit sie an Vorgänge und Entscheidungen in der Vergangenheit anknüpfe, nicht mehr vom zulässigen Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers umfasst sein könne. Die Neuregelung der Bemessungsgrundlage in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das Gesetz vom 09.12.2004 sei insoweit verfassungswidrig, als die Regelung auch für Steuerpflichtige Anwendung finde, die vor dem 09.12.2004 das gemischt genutzte Objekt vollständig dem Unternehmensvermögen zugeordnet hätten. Es hätte insoweit zumindest einer Übergangs- oder Vertrauensschutzregelung bedurft.

    Auch müsse den Ausführungen des Finanzgerichts Münster in seinem Urteil vom 04.03.2010 - 5 K 3484/08 U - widersprochen werden, wonach zum Zeitpunkt der Verkündung der Seeling-Entscheidung am 08.05.2003 absehbar gewesen sei, dass der Gesetzgeber mit der Zielsetzung der Neutralität der Umsatzsteuer reagieren und die Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG ändern würde. Eine diesbezügliche Gesetzesinitiative sei erstmals im Jahr 2004 festzustellen. Im Jahr 2004 hätte die Klägerin jedoch bereits von ihrer Investitions- und Zuordnungsentscheidung Gebrauch gemacht und auf die Richtigkeit und Beständigkeit der Rechtslage, wie sie der EuGH im Seeling-Urteil (C-269/00) erkannt hätte, vertraut. Dabei habe der EuGH die Rechtslage nicht etwa überraschend neu erkannt, sondern vielmehr bestätigt, was auch die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe erwartet hätten. Die Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben sei auch nicht Gegenstand der fachlichen Diskussion gewesen. Eine andere Interpretation der Bemessungsgrundlage durch die Finanzverwaltung sei erstmals durch das BMF-Schreiben vom 13.04.2004 erfolgt. Eine gesetzliche Grundlage sei erst durch das EURLUmsG vom 09.12.2004 geschaffen worden. Folglich habe frühestens im Jahr 2004 kein Vertrauen mehr in die frühere Rechtslage bestehen können. Dem Beklagten sei zuzustimmen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt am 01.07.2004 absehbar gewesen sei, dass der Gesetzgeber reagieren würde. Weil aber die wirtschaftlichen Dispositionen der Klägerin vor dem 01.07.2004 erfolgt seien, bewirke die Neufassung von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das Gesetz vom 09.12.2004 eine verfassungswidrige Rückwirkung.

    Zur Frage einer zeitnahen Zuordnungsentscheidung (vgl. Erörterungsschreiben des Finanzgerichts vom 31.10.2012, Bl.88 der Prozessakten) nahm die Klägerin im Wesentlichen wie folgt Stellung: Das Urteil des BFH vom 07.07.2011 - V R 21/10 - (BFHE 234, 531) dürfte dahin zu verstehen sein, dass das Zuordnungswahlrecht in Bezug auf das Kalenderjahr, in dem die Herstellung begonnen habe, spätestens bis zum 31.05. des Folgejahres im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung auszuüben sei. Vorliegend sei dies hinsichtlich des Jahres 2003 (Jahr der Fertigstellung) fristgerecht durch Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für 2003 erfolgt. Konsequenterweise sei für die Streitjahre bei der Versteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG auf die anteiligen Herstellungskosten des Jahres 2003 abzustellen, soweit diese zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten.

    Die Klägerin beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 vom 17.06.2008, 08.02.2007 und 08.04.2008, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010, dahingehend zu ändern, das die Umsatzsteuer für 2004 auf €, die Umsatzsteuer für 2005 auf € und die Umsatzsteuer für 2006 auf € festgesetzt wird,

    hilfsweise,

    das Verfahren auszusetzen und § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG i. d. F. des EURLUmsG vom 09.12.2004 dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorzulegen;

    hilfsweise,

    die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 vom 17.06.2008, 08.02.2007 und 08.04.2008, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010, dahingehend zu ändern, dass als Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Wertabgaben gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG für die Verwendung der privat genutzten Wohnräume im Anwesen B, S-Straße Hausnummer lediglich die anteiligen Herstellungskosten des Jahres 2003 in Höhe von 83.458,64 € herangezogen werden.

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage nicht bestehe, wenn damit zu rechnen sei, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen werde, um eine aufgrund geänderter Rechtsprechung entstandene Regelungslücke zu schließen. Danach sei eine Änderung mit Rückwirkung zulässig, wenn das geltende Recht unklar und verworren gewesen sei, wenn also die geänderte Norm von vornherein Anlass zu zahlreichen Auslegungsproblemen gegeben habe. Das sei hier der Fall. Die Neuregelung sei eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Seeling-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 08.05.2003 C.269/00 "Seeling", BStBl II 2004, 378) und der folgenden Entscheidungen des BFH vom 24.07.2003 (V R 39/99, BStBl II 2004, 371) und vom 19.04.2007 (V R 56/04, BStBl II 2007, 676) gewesen. Es sei zum maßgeblichen Zeitpunkt am 01.07.2004 absehbar gewesen, dass der Gesetzgeber mit der Zielsetzung der Neutralität der Umsatzsteuer reagieren würde.

