27.02.2008
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 09.12.2005 – 12 K 2/04
1. Ein Strohmann, dessen alleinige Aufgabe als Zwischenglied einer Händlerkette es ist, den Abnehmern durch die Stellung von Rechnungen den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, ist in die Lieferkette nicht wie ein typischer Händler einbezogen, so dass es an der für einen Vorsteuerabzug notwendigen Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG fehlt.
2. Unbeachtlich ist, dass der Rechnungsempfänger von einer Unternehmereigenschaft des Strohmannes ausgegangen ist, da es einen Gutglaubensschutz für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht gibt.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. Dezember 2005 durch Richter am Finanzgericht … als Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtliche Richter … und …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Versagung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen der Firma … GmbH (künftig: XY GmbH) und der AB GmbH.
Der Kläger ist seit 1989 als selbständiger Kraftfahrzeughändler tätig. Im Verlauf der Jahre spezialisierte er sich auf den Handel mit sog. Reimport- oder EU-Fahrzeugen. Dabei kam er erstmals im Februar 1999 mit einem gewissen Herrn KA in Kontakt, der alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der XY GmbH mit Sitz in –Z– war (ab September 1999 AI GmbH mit Sitz in –T–, die jedoch nicht mehr ins Handelsregister eingetragen wurde). Zunächst wurden ihm von diesem Fahrzeuge vornehmlich der Marken VW und Audi per Telefax angeboten, worauf er jedoch nicht reagierte. Nach einer persönlichen Vorsprache des Herrn KA bestellte er im März 1999 versuchsweise einen LKW-Zug mit acht Neufahrzeugen. Die Geschäftsbeziehung wurde daraufhin in den Folgemonaten intensiviert, wobei die Abwicklung immer dem gleichen Schema folgte. Der Kläger erhielt schriftliche Angebote per Telefax von den Firmen des Herrn KA. Hieraufhin bestellte er dann die entsprechenden Fahrzeuge und erhielt von diesen die Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer, die er durch Überweisung auf das Firmenkonto bei der Raiffeisenbank –J– beglich. Die Bestellungen und die Abwicklung der Reklamationen (Transportschäden, fehlende Servicehefte) erfolgte dabei stets über die Firmen des Herrn KA.
Die Fahrzeuge stammten aus Kontingenten französischer Vertragshändler, die von diesen bestellt aber letztlich nicht an Endkunden in Frankreich veräußert wurden. Die Fahrzeuge wurden von der jeweils beauftragten Spedition in Frankreich aufgeladen und im Regelfall auf direktem Weg zum Abladeplatz des Klägers bei der Firma –H– in –L– gebracht.
Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen gegen KA (vgl. Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle –M– vom 30. November 1999 in der Steuerstrafsache KA sowie entsprechendes rechtskräftiges Urteil des Landgerichts –M– vom 09. März 2000 …) wurde festgestellt, dass der tatsächliche Lieferant der Fahrzeuge ein gewisser –F– war. Dieser verfügte über entsprechende Kontakte in Frankreich, verkaufte die Fahrzeuge über seine Firma –C– mit Sitz in Luxemburg und beauftragte den Spediteur. Die Firmen des Herrn KA waren danach nur zum Schein in die Lieferkette eingebaut. Umsatzsteuererklärungen hat Herr KA für die XY GmbH erst am 08. Juli 1999 nach dem Beginn einer Umsatzsteuerprüfung für die ersten beiden Quartale abgegeben (nicht mehr für den Folgezeitraum, trotz entsprechender Umsätze). Hierin wurden Vorsteuern aus angeblichen Fahrzeugeinkäufen einer Firma –O– AG mit Sitz in Liechtenstein geltend gemacht. Nach den Feststellungen des Bundesamts für Finanzen handelte es sich bei dieser um eine reine Sitzgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Die Feststellung, dass die Firmen des Herrn KA nur zum Schein in die Lieferkette einbezogen waren, stützte die Steuerfahndung –M– in ihrem Ermittlungsbericht dabei auf folgende Punkte:
• „KA erhielt eine Angebotsliste von –F–
• Der Aufschlag pro Fahrzeug betrug 300 – 500 DM
• Der Vorteil aus der Vorsteuererschleichung wurde zum Großteil an die privaten Endabnehmer weitergegeben
• Die Bestellungen erfolgten über KA oder –F– direkt
• –F– organisierte die Transporte von –C– direkt an die Endabnehmer, welche die Spediteure zahlten
• Einzelne Abnehmer hat KA selbst organisiert, aber nur einen geringen Anteil”
Als weiteren Beleg hierfür wertete sie beim Kläger vorgefundene Frachtbriefe über die Übernahme der Fahrzeuge durch Speditionen sowie Rechnungen, die per Fax am 29. Juni 1999 von der XY GmbH an den Kläger übersandt worden waren, versehen mit einem Angebot der Firma –C– vom 30. Juni 1999 über die gleichen Fahrzeuge (vgl. vorläufiger Sachstandsbericht der Steuerfahndung –M– vom 21. März 2000 in der Steuerstrafsache –F– mit Verweis auf Beweismittelordner). Schließlich spreche hierfür auch eine Rechnung der XY GmbH an den Kläger über einen Skoda Octavia vom 23. März 1999, die vom Kläger mit dem handschriftlichen Vermerk „Bitte Fahrgestellnummer ändern …” versehen sei.
Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Ermittlungen bei Herrn KA und den von ihm betriebenen Firmen erfolgte beim Kläger eine Umsatzsteuersonderprüfung. Unter Textziffer 4 des Prüfungsberichts wurden dabei u.a. folgende Feststellungen getroffen, denen der Beklagte mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung geändertem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1999 (zuletzt vom 21. März 2002) gefolgt ist:
„Aufgrund Nachfragen bei verschiedenen Finanzämtern, die zuständig sind bezüglich der Firmen, von denen Herr –G– Fahrzeuge bezogen hat, musste festgestellt werden, dass auch sog. Scheinfirmen dabei waren. Im einzelnen handelte es sich um:
c) XY GmbH, –Z– | |
div. Rechnungen von März bis Juli 1999 | Gesamtbetrag 4.010.330,15 DM |
enthaltene USt 553.148,99 DM | |
AB GmbH, –T– | |
div. Rechnungen September 1999 | Gesamtbetrag 805.500,00 DM |
enthaltene USt 111.103,44 DM |
Aufgrund einer durchgeführten Fahndungsprüfung bei den beiden vorgenannten Firmen wurde u.a. festgestellt, dass diese Unternehmen tatsächlich keine Eigenhändler mit Kraftfahrzeugen waren, sondern lediglich als Vermittler aufgetreten sind. Die Autos wurden von einem ausländischen Lieferanten direkt von Frankreich aus nach –L– zur Fa. –H– (gleichzeitig Lagerplatz der Fa. –G–) angeliefert. Der vorgenannte Tatbestand beruht auf Feststellungen der Fahndungsprüfung sowie der Aussage eines KA (für beide Firmen verantwortlich, wobei die Fa. AB GmbH nie zur Eintragung ins Handelsregister gekommen ist). Die Rechnungen beider vorgenannten Firmen sind somit falsch (Scheinrechnungen). Ein Vorsteuerabzug ist daher nicht gegeben.”
Die dagegen eingelegten Einsprüche hat der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2003, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, mit der vorliegenden Klage.
Zur Begründung lässt er im Wesentlichen sinngemäß vortragen, dass unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu sog. Strohmanngeschäften bei einer unterstellten Kette –F– – KA – –G– auch nach den Ermittlungen des Beklagten von einer Lieferung von KA (bzw. der entspr. Firma) an den Kläger auszugehen sei. Zivilrechtlich und damit auch umsatzsteuerlich sei grundsätzlich nur der Strohmann aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet, nicht aber der Hintermann. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden sei, d.h. der Leistungsempfänger und der Strohmann einverständlich oder stillschweigend davon ausgingen, dass der Strohmann keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehme und die Rechtswirkungen den Hintermann treffen sollten. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger sei von der Staatsanwaltschaft –U– nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden. Hierbei sei zu beachten, dass die Geschäfte in vollem Umfang über Herrn KA abgewickelt worden seien. Dieser habe die Fahrzeuge angeboten, die Fahrgestellnummern mitgeteilt und Mängelrügen und dergleichen angenommen. Auch seien die Rechnungen auf entsprechende deutsche Konten bezahlt worden. Die vom Beklagten im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen getroffenen Feststellungen, die nach dessen Ansicht zu einem Vorsteuerausschluss führten, seien nicht ungewöhnlich. So sei die nachträgliche Anforderung einer Fahrgestellnummer vom Händler mit einem Schreibversehen, Zahlendrehern oder Ähnlichem zu erklären oder einfach aus Gründen der praktischen Handhabung, wenn nämlich aus logistischen Gründen ein anderes Fahrzeug verladen worden sei. Auch sei es nicht unüblich, wenn der deutsche Importeuer zur Vereinfachung seinen deutschen Händlern, mit denen er zusammenarbeite, seine Angebote mitschicke, da es unwahrscheinlich sei, dass der deutsche Händler dann direkt aus dem Ausland die Fahrzeuge beziehe. Hierfür wären die Volumina zu gering und die praktischen Schwierigkeiten zu groß. Weiter sei es nicht unüblich, dass sich beim deutschen Endhändler Frachtbriefe befänden. Deutsche Händler, die in großem Umfang Fahrzeuge reimportierten, ließen die Fahrzeuge meist direkt vom im EU-Ausland ansässigen Händler zu ihrem deutschen Abnehmer transportieren. Ein direktes Angebot von –F– an den Kläger – wie vom Beklagten behauptet – existiere jedenfalls nicht, was sich im laufenden Klageverfahren herausgestellt habe.