    Auch sei die Rechtslage zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin ihre Dispositionen getroffen habe, unklar und verworren gewesen. Zum Beweis hierfür verweist der Beklagte auf das Verwaltungsverfahren betreffend die Jahre 2002 und 2003, in dem die Beteiligten über die Abzugsfähigkeit der Vorsteuern aus den auf den privat genutzten Gebäudeteil entfallenden Herstellungskosten gestritten haben.

    Mit der Zielsetzung der gleichmäßigen Besteuerung müsse eine gesetzliche Änderung der Bemessungsgrundlage für einen Umsatz, der Dauertatbestand sei, für die Zukunft ab einem bestimmten Stichtag zulässig sein (vgl. Widmann, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 19.04.2007 a.a.O., Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 653). Eine Kontinuitätsgewähr gebe es prinzipiell nicht. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz gehe nicht soweit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (BFH, Urteil vom 20.10.2010 - IX R 56/09 -, BFHE nn). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 u.a., DStR 2010, 1727).

    Die Rechtmäßigkeit der Anwendung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG in der Neufassung ab dem 01.07.2004 sei zuletzt durch das Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 29.11.2012 - 1 K 2535/11 - in [...]) bestätigt worden.

    Zur Frage einer zeitnahen Zuordnungsentscheidung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, dass eine rechtzeitig dokumentierte Zuordnungsentscheidung nur hinsichtlich der im Jahr 2003 bezogenen Leistungen erfolgt sei. Nach den Ausführungen des BFH (z. B. in seinem Urteil vom 18.04.2012 XI R 14/10, BFH/NV 2012, 1828) könne der Unternehmer den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder ihn entsprechend dem unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen und im Übrigen seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen. Insoweit sei es letztendlich fraglich, ob eine Zuordnung einzelner Leistungsbezüge, also einzelner Gewerke, zum unternehmerischen Bereich zulässig sei, was nach Ansicht des Beklagten zu nicht mehr vertretbaren Rechtsfolgen führe. Möglich sei, dass Anzahlungen aus 2002 auf einzelne Gewerke, z. B. Erstellung des Rohbaus, nicht dem Unternehmen zugeordnet würden, während die Restzahlung laut Schlussrechnung als Herstellungskosten eventuell des Jahres 2003 dem Unternehmen zugeordnet würde. Andererseits würde ggf. eine Zuordnung von im Jahr 2002 fertig gestellter, aber erst in 2003 abgerechneter Gewerke erfolgen.
    Entscheidungsgründe

    I.

    Die Klage hat keinen Erfolg. Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2010 sind rechtmäßig. Das beklagte Finanzamt hat die Umsatzsteuer unter zutreffender Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die private Nutzung des Einfamilienhauses für die Streitjahre festgesetzt.

    1. a) Nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG ist einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen.

    b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hat das Einfamilienhaus, das nur teilweise unternehmerisch verwendet wird, in vollem Umfang ihrem Unternehmen zugeordnet und den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen.

    (1) Ist ein Gegenstand - wie vorliegend das von der Klägerin hergestellte Einfamilienhaus - sowohl für den unternehmerischen Bereich als auch für den nichtunternehmerischen privaten Bereich des Unternehmers vorgesehen (gemischte Nutzung), wird der Gegenstand nur dann für das Unternehmen bezogen, wenn und soweit der Unternehmer ihn seinem Unternehmen zuordnet (vgl. EuGH, Urteil vom 08.03.2001 Rs. C-415/98, Bakcsi, Slg. 2001, I-1831, Leitsatz 1 sowie Rz 25). Insoweit hat der Steuerpflichtige (Unternehmer) nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und BFH ein Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder den Gegenstand entsprechend dem - geschätzten - unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen und im Übrigen seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 11.07.1991 Rs. C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795; vom 04.10.1995 Rs. C-291/92, Armbrecht, Slg. 1995, I-2775; BFH, Urteile vom 07.07.2011 V R 21/10, BFHE 234, 531; vom 19.07.2011 XI R 29/09, BFHE 234, 556, unter II.1.c., m.w.N.).

    Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung schon bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen ist. Gleichwohl kann nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH die Zuordnungsentscheidung spätestens und mit endgültiger Wirkung noch in einer "zeitnah" erstellten Umsatzsteuererklärung für das Jahr, in das der Leistungsbezug fällt, nach außen dokumentiert werden (vgl. BFH, Urteil vom 17.12.2008 XI R 64/06, NFH/NV 2009, 798; BFH, Beschluss vom 26.06.2009 V B 34/08, BFH/NV 2009, 2011), wobei insoweit der 31. Mai des Folgejahres als letztmöglicher Zeitpunkt in Betracht kommt (vgl. BFH, Urteile vom 07.07.2011 V R 21/10, BFHE 234, 531; vom 07.07.2011 V R 42/09, BFHE 234, 519; vom 15.12.2011 V R 48/10, BFH/NV 2012, 808). Das gilt auch für den in zeitlicher Hinsicht "gestreckten" Vorgang der Herstellung eines Gebäudes (BFH, Urteil vom 07.07.2011 V R 21/10 aaO).

    Danach hat die Klägerin die für die Herstellung des Einfamilienhauses bezogenen Leistungen im Jahr 2002 nicht zeitnah ihrem Unternehmen zugeordnet. Die Klägerin hatte ihre Umsatzsteuererklärung für 2002, in der sie erstmals den Vorsteuerabzug für Bauleistungen ansetzte, erst am 30.07.2003 eingereicht. Damit fehlt es an primären Beweisanzeichen für eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin das Gebäude im Jahr 2002 ihrem Unternehmen zugeordnet hätte, sind nicht ersichtlich. Im Streitfall ist daher von einer Zuordnung der im Jahr 2002 für die Herstellung des Gebäudes bezogenen Leistungen zum nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin auszugehen mit der Folge, dass der Klägerin insoweit zu Unrecht der Vorsteuerabzug aus den Bauleistungen im Jahr 2002 gewährt wurde.

    Allerdings liegen hinsichtlich des Jahres 2003 Anhaltspunkte für eine vollständige Zuordnung zum Unternehmen bereits beim Bezug der jeweiligen Leistungen für das Gebäude vor. Denn die Klägerin hat den Vorsteuerabzug betreffend 2003 bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen in 2003 sowie in der am 28.01.2004 beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 2003 geltend gemacht. Insoweit liegt eine rechtzeitige Zuordnungsentscheidung für das Unternehmen vor und die Klägerin war zum Sofortabzug der jeweiligen Vorsteuern berechtigt.

    (2) Mit der teilweisen Nutzung des Gebäudes für private Wohnzwecke verwendet die Klägerin das Gebäude für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens - der gewerblichen Vermietung - liegen. Soweit ein Teil des dem Unternehmen der Klägerin zugeordneten Einfamilienhauses zu Wohnzwecken genutzt wird, liegt eine Verwendung eines Gegenstandes vor, die gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt ist (vgl. BFH, Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04, BStBl II 2007, 676; Finanzgericht München, Urteil vom 24.02.2011 14 K 210/08, EFG 2011, 1660).

    2. Das Finanzamt hat auch die unentgeltliche Wertabgabe in den Streitjahren der Höhe nach zutreffend bemessen. Ohne Rechtsmangel hat es hierbei die gesamten auf den privat genutzten Gebäudeteil entfallenden Herstellungskosten, für die die Klägerin den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, als Bemessungsgrundlage herangezogen (nachfolgend a) und für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2004 2 v. H. und für die Zeit ab dem 01.07.2004 10 v. H. dieser vorsteuerbelasteten Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage angesetzt (nachfolgend b).

    a) Der Umsatz bei einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG wird nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, bemessen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG). Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind nur die Kosten heranzuziehen, die als Betriebskosten mit dem Gegenstand selbst verknüpft oder als Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den Gegenstand entfallen sind und die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben (vgl. BFH, Urteil vom 24.08.2000 V R 9/00, BStBl II 2001, 76; EuGH, Urteil vom 26.09.1996 Rs. C-230/94, Enkler, Slg. 1996, I-4517).

    Danach wären im Streitfall zur Bemessung der Verwendungsleistung aufgrund der privaten Wohnungsnutzung nur die anteiligen Herstellungskosten des Jahres 2003 zu berücksichtigen, weil die Klägerin nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Hinsichtlich der im Jahr 2002 bezogenen Leistungen wurde der Klägerin, wie bereits dargelegt, mangels zeitnaher Dokumentation der Zuordnungsentscheidung zu Unrecht der Vorsteuerabzug gewährt. Es fehlt insoweit daher an einer Vorsteuerabzugsberechtigung.

    Allerdings kann allein die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung in den sogenannten gestreckten Herstellungsvorgängen eines Gebäudes, in denen dem Unternehmer - wie im Streitfall der Klägerin - der Vorsteuerabzug aus den gesamten Baukosten des Gebäudes zu Unrecht gewährt wurde, nicht dazu führen, dass die unentgeltliche Wertabgabe im Sinne des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG lediglich anhand der Herstellungskosten zu bemessen ist, für die der Vorsteuerabzug zu Recht in Anspruch genommen wurde.