Die Ausführungen des Beklagten erschöpften sich in der allgemeinen Darstellung von Karussellgeschäften, ohne den tatsächlichen Sachverhalt einer entsprechenden Würdigung zu unterziehen. Insbesondere schließe die Berechtigung und Verpflichtung der Hintermänner aus den Geschäften nach der BFH-Rechtsprechung den Vorsteuerabzug nicht aus. Nachdem auch nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung der „Hintermann” nicht offiziell aufgetreten sei, hätten zwischen diesem und dem Kläger keine Lieferbeziehungen bestehen können, so dass bereits deshalb nur der Rechnungsaussteller, der unstreitig als Unternehmer anzusehen sei, als tatsächlich leistender Unternehmer in Betracht komme. Der Kläger habe bis zur Verhaftung von KA alle Geschäfte mit diesem abgewickelt; ein Herr –F– sei ihm nicht bekannt gewesen.
Des Weiteren ergebe sich aus den Vernehmungsprotokollen des Herrn KA, dass es sich bei den von ihm geführten Firmen um ganz typische im eigenen Namen und auf eigene Rechnung unternehmerisch tätig gewordene Firmen handele, ohne dass sich die Frage von Schein- oder Strohmanngeschäften stelle. Schließlich sei bei der XY GmbH eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt worden, in deren Rahmen Voranmeldungen nachgereicht worden seien, was für einen typischen „Buffer” gerade nicht üblich sei.
Der Kläger beantragt,
den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 21. März 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2003 dahingehend abzuändern, dass ein Vorsteuerbetrag in Höhe von DM 664.252,43 zusätzlich zu den bislang angesetzten abziehbaren Vorsteuerbeträgen berücksichtigt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Stellungnahmen der Fahndungsprüfer –H– vom 13. Juli 2004 und –N– vom 14. Juli 2004. Danach habe es sich bei der Abwicklung der Fahrzeuglieferungen um ein betrügerisches „Umsatzsteuerkarussell” und den Firmen XY GmbH und AB GmbH um sog. Missing Trader gehandelt. Zwar könne auch ein Strohmann liefernder Unternehmer sein. Dies setze aber voraus, dass er zur Lieferung in der Lage gewesen sei, d.h. die tatsächliche und auch rechtliche Verfügungsmacht gehabt habe. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall, da Herr KA zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die Fahrzeuge gehabt habe. Die ausschließliche Entscheidung darüber, wann welches Fahrzeug an welchen Abnehmer geliefert werde, habe einzig und allein –F– entschieden. Dies ergebe sich aus dem Faxverkehr zwischen KA und –F–. Dies ergebe sich auch aus dem Abgabeverhalten bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Buchhaltung. Umsatzsteuererklärungen seien erst im Rahmen der Sonderprüfung nachgereicht worden und dann auch nur für den Prüfungszeitraum. Umsatzsteuer sei tatsächlich nicht bezahlt worden. Einkaufsrechnungen seien auch nur für den Prüfungszeitraum vorhanden, allerdings nicht von der Firma –C–, sondern der Briefkastenfirma –O–. Ab Juli 1999 seien keine Einkaufsrechnungen vorhanden, woraus sich wiederum ergebe, dass KA nicht in der Lage gewesen sei, tatsächlich Fahrzeuge an den Kläger zu liefern.