    Bis zum 31.03.1999 war die Besteuerung des damaligen Eigenverbrauchs nach dem Gesetzeswortlaut weder dem Grunde noch der Höhe nach von einem Vorsteuerabzug abhängig. Erst durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde die Eigenverbrauchsbesteuerung in enger Anlehnung an die bis zum 31.12.2006 gültigen Art. 5 Abs. 6, Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und Art 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) - jetzt Art. 16 und Art. 26 MwStSystRL - ausgestaltet (vgl. auch Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 10 Rdnr.426.1). Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG werden einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt: "die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen..., wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat". Besteuerungsgrundlage ist bei den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Umsätzen gemäß Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung. Die Voraussetzung der Vorsteuerabzugsberechtigung findet sich im Wortlaut des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG zwar nicht wider. Bei der gebotenen engen Auslegung sind jedoch in die Besteuerungsgrundlage wegen der privaten Nutzung eines solchen Gegenstands nur die Ausgaben einzubeziehen, die die Verwendung des Gegenstands selbst betreffen und die den Steuerpflichtigen zum Abzug der Steuer berechtigt haben, mit der die Ausgaben für den Erwerb und den Betrieb belastet waren (vgl. EuGH, Urteile vom 25.05.1993 Rs. C-193/91, Mohsche, Slg. 1993, I-2615, Rdnr. 13 bis 15; vom 27.06.1989 Rs. C-50/88, Kühne, Slg. 1989, 1925, Rdnr. 8).

    In die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG sind somit nur durch Vorsteuerabzug entlastete Kosten einzubeziehen. Ansonsten würde es zu einer systemwidrigen Doppelbelastung (steuerbelastete Eingangsleistung und Besteuerung des Eigenverbrauchs bzw. jetzt der unentgeltlichen Wertabgabe) führen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Steuerpflichtige auch tatsächlich vom Vorsteuerabzug Gebrauch gemacht hat. Daher gebietet eine richtlinienkonforme Auslegung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG anhand des Sinns und Zwecks des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wie er durch die Entscheidungen des EuGH vom 25.05.1993 (Rs. C-193/91, Mohsche, Slg. 1993, I-2615) und vom 27.06.1989 (Rs. 50/88, Kühne, Slg. 1989, 1925) zum Ausdruck gebracht wurde, dass solche Ausgaben nicht zu berücksichtigen sind, für die zwar eine Vorsteuerabzugsberechtigung bestand, für die aber tatsächlich kein Vorsteuerabzug geltend gemacht worden ist und aus verfahrensrechtlichen Gründen auch nicht mehr geltend gemacht werden kann (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 23. Auflage, S. 830; a.A. wohl Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 118 Rdnr.224 - 226). Für den umgekehrten Fall, in dem - wie im Streitfall - zwar keine Vorsteuerabzugsberechtigung bestand, die Vorsteuern aber tatsächlich in Anspruch genommen wurden und dies aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann - jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung liegen die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO nicht vor, deren Anwendung gegebenenfalls auch die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO entgegensteht (so Frotscher in Schwarz, AO, § 176 Rdnr.18; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, FGO, § 174 Rdnr.115; offen gelassen von BFH, Urteil vom 24.09.1998 IV R 65/96, BStBl II 1999, 46) -, führt die gebotene richtlinienkonforme Auslegung dazu, dass in die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 UStG auch die Kosten einzubeziehen sind, für die ohne Vorsteuerabzugsberechtigung tatsächlich ein Vorsteuerabzug gewährt wurde. Alles andere würde dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer zuwiderlaufen, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, in das sich die Sechste Richtlinie einfügt, zugrunde liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 08.03.2001, Rs. C-415/98, Bakcsi, Slg. 2001, I-1831 Rdnr.46). Das Prinzip der Umsatzsteuerneutralität erfordert es, dass durch die Entstehung der Umsatzsteuer für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG als Ausgangsumsätze der Vorteil durch den bereits berücksichtigten Vorsteuerabzug aus der Anschaffung oder Herstellung des dem Unternehmen zugeordneten Wirtschaftsgutes ausgeglichen wird. Die Verpflichtung, Umsatzsteuer für die nichtunternehmerische Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands zu zahlen, zielt darauf ab, die Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen sicher zu stellen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 14.09.2006, Rs. C-72/05, Wollny, Slg. 2006, I-8297 Rdnr.30 bis 33). Außerdem stünde ein Verzicht auf die Einbeziehung der Kosten in die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG, für die der Steuerpflichtige beim Erwerb des betreffenden Gegenstands trotz fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung tatsächlich Vorsteuern abgezogen hat, auch nicht im Einklang mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, weil er unvermeidlich zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde.

    Zudem würde eine andere Entscheidung auch zu nicht vertretbaren Ergebnissen führen. Denn im Streitfall scheitert die Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich der im Jahr 2002 bezogenen Leistungen allein an der nicht rechtzeitig dokumentierten Zuordnungsentscheidung. Bis zur Entscheidung des BFH vom 07.07.2011 (V R 42/09, DStR 2011, 1949), in der der BFH klar stellt, dass eine "zeitnahe" Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nur dann vorliegt, wenn diese bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen dem Finanzamt gegenüber erfolgt, bestand zur Frage des Zeitpunktes der Zuordnung von Leistungsbezügen zum Unternehmen keine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung. Somit hat das beklagte Finanzamt vorliegend mangels einer entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechend der Regelung in Abschn. 192 Abs. 18 Nr. 2b der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) 2000, wonach der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt durch eine schriftliche Erklärung spätestens bis zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung des Jahres, in dem das Gebäude erstmals verwendet wird, mitzuteilen hat, ob er von der Zuordnung von nichtunternehmerisch verwendeten Gebäudeteilen zum nichtunternehmerischen Bereich Gebrauch macht, der Klägerin den Vorsteuerabzug für die in 2002 bezogenen Leistungen gewährt. Könnten sich nunmehr all diejenigen Steuerpflichtigen, die in der Vergangenheit nach der damaligen Verwaltungsauffassung einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen haben, bei denen allerdings nach den Grundsätzen der aktuellen BFH-Rechtsprechung eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung nicht vorliegt, im Rahmen der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe auf die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung berufen, würde dies zu nicht mehr vertretbaren Rechtsfolgen führen. Denn in diesem Fall könnte nicht mehr nach dem Sinn und Zweck des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG gewährleistet werden, dass der Steuerpflichtige gegenüber dem Endverbraucher keinen ungerechtfertigten Vorteil genießt. Zudem könnte die steuerliche Neutralität nicht mehr gewahrt werden.

    b) Die Bemessungsgrundlage für die private Nutzung des Grundstücks errechnet sich bis zum 30.06.2004 nach der alten Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG und ab dem 01.07.2004 nach der Neufassung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG.

    aa) Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. ist eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, zu bemessen. Es ist grundsätzlich von den bei der Einkommensteuer zugrunde gelegten Kosten auszugehen, d.h. bezüglich der Herstellungskosten eines Gebäudes von einer jährlichen Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von 2 v. H. (BFH, Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04 aaO).

    Vorliegend hat das Finanzamt für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 30.06.2004 die auch bei der Einkommensteuer zugrunde gelegten Kosten, d. h. 2 v. H. der Herstellungskosten des privat genutzten Gebäudeteils nach § 7 Abs. 4 EStG, als Bemessungsgrundlage für die sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG angesetzt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

    bb) Seit 01.07.2004 wird der Umsatz nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG n. F. bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, bemessen. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG n. F.). Danach sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten über 500 € gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dieser Berichtigungszeitraum beträgt für Grundstücke einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile (Gebäude nach § 94 BGB) zehn Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Neuregelung ist nach Art. 22 Abs. 3 EURLUmsG (BGBl. I 2004, 3310, 3330) mit Wirkung vom 01.07.2004 in Kraft getreten.

    Im Ergebnis wird mit der Neuregelung über einen Zeitraum von zehn Jahren eine vollständige Kompensation des Vorsteuerabzugs bewirkt, den der Steuerpflichtige grundsätzlich auch für die privat genutzten Teile seines gemischt genutzten Grundstücks in Anspruch nehmen kann, wenn er das Grundstück insgesamt seinem Unternehmen zuordnet (EuGH, Urteil vom 08.05.2003 Rs. C-269/00, Seeling, Slg. 2003, I-4101, BStBl II 2004, 378, BFH, Urteil vom 24.07.2003 V R 39/99 aaO). Der Unternehmer, der bei einer Privatnutzung eines Gegenstandes zunächst der Besteuerung entgeht, wird - zur Wahrung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer - später einem Privatkonsumenten gleichgestellt, da der ursprüngliche Vorsteuerabzug für zunächst unternehmerische Belange pro rata temporis rückgängig gemacht wird (Finanzgericht München, Urteil vom 24.02.2011 14 K 2128/09, in [...]).

    Im Streitfall hat das Finanzamt entsprechend der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG ab dem 01.07.2004 für die nichtunternehmerische Verwendung des Einfamilienhauses 10 v . H. der auf diesen privat genutzten Gebäudeanteil entfallenden Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage für die sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG herangezogen.

    cc) Die Bemessung der unentgeltlichen Wertabgabe sowohl nach der alten Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. als auch nach der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG i. d. F. des EURLUmsG vom 09.12.2004 mit Wirkung vom 01.07.2004 entspricht dem Unionsrecht.

    Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14.09.2006 Rs. C-72/05, Wollny, Slg. 2006, I-8297, DStR 2006, 1746 die gesetzliche Neuregelung in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG i. d. F. des EURLUmsG als mit Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c, Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar angesehen. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10.04.1995 geänderten Fassung sei dahin auszulegen, dass er der Festsetzung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das der Steuerpflichtige in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat, auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes, der sich nach dem gemäß Artikel 20 dieser Richtlinie vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt, nicht entgegenstehe. Der EuGH betont jedoch, dass diese Definition nicht zwingend aus der Richtlinie 77/388/EWG folge, die Mitgliedstaaten vielmehr zur Bestimmung dieser Grundsätze über einen gewissen Ermessensspielraum verfügten, vorausgesetzt, dass sie den Sinn und Zweck der fraglichen Vorschrift und ihrer Stellung im Gefüge der Richtlinie 77/388/EWG nicht verkennen (Rn. 28 des Urteils, vgl. auch BFH, Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04 aaO).

    Ferner hat der EuGH in einem früheren Urteil klargestellt, dass die bisherige Anknüpfung an "die Abschreibungen für die Abnutzung des Gegenstands" eine mit der Zielsetzung des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbare Auslegung des Begriffs der Ausgaben darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 26.09.1996 Rs. C-230/94, Enkler, Slg. 1996, I-4517, DStR 1996, 1686). Daraus folgt, dass auch die Praxis der Anknüpfung an die ertragsteuerrechtlichen Kosten bis zum 30.06.2004 mit der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar war und der Begriff der Kosten im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. nicht zwingend im Sinne der gesetzlichen Neuregelung auszulegen war (BFH, Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04 aaO m.w.N.).

    dd) Die Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG i. d. F. des EURLUmsG vom 09.12.2004 mit Wirkung vom 01.07.2004 verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Rückwirkungsverbot vor, wie die Klägerin meint.

    Die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung, insbesondere ihre Anwendung auf den 01.07.2004 wird von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bejaht (vgl. FG Münster, Urteil vom 04.03.2010 5 K 3484/08 U, EFG 2010, 994; FG München, Urteil vom 24.02.2011 14 K 210/08 aaO; FG Baden Württemberg, Urteil vom 29.11.2012 1 K 2535/11, in [...]).

    Das Finanzgericht München hat sich zur Verfassungsmäßigkeit der neu geschaffenen Norm des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in seinem Urteil vom 24.02.2011 (14 K 210/08 aaO) wie folgt geäußert:

    "Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entfaltet eine Rechtsnorm eine - grundsätzlich unzulässige - "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02 u.a., DStR 2010, 1736 m.w.N.).

    Die maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Im Sachbereich des Steuerrechts liegt eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) daher nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Während die Rechtsfolgen bei der veranlagten Einkommensteuer in der Regel erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums eintreten (BVerfG-Beschluss vom 03.12.1997 - 2 BvR 882/97, DStRE 1998, 270), ist für die Umsatzsteuer der Ablauf des Voranmeldungszeitraums maßgeblich (Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 16a). Für Leistungen nach § 3 Abs. 9a UStG entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 UStG).

    Die Rückbewirkung von Rechtsfolgen ("echte Rückwirkung") auf Zeiträume vor dem Gesetzesbeschluss ist nur unter engen Voraussetzungen, etwa aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls oder wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen zulässig (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14.05.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 258 und vom 03.12.1997 - 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 80). Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage besteht beispielsweise dann nicht, wenn damit zu rechnen ist, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen wird, um eine aufgrund geänderter Rechtsprechung entstandene Regelungslücke zu schließen (BVerfG-Beschluss vom 23.06.1993 - 1 BvR 133/89, BVerfGE 89, 48). Eine Änderung mit Rückwirkung ist auch dann zulässig, wenn das geltende Recht, das durch die Norm mit Rückwirkung verändert wurde, unklar und verworren war. Dies ist dann der Fall, wenn die geänderte Norm von vornherein Anlass zu zahlreichen Auslegungsproblemen gegeben hat, deren Lösung nicht allein aus dem Wortlaut, sondern nur in einer Zusammenschau von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung möglich war (BVerfG-Beschluss vom 17.01.1979 - 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77, BVerfGE 50, 177).

    Im Hinblick auf die Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das EURLUmsG vom 09.12.2004 (Gesetzesbeschluss des Bundestages am 28.10.2004) liegt eine echte Rückwirkung vor, da Voranmeldungszeiträume, in denen eine Privatnutzung im Sinne von § 3 Abs. 9a UStG erfolgt ist, bereits abgelaufen waren und der Gesetzgeber durch die Neuregelung in zurückliegende Sachverhalte eingegriffen hat. Nach Auffassung des Senats bestehen jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der Neuregelung ab dem 01.07.2004.

    Die Rückwirkung ist zulässig, da aufgrund der Rechtsprechung des EuGH mit einer gesetzlichen Neuregelung zu rechnen war.

    Mit Urteil vom 08.05.2003 hat der EuGH in der Rs. C-269/00 - Seeling - (Slg. 2003, I-4101, BStBl II 2004, 378) entschieden, dass die private Nutzung einer Wohnung in einem gemischt genutzten Betriebsgebäude, das insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordnet war, eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG darstellt. Bei der Privatnutzung handle es sich um einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen sei.