Schließlich setze ein Vorsteuerabzug voraus, dass die in Rechnung gestellte Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet werde. Ein Vorsteuerabzug sei damit nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14 Abs. 2 und 3 Umsatzsteuergesetz – UStG – schulde, was vorliegend aber aufgrund der fehlenden Lieferungen der Fall sei. Dies ergebe sich auch aus dem Geständnis und dem rechtskräftigen Urteil gegen Herrn KA.
Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (jeweils 1 Band Einspruchs-, Betriebsprüfungs-, Umsatzsteuer- und Allgemeine Akten) sowie dem Inhalt der mündlichen Verhandlung entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.
Die Ermittlungsakten (13 Bände) der Staatsanwaltschaft –M– in Sachen –P–, KA, –W–, –E– und –F– wurden beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Vorsteuerabzug aus den streitgegenständlichen Rechnungen abgelehnt.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer zum Abzug bringen. Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug ist mithin, dass von einem anderen Unternehmen für das Unternehmen des Vorsteuerberechtigten eine Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Demnach hätte zwischen KA bzw. dessen Firmen und dem Kläger ein Leistungsaustausch stattfinden müssen, d.h. KA bzw. seine Firmen hätten als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG geliefert haben müssen. Zwar ist Unternehmer grundsätzlich derjenige, der nach außen als Leistender aufgetreten und aus dem Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein vorgeschobenes Strohmanngeschäft vorliegt und die Parteien davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 2 Rdn. 225 f.). Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Strohmann und der Dritte kollusiv handeln. In solchen Kollusionsfällen bedient sich eine Seite des Strohmanns für die Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen. Liegt eine solche Fallgestaltung vor, ist dieser Strohmann nur noch als Hilfsperson dem Lager desjenigen zuzuordnen, in dessen Interesse er handelt (vgl. Heidner in Bunjes/Geist, Kommentar zum UStG, § 2 Rdn. 13 m. w. N.). Entsprechendes muss in Fallgestaltungen gelten, in denen der Strohmann objektiv lediglich als verlängerter Arm des Hintermannes agiert. Inwieweit eine solche Fallgestaltung vorliegt, bestimmt sich entscheidend danach, ob nach dem Gesamtbild der Umstände noch ein Verhalten „wie ein Händler” angenommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1984 V R 32/74, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1985, 173).
Entgegen der Auffassung des Klägers fehlte KA bzw. den von ihm betriebenen Firmen eine entsprechende eigene Unternehmerstellung; denn er war in die streitgegenständliche Lieferkette nicht wie ein typischer Händler einbezogen. Zwar wurden die Bestellungen formal über ihn abgewickelt; seine eigentliche Aufgabe bestand aber darin, den deutschen Händlern durch die Stellung entsprechender Rechnungen den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, so dass diese in den Genuss eines Preis- und Wettbewerbsvorteils in Höhe der ausgewiesenen Umsatzsteuer kommen konnten. Dies ergibt sich aus den Feststellungen der strafgerichtlichen Urteile gegen KA und –F– sowie den zugrundeliegenden staatsanwaltlichen Ermittlungen, die sich das Gericht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 FGO) und mangels substantiierter Einwendungen zu eigen macht. So wird auf Seite 7 des Urteils gegen KA ausgeführt: „Gewerbliche Tätigkeit in Form tatsächlicher Lieferungen der jeweils in Rechnung gestellten Fahrzeuge entfalteten – wie dem Angeklagten bekannt war – weder die –O– AG in –M–, noch die XY GmbH in –Z– oder später die Fa. AI in –T–. Vielmehr dienten die genannten Firmen des Angeklagten sowie die –O– AG nur dem Zweck, um die tatsächlichen Lieferbeziehungen zwischen Kfz-Händlern im Inland und deren ausländischem Lieferanten –C– zu verschleiern. Hintergrund war – wie dem Angeklagten bekannt war –, dass durch die vorgebliche Einschaltung von inländischen Importeuren, die die Fahrzeuge abnehmenden Kfz-Händler gegenüber den jeweils zuständigen Finanzämtern zu Unrecht Vorsteuer geltend machen konnten, was auch geschah.” Weiter spricht gegen eine Unternehmerstellung des KA bzw. den von ihm betriebenen Firmen das fehlende Kapitalrisiko, weil die Fahrzeuge durch –F– beschafft und vorfinanziert wurden. Hinzu kommt, dass dieser eine Bankgarantie hinsichtlich des Firmenkontos abgegeben hat. Auch bestand für KA bzw. den von ihm betriebenen Firmen kein Abnahmerisiko, da er nur Angebote von –F– weitergab. Auch die Reklamationen hat er im Ergebnis lediglich an –F– weitergeleitet, ohne eine gewährleistungsrechtliche Inanspruchnahme befürchten zu müssen (vgl. handschriftlichen Vermerk auf Bl. 125 und 126 der Finanzgerichtsakten: „–F– zur Kenntnis”).