    Diese Entscheidung wurde in der Literatur geteilt aufgenommen, einerseits verschaffte die Inanspruchnahme des vollen Vorsteuerabzugs dem Unternehmer einen entscheidenden Liquiditätsvorteil (vgl. Nieskens, "Umsatzsteuersparmodell: Die auch privat genutzte Immobile", UStB 2003, 311), andererseits wurde der Vorsteuerabzug als "systemwidrig" kritisiert (Dziadkowski, "EuGH billigt systemwidrigen Vorsteuerabzug bei Gebäuden", IStR 2004, 339).

    Im Ergebnis bestand jedoch Einigkeit darüber, dass das dem Mehrwertsteuerrecht zugrundeliegende Neutralitätsprinzip durch die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. aufgrund des Seeling-Urteils nicht konkretisiert werden kann, es war klar, dass die bestehende Rechtslage keinen Bestand haben konnte, vgl. Dziadkowski, a.a.O. Da das Belastungsziel der Umsatzsteuer ausschließlich in der Belastung des Verbrauchs auf der Endverbraucherebene besteht, musste gewährleistet werden, dass der Unternehmer, der bei einer Privatnutzung eines Gegenstandes der Besteuerung zunächst entgeht, einem Privatkonsumenten gleichgestellt wird und den ursprünglichen Vorsteuerabzug für zunächst unternehmerische Belange rückgängig macht. Die Vorschrift des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F., die eine Kompensation des Vorsteuerabzugs für die Privatnutzung unter Zugrundelegung der ertragssteuerlichen Kosten auf einen Zeitraum von 50 Jahren zuließ, wurde diesen Vorgaben nicht gerecht.

    Es war somit absehbar, dass aufgrund der "Seeling-Rechtsprechung" Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers bestand und zum maßgeblichen Zeitpunkt am 01.07.2004 mit einer Neuregelung zu rechnen war, die schließlich durch die Vorschrift des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG erfolgte.

    Gegen eine Verletzung der Grundsätze des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes spricht außerdem gerade der Umstand, dass das Gesetz selbst keine Regelung enthielt, auf welchen Zeitraum Herstellungskosten zu verteilen sind. Nach Ansicht des Gerichts gebietet das Grundgesetz nämlich nicht, den Steuerpflichtigen vor jeder Enttäuschung zu schützen, die sich aus einer Änderung der Verwaltungsanweisungen durch den Erlass neuer BMF-Schreiben ergeben kann. Die bloße Erwartung, die geltende Verwaltungsmeinung werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz."

    Der Senat schließt sich den Ausführungen des Finanzgerichts München an und macht sie sich zu eigen. Die rückwirkende Anwendung der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt am 01.07.2004 war mit einer Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG zu rechnen, weil absehbar war, dass der Gesetzgeber auf die "Seeling-Rechtsprechung" reagieren würde. Denn bis zur Seeling-Entscheidung des EuGH vom 08.05.2003 und der Folgeentscheidung des BFH vom 24.07.2003 (R 39/99, BStBl II 2004, 371) stellte sich die Problematik der Bemessung einer unentgeltlichen Wertabgabe bei gemischt genutzten Gebäuden regelmäßig nicht. Bis dahin waren Rechtsprechung und Verwaltung davon ausgegangen, dass die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers einer steuerfreien Grundstücksvermietung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG gleichzustellen sei. Da dies den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausschloss, war keine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu versteuern. Erst mit der Änderung der Rechtsprechung des BFH im Anschluss an die Seeling-Entscheidung des EuGH stellte sich die Frage, welche Folgen sich aus dem nunmehr zulässigen Vorsteuerabzug für die Bemessung der unentgeltlichen Wertabgabe ergeben würden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.11.2012 1 K 2535/11, in [...]). Es war daher mit einer gesetzlichen Neuregelung zu rechnen, um eine Kompensation der auf den privat genutzten Teil der Herstellungskosten entfallenden Vorsteuern innerhalb eines kürzeren Zeitraums als 50 Jahre vornehmen zu können (vgl. auch Finanzgericht Münster, Urteil vom 04.03.2010 5 K 3484/08 U aaO).

    ee) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, das Gebäude im vollem Umfang zum Unternehmensvermögen zuzuordnen, nicht mit einer Änderung der Rechtslage hätte rechnen müssen. Zwar erfolgte die (rechtzeitige) Zuordnung vor dem 01.07.2004, ein Vertrauen der Klägerin auf die unveränderte Beibehaltung der bisherigen Bemessungsgrundlage auch über den 01.07.2004 hinaus ist jedoch nicht schutzwürdig.