Dies wird im Ergebnis bestätigt durch den vom Beklagten vorgelegten Schriftverkehr zwischen KA und –F– (Bl. 120 – 136 der Finanzgerichtsakten).
So heißt es zum Beispiel im Fax von –C– an KA vom 27. September 1999:
”… –G– soll sich beeilen mit der Zahlung der 7 × Golf 1 und 1 × Audi Limo TDi. Mir fehlt das restliche Geld von –G– und sorge dafür dass –T– bezahlt… Sorge dafür dass die –Ä– dieses Fax in ein Angebot umbastelt . „
Oder im Fax vom 8. Juli 1999:
„KA , –G– bekommt am Donnerstagabend:
6 × GOLF 1,4 5 T 6 × 25.600 = | 153.600 |
3 × Polo 1,4 5 T 3 × 20.500 = | 61.500 |
215.100 |
Wir brauchen das Geld schnell, schneller immer noch schneller”.
Des Weiteren Fax vom 10. September 1999 von –C– an KA:
„KA, Diese 2 Ladungen kann der –G– sofort bekommen. Einziges, wir müssen bei diese 2 Händler im Paris im voraus zahlen und sobald Geld eintrifft wird der –H– innert 24 Stunden aufladen und sich auf den Weg nach –L– machen. So einfach ist das. Zahlt der –G– erst Mittwoch denn kommt die Ladung Ende Woche 38. Mit den ganzen neuen Bankverbindungen rechne ich mit einiger Verzögerungen.”
Oder Fax vom 14. September 1999 von –C– an KA:
„…In Paris stehen 2 Ladungen bereit für –G–… Die beiden Ladungen stehen abholbereit, da brauche ich nur noch bezahlen. Aufs Geld warte ich von –G–. Wann kann er was bezahlen? … Fazit: beim –T– und –G– solltest du um Geld bitten, mehr nicht.”
Schließlich Fax vom 19. Oktober 1999 von –C–:
„…Anfrage –G–. Der Audi A4 Avant 1,8 Turbo Pack in Q oder 4Z kann ich für DM 46.500 abgeben an statt 47.000 Habe einen neuen Vorschlag bekommen und konnte deswegen der Preis auf günstige Weise anpassen. Was bin ich doch einen ehrlicher Mensch, fast so ehrlich wie der KA… Wenn –G– noch diese Woche bestellt, hat er das Auto noch dieses Jahr!”
Aus alledem folgt, dass KA und die von ihm betriebenen Firmen lediglich ein nach den Anweisungen von –F– handelndes Zwischenglied waren, deren alleinige Aufgabe es war, die deutschen Händler mit entsprechenden Rechnungen zu versorgen und für einen schnellen Zahlungseingang zu sorgen. Dieses ist aber gerade kein händlertypisches Verhalten.
KA bzw. die von ihm betriebenen Firmen waren somit als unselbständiger Strohmann dem Lager des –F– zuzurechnen, so dass es an der für einen Vorsteuerabzug notwendigen Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG fehlte (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 22. Mai 2003 5 StR 520/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2004, Beilage 2, 163-166).
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger gegebenenfalls von einer Unternehmereigenschaft ausgegangen ist, da es einen Gutglaubensschutz für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht gibt (vgl. BFH-Beschluss vom 11. März 1994 V B 92/93, BFH/NV 1995, 653).
Was die Rechnungen der AB GmbH anbelangt, so mangelt es zusätzlich an der für den Vorsteuerabzug notwendigen Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer, da die AB GmbH nicht ins Handelsregister eingetragen worden ist und damit gesellschaftsrechtlich niemals existiert hat, so dass sie auch keine Leistungen erbringen konnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war mangels Gründen im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.