    Die Klägerin verkennt, dass die Umsatzsteuer als Jahressteuer auch bei Dauertatbeständen jeweils einzeln für jeden Besteuerungszeitraum zu ermitteln ist. Der Gesetzgeber kann für zukünftige Sachverhalte die bisherige Rechtslage grundsätzlich ohne Beschränkungen aus dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes ändern. Er ist daher berechtigt, die Bemessungsgrundlage ebenso wie den Steuersatz mit Wirkung für die Zukunft ab einem bestimmten Stichtag zu ändern. Die bloße Erwartung, das geltende Steuerrecht werde fortbestehen, wird daher auch dann nicht geschützt, wenn der Steuerpflichtige bei seinen Dispositionen von dessen begünstigenden Regelungen ausgegangen ist (BVerfG, Urteil vom 10.05.1962 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76 betr. Vergnügungssteuer bei Spielautomaten; BVerfG, Beschlüsse vom 28.01.1970 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 betr. Nachsteuer für Schaumwein und Branntwein; vom 17.07.1974 1 BvL 26/72 u. a., BVerfGE 38, 61 betr. Besteuerung des Straßengüterverkehrs - Leberpfennig).

    Widmann hat sich zur Frage des Vertrauensschutzes durch die Einführung der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in seiner Anmerkung zum BFH-Urteil vom 19.04.2007 (V R 56/04 aaO) wie folgt geäußert:

    "Es gibt kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ein Umsatz, der sich unverändert über mehrere Jahre hinzieht, in jedem Jahr gleich wie im Vorjahr oder im Jahr der erstmaligen Ausführung besteuert wird. Der Gesetzgeber greift mit dem Verzicht auf eine Übergangsregelung nicht in eine durch abschließende Disposition gefestigte Gestaltung ein, und er verkürzt auch nicht etwa eine laufende AfA-Reihe; denn die Ermittlung der Ausgaben gemäß § 10 Abs. 4 UStG wurde von ihm nun bewusst von der bisher nur eben probaten Übernahme der ertragsteuerlichen Abschreibung für Abnutzung ausdrücklich in einer EU-konformen Weise gelöst. An der ertragsteuerlichen Abschreibung für Abnutzung ändert sich durch die auf die Umsatzsteuer beschränkte Maßnahme des Gesetzgebers nichts" (UR 2007. 653, 654).

    Der Senat schließt sich den Ausführungen von Widmann an und macht sie sich zu eigen. Erwartungen der Klägerin, die nichtunternehmerische Verwendung ihres früher dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes werde noch nach der bisherigen Rechtslage besteuert oder der Gesetzgeber werde durch Übergangsregelungen eine vergleichbare für die Zukunft treffen, unterliegen nicht dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die bisherige Bemessungsgrundlage beizubehalten. Eine Kontinuitätsgewähr gibt es prinzipiell nicht. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. auch BFH, Urteil vom 20.10.2010 IX R 56/09, BStBl II 2011, 409 m.w.N.).

    Unbeschadet dessen stehen Vertrauensschutzgesichtspunkte der Klägerin der Anwendung der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG auf den Streitfall auch deshalb nicht entgegen, weil bereits im Zeitpunkt ihrer - wenn auch nicht rechtzeitigen - Zuordnungsentscheidung im Juli 2003 (Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2002) mit Reaktionen des Gesetzgebers auf die Seeling-Entscheidung des EuGH vom 08.05.2003 zu rechnen war. Da weder die 6. EG-Richtlinie noch die nationale Vorschrift des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG a. F. die Verteilung der "Kosten" auf eine bestimmte Dauer festgeschrieben haben, kam als mögliche Reaktion des Gesetzgebers die Festlegung einer kürzeren Nutzungsdauer von Gebäuden für Zwecke der Bestimmung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage in Betracht, um hierdurch den Finanzierungsvorteil durch den vollen Vorsteuerabzug schneller zurück zu führen (vgl. Küffner in DStR 2004, 119). Das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage ab dem zeitlichen Geltungsbereich der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG war daher auch aus diesem Grund nicht mehr geschützt.

    II.

    Das Verfahren war nicht nach § 74 FGO auszusetzen.

    Wie bereits unter I. Ziffer 2 dargelegt, hält der Senat die hier anzuwendende Vorschrift nicht für verfassungswidrig, so dass eine Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke der Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht kam.

    III.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen.

    Die streitige Rechtsfrage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG dahingehend sachgerecht ist, dass in die Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Wertabgaben im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG auch die Kosten einzubeziehen sind, für die ohne Vorsteuerabzugsberechtigung tatsächlich Vorsteuern abgezogen worden sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig.

    Ferner hat das Finanzgericht Baden Württemberg in seiner Entscheidung vom 29.11.2012 - 1 K 2335/11 - (in [...]) zur streitigen Frage, ob die unentgeltliche Wertabgabe für die Zeit ab dem 01.07.2004 jährlich mit 10 v. H. der vorsteuerbelasteten Herstellungskosten zu bemessen ist - Neufassung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG durch das EURLUmsG vom 09.12.2004 -, die Revision zugelassen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